Die Erkenntnisse einer pflegenden Angehörigen - Frau G. erläutert ihre Sicht der Dinge

„Ich pflege - Eine Perspektive der etwas anderen Art“

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© waltraudgehrig

Mein Name ist Waltraud Gehrig (www.waltraud-gehrig.com ). Ich bin Kommunikations- und Sprachwissenschaftlerin. Fast 13 Jahre war das Thema Pflege für mich als pflegende Angehörige ein Bestandteil meines Lebens bis es schließlich mein Dasein diktierte. Die Pflege stellte alles auf den Kopf. Mein Leben verlief nicht mehr in geregelten Bahnen und nicht, wie ich es mir gewünscht hätte. Chaos brach in fast allen Bereichen meines Lebens aus. Am Ende aber fand alles seinen Platz und diese sehr emotionale und intensive Zeit würde ich nicht mehr missen wollen. Im Rückblick würde ich sagen, dass alles so kommen musste wie es kam. Auch mein ‚altes Leben‘ vor der Pflege hat mich auf das ‚neue Leben‘ vorbereitet. Alles was ich bereits erleben durfte, und das ist eine ganze Menge, machte plötzlich Sinn. Es gab mir die Kraft und den Mut, diesen neuen Abschnitt aktiv anzugehen und zu meistern. Die Pflegezeit hat erheblichen Anteil an meiner heutigen Persönlichkeit, denn die Erfahrungen haben mich reifen lassen.

Ich möchte Sie alle an meinen persönlichen Erfahrungen und meinem Wissen teilhaben lassen. Ich lade Sie ein, in ein fremdes und Ihnen am Ende vielleicht doch bekanntes Leben zu blicken. Ich möchte Ihnen Zuversicht vermitteln, wenn es gerade mal allzu schwer und aussichtslos scheint. Mut zusprechen, wenn die Pflege einmal wieder alle Kräfte übersteigt und Ressourcen im Eiltempo schwinden lässt. Aber ganz wichtig: ich möchte Ihnen die die schönen Momente und das Besondere der Situation aufzeigen und Ihnen vor Augen halten, was Sie alle leisten, wenn Sie sich entschieden haben, zu pflegen. Egal ob Sie es aus freien Stücken tun, oder weil Sie es müssen oder weil Sie damit Geld verdienen.

Ich werde Ihnen von den Anfängen meiner Pflegesituation berichten, wie es endete und wie sie ihre Fortsetzung fand. Es wird nicht nur ein Auszug aus dem Leben eines pflegenden Menschen sein, sondern es ist eine Geschichte, die Ihnen zeigen soll, welche anderen Bereiche Pflege umfasst. Was bedeutet es: ‚zu pflegen‘ und ein pflegender Mensch zu sein. Ich schreibe hier bewusst ‚Mensch‘ anstelle des Angehörigen. Denn nicht nur Angehörige pflegen ihre Liebsten, auch miteinander nicht verwandte Menschen entscheiden sich, Verantwortung zu übernehmen und sich gemeinsam mit dem Menschen, der die Unterstützung braucht, in dieses ‚Abenteuer‘ zu stürzen.  

Das Dossier: Pfelgenetzwerke

Dieses Dossier soll sich nicht nur an diejenigen richten, die bereits in einer Pflegesituation sind. Vielleicht kommt auch mal der eine oder andere Besucher, der sich vorab über Pflege informieren möchte. Ganz besonders wichtig ist es mir, Ihnen viele handfeste und praktische Informationen zu geben. Es wäre schön, wenn Sie von und aus meinen Irrwegen lernen können und sie nicht wiederholen. Ich vermeide ganz bewusst das Wort ‚Fehler‘, denn ich finde es ist fehl am Platz. Eine Pflegesituation ist eine außergewöhnliche, eine Ausnahmesituation. Man kann nur handeln und Entscheidungen treffen auf Grund aller Informationen, die man gerade in dem Moment zur Verfügung hat. Und es gibt unendlich viele Informationen zum Thema Pflege und viele außergewöhnliche Aspekte, die nicht jeder gleich auf dem Schirm hat. Sie werden sehen, dass der Wissensgrad eines jeden Einzelnen sich ebenfalls extrem unterscheidet, besonders bei Behörden und offiziellen Stellen.   

