Mainfranken Theater

La Traviata in Würzburg: Nur einer kann ihr Herz berühren

Verdis Oper „La Traviata“ bot am Mainfranken Theater in Würzburg ein musikalisches Erlebnis zwischen Glanz und Verlorenheit, Rausch und Reue.

Von 
Felix Röttger
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Ein Moment voller Zärtlichkeit: Alfredo (Juraj Hollý) neigt sich behutsam zu der erschöpften Violetta (Sophie Gordeladze); eine erste Begegnung, die bereits von inniger Nähe und stiller Dramatik geprägt ist. © Nik Schölzel

Würzburg. „Ah, fors‘è lui che l‘anima…“ – Mit dieser Hoffnung beginnt Violettas Reise zwischen Glanz und Vergänglichkeit. Violetta Valéry liegt auf ihrem Krankenbett ist sterbenskrank, doch noch sieht sie ihre Zeit nicht gekommen. In ihrem Salon wird gefeiert und sie will dabei sein. Ein guter Regieeinfall, Verdis Meisterwerk „La Traviata“ am Mainfranken Theater Würzburg auf diese Weise rückblickend zu erzählen. Gleichzeitig wird mit dieser Szene, die in eine brillant gesungene Cabaletta „Sempre libera“ übergeht, mehr als überdeutlich, dass mit Sophie Gordeladze eine faszinierende Sopranistin die Titelrolle stimmlich überragend ausfüllt.

Ein Leben für die Liebe – doch zu spät

Zur Handlung: Der junge Alfredo Germont gesteht der gefeierten Kurtisane Violetta seine Liebe, die ihrerseits unsicher ist, ob sie sich auf eine ernsthafte Beziehung einlassen kann. Nach dem Fest bleibt Violetta allein zurück und schwankt zwischen dem Wunsch nach Liebe und dem Leben in Freiheit. Die Liebe ist größer und sie lebt mit Alfredo glücklich in einem Landhaus. Doch Alfredos Vater Giorgio bittet Violetta, die Beziehung zu beenden, um die Ehre der Familie zu retten. Violetta willigt schweren Herzens ein und kehrt in ihr altes Leben zurück, ohne Alfredo den wahren Grund zu nennen. Als Alfredo sie später auf einem Fest wieder trifft, demütigt er sie öffentlich. Alfredo erfährt die Wahrheit und eilt zur schwerkranken Violetta. Die beiden versöhnen sich, doch die gemeinsame Zeit ist knapp. Violetta stirbt in Alfredos Armen – geliebt, aber es ist zu spät.

Die Inszenierung von La Traviata durch Regisseur und Bühnenbildner Olivier Tambosi und Co-Regisseurin Christiane Boesiger besticht durch sorgfältig konturierte Soli und ein mitreißendes Orchester unter Mark Rohde. Opernchor und Extrachor überzeugen mit einer klanglich ausgewogenen, makellos intonierten Darbietung – vorbereitet von Pawel Serafin und Sören Eckhoff. Die klare Regieführung verleiht der Aufführung emotionale Tiefe und beschert dem Publikum einen unvergesslichen Opernabend.

Zwischen Romanze und Tragik

Im Mittelpunkt der Aufführung steht die Sopranistin Sophie Gordeladze, die als Violetta ihr Hausdebüt gibt. Sie sang bei den Opernfestspielen Heidenheim 2024 die Titelfigur Giovanna d´Arco in der selten gespielten gleichnamigen Verdi-Oper. Dafür bekam sie mit Regisseur Marcus Bosch und der „Cappella Aquileia“ den Opus Klassik 2025 in der Kategorie „Operneinspielung des Jahres“.

In Würzburg besteht sie die „Ausdauerprüfung“ mit Bravour, denn erst ist sie als Koloratursopranistin gefragt, dann beweist sie lyrische Qualitäten, um dann im dritten Akt im dramatischen Fach stimmlich und auch darstellerisch zu überzeugen. Jederzeit bringt Gordeladze jene ambivalente Stimmung zur Geltung, die Verdi so kunstvoll in seiner Musik verankert hat: ein ständiges Schwanken zwischen Liebesglück und nahendem Verhängnis. In weiteren Vorstellungen übernimmt alternierend Milena Arsovska aus dem Würzburger Opernensemble die unfassbar herausfordernde Partie.

Violettas Liebhaber Alfredo verkörpert der Tenor Juraj Hollý mit jugendlicher Wärme und sensibler Phrasierung. Es st ein Klangbild, das seine emotionale Unbeholfenheit ebenso spiegelt wie seine aufrichtige Liebe.

