Gelungene Premiere

Die Phase zwischen Leben und Tod im Torturm in Sommerhausen

Premiere im Torturmtheater Sommerhausen. Die Besucher erwartete das Stück „Die Entführung der Amygdala“ der 1986 geborenen Autorin Anna Gschnitzer.

Von 
Ursula Düring
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Gelungene Premiere im Torturmtheater in Sommerhausen mit dem Stück „Die Entführung der Amygdala“ der 1986 geborenen Autorin Anna Gschnitzer. © Angelika Relin

Sommerhausen. Wie bekommt Frau Termine und To-do-Listen eines einzigen Tages unter einen Hut Welche Erwartungen haben Patriarchat und Gesellschaft an Ehefrauen, Mütter, Care-Arbeiterinnen?

Das hoch aktuelle Stück „Die Entführung der Amygdala“ der 1986 geborenen Autorin Anna Gschnitzer schöpft aus der täglichen Realität. Es wirft Fragen auf, gibt Denkanstöße, unterhält und gefällt. Vor allem dann, wenn es so daherkommt wie bei der Premiere im Torturmtheater in Sommerhausen.

Schauspielerinnen mit Power, Humor und Spielfreude

Unter der Regie von Christine Bossert spielen sich dort zwei Schauspielerinnen mit Power, mit Humor, mit Spielfreude und Drive rasant die Seele aus dem Leib und können sich nach einer guten Stunde über stürmischen Premierenapplaus freuen.

Die Amygdala ist eine Struktur im Gehirn, die eine zentrale Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen spielt. Sie ist mitverantwortlich für Wut, Lust, Angst und Furcht.

Auf der Torturmbühne in Sommerhausen tritt sie mit rosa Perücke und Tüllröckchen (Ausstattung: Christine Bossert, Angelika Relin) in dem Augenblick auf, als die Frau statt der Fahrradbremse ihren Kopf benutzt.

Radikal neue Perspektive

Wieder einmal ist diese Frau dank täglicher Überforderung zu spät dran, hat den Fahrradhelm vergessen und rast mit lautem Krach mit einem „abgefuckten“ SUV zusammen.

In der Phase zwischen Leben und Tod ist die Frau im Dialog mit ihrer Amygdala. Reflektiert ihre von der Gesellschaft vorgegebene Rolle, lehnt sich dagegen auf und sucht eine radikal neue Perspektive, die ihr - frei von gesellschaftlichen Zwängen - Ausbeutung erspart, statt dessen Freiräume für Liebe und Zärtlichkeit lässt.

Nina Damaschke, erfahrene Bühnen- und Fernsehdarstellerin, und ebenso wie die Regisseurin in Sommerhausen keine Unbekannte, deckt schauspielerisch alle Phasen der verunglückten Frau ab. Im Rückblick auf ihr Leben funktioniert, reflektiert, rebelliert sie. Bezweifelt ihre Bereitschaft, für alles und jeden Verantwortung zu tragen. Bäumt sich auf gegen die „Sonntagsfeministen“, den im Meeting sitzenden Papa und die fordernde eigene Mutter, knurrt und kugelt über die Bühne.

Damaschkes Ausdrucksmöglichkeiten in Gestik und Mimik spannen sich hin bis zu Tränen und Schmerz, während sie über den Schädelbasisbruch als Beginn in ein neues Leben reflektiert.

Die Schauspielerin und Theaterpädagogin Johanna Fehrenbach in der Rolle der Gehirnstruktur Amygdala agiert als eine ideale Ergänzung. Sie betritt die Szene in entscheidenden Augenblicken, bleibt