Heute bin auch ich um ein vieles schlauer, aber nichtsdestotrotz würde ich nicht viel anders machen und bin daher sehr zufrieden mit dem, was ich geleistet habe. Denn auch das gehört dazu: stolz auf sich sein, auf seine eigene Leistung. Das anerkennen und wertschätzen was man selbst in der Pflegesituation tut. Aber das alles sind Themen für viele Kapitel, die noch kommen werden.

Pflege ist kein alleinstehendes Thema

Die Pflege meines Vaters und vor allem die meiner Mutter, die jahrelang mein Leben bestimmte führte nach deren Tod zu dem Entschluss, meine erlernten Kompetenzen zu nutzen, sie mit meinem Beruf zu verbinden und beruflich damit neue Wege zu gehen. Gemeinsam mit meinem Partner haben wir letztes Jahr das Unternehmen ‚Pflegenetzwerke Rhein-Neckar‘ (Link setzen: www.pflegenetzwerke.de) gegründet. Wir sind beide schon jahrelang selbständig, so dass uns die Gründung des Unternehmens nicht schwerfiel und eine logische Konsequenz in unserem Leben und unseren Erfahrungen erschien.

Uns geht es darum, das Thema Pflege ins Bewusstsein der Menschen zu rücken und zwar mit den unterschiedlichen Gesichtern, die Pflege hat. Eine Pflegesituation kann jeden treffen, muss aber nicht. Doch es wird voraussichtlich nicht ausbleiben, dass wir mit dem Thema in irgendeiner Form in Berührung kommen, sei es auch nur in unserem näheren Umfeld oder am Arbeitsplatz. Wenn es soweit kommt muss man sich im Klaren sein, dass es nicht damit getan ist, einen Pflegedienst zu organisieren oder mal einen Besuch zum Arzt und den Kranken dorthin zu begleiten. Sie werden merken, dass die Pflegesituation Vieles von dem Kranken und den Pflegepersonen abverlangt und dass Bereiche davon betroffen sein können, an die man beim Wort ‚Pflege‘ erst einmal nicht denkt.

Das ‚Mannheimer Pflegeforum‘

Gemeinsam mit dem Mannheimer Morgen entstand im Frühjahr 2018 Idee, Pflege einer breiteren Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen und Interesse dafür zu wecken. Wir hatten das Ziel, Pflege mal etwas anders darzustellen. Nicht mit Messecharakter und nicht nur mit der negativen Tonart, die man sonst so oft mit dem Thema in Verbindung bringt. Wir wollen alle ansprechen und dazu bewegen, das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven heraus zu betrachten. Letzten September hat daher das erste Mannheimer Pflegeforum in den Räumlichkeiten des Mannheimer Morgens stattgefunden. Die Resonanz war derart, dass wir uns entschlossen haben ein weiteres Pflegeforum zu veranstalten und das findet nun am 24.03.2019 im Mannheimer Schloss (Universität Mannheim) statt. In den weiteren Beiträgen werde ich mehr über das Konzept des Forums schreiben und Sie hoffentlich dazu bewegen können, uns zu besuchen und mit von der Partie zu sein.

Es hat uns bestärkt, weiter in dem Bereich tätig zu sein und das Interesse und die Fragen der Besucher zeigte, dass man viel mehr miteinander sprechen muss, um sowohl Missverständnissen oder Falschinformationen vorzubeugen oder entgegenzuwirken. Miteinander und füreinander statt gegeneinander - das sollte gerade in der Pflege das Motto sein. Dazu zählen besonders das bewusste Kommunizieren, das persönliche Gespräch und die Gestik, genauso wie Anteilnahme und Wertschätzung.  Alles Dinge, die im Grunde genommen sehr einfach sind und doch für viele so schwer. Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie Sie für sich diese Bereiche erschließen oder verfeinern können.

Die Österreicher haben es treffend formuliert: Wir helfen Ihnen, den Schatz der Pflege zu heben. Auch wir wollen Ihnen den Weg zu den wunderschönen Dingen zeigen, die in der Pflege und dem Unterstützen eines Menschen verborgen liegen. Und deswegen erzähle ich Ihnen in den nächsten Monaten, meine Sicht der Dinge.  

In diesem Sinne, bleiben Sie gesund und zuversichtlich. Bis zum nächsten Mal,

Ihre Waltraud Gehrig

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