Tragische Figur im Bajazzo-Kostüm

Eindrucksvoll gerät Alfredos Auftritt im letzten Akt: Aus einer grell lärmenden Clowns-Truppe heraus tritt er – im Bajazzo-Kostüm, das zunächst befremdet – an Violettas Sterbebett. Die Regie setzt hier bewusst auf Kontrast und Irritation: Der Karneval, Symbol für Verdrängung und gesellschaftliche Maskerade, dringt in den intimsten Moment der Oper ein. Alfredo wird zur tragischen Figur, die zwischen Rolle und Realität taumelt – ein Bajazzo, der nach außen Heiterkeit zeigt, aber innerlich leidet. Juraj Hollý füllt diesen Moment sängerisch mit berührender Brüchigkeit; seine Stimme gewinnt an Ausdruckstiefe, als Verzweiflung und Hoffnung ineinanderfließen. So wird das Kostüm zur Regie-Metapher für emotionale Dissonanz, für eine Liebe, die sich zu spät offenbart.

Leo Hyunho Kim gestaltet Giorgio Germont mit klangvoll-warmem Bariton und bewusst reduzierter, fast statuarischer Haltung; Sinnbild eines Mannes, der in gesellschaftlichen Konventionen erstarrt ist.

Barbara Schöller als Annina bringt viel Bühnenerfahrung mit, bleibt in dieser Inszenierung jedoch auf die Rolle der beflissenen Dienerin im hausbackenen Kostüm reduziert. Die Mezzosopranistin gestaltet ihre wenigen musikalischen Momente mit klarem Ton und diskreter Präsenz. Eindrucksvoll in der Sterbeszene als stille Konstante an Violettas Seite, während deren Welt in sich zusammenfällt.

Vero Miller gestaltet die Rolle der Kurtisane Flora stimmlich brillant. Als mondäne Gastgeberin bleibt sie emotional distanziert – ein Charakterbild, das Violettas Einsamkeit umso schärfer konturiert.

Daniel Fiolka als Barone Douphol, David Hieronimi als Marchese D‘Obigny und Gabriel Fortunas als Dottore Grenvil fügen sich gemeinsam mit den weiteren Nebenfiguren stimmlich und darstellerisch zuverlässig ins Tableau der Pariser Gesellschaft ein.

Das vom Regisseur selbst entworfene Bühnenbild nutzt eine Drehbühne, deren schwarz-silbrige Glittervorhänge Räume trennen und zugleich fließende Übergänge ermöglichen. Die visuelle Dynamik entsteht aus der ständigen Bewegung zwischen Innen und Außen, Intimität und Gesellschaft. Lena Weikhards Kostüme greifen diese Spannungen auf und verstärken die Kontraste zwischen gesellschaftlicher Maskerade und persönlicher Wahrheit. Im Zusammenspiel mit Olaf Lundts Lichtgestaltung entsteht eine Bildsprache, welche die emotionale Tiefenschärfe der Inszenierung subtil unterstreicht.

Orchester mit Feinsinn und Feuer

Lange 14 Jahre prägte Enrico Calesso mit seinem expressiven Temperament und mit inniger Nähe zu Verdis Klangsprache das musikalische Profil Würzburgs. Seine Interpretationen lebten von mediterraner Wärme und emotionaler Direktheit. Es sind Eigenschaften, die dem italienischen Dirigenten wie selbstverständlich zu eigen scheinen. Seinen Einstand gab jetzt mit dem gebürtigen Hamburger Mark Rohde ein Nachfolger, dessen Zugang zu Verdi spürbar anders ist: eher analytisch durchdrungen, strukturell klar und von feiner klanglicher Balance getragen. Der Wechsel im Dirigierstil wird nicht als

Bruch, sondern als Bereicherung empfunden. Nur bei Verdis orchestralen Ausbrüchen offenbart die Blaue Halle ihre akustischen Grenzen.

Die Welt feiert, während Violetta stirbt

Verdi gestaltet die Kontraste zwischen Leben und Tod, Gesellschaft und Gefühl mit musikalischer Meisterschaft. Die Regie antwortet nicht mit grellen Gegenbildern, sondern mit feinfühliger Parallelführung, durch die sich die emotionale Tiefe der Partitur szenisch entfaltet. In jedem Akt zeigt sich eine sorgfältige Abstimmung von Szene und Musik, die nicht illustriert, sondern mitdenkt und im gleichen Atem mitschwingt. Gerade diese kongeniale Verbindung von Klang und Bild macht die Inszenierung so überzeugend: Sie vertraut der Partitur und entfaltet daraus eine szenische Sprache, die Verdis emotionalen Gehalt umso sichtbarer macht. Der langanhaltende, emphatische Beifall des Premierenpublikums bestätigte eindrucksvoll, wie sehr dieser Abend berührte.

Die nächsten Aufführungen der Oper in der Blauen Halle sind am 30. September und 11. Oktober jeweils ab 19.30 Uhr mit einer Einführung um 18.55 Uhr, sowie am 19. Oktober um 18 Uhr mit einer Einführung um 17.25 Uhr. Karten unter Telefon 0931/375375 oder www.mainfrankentheater.de im Internet.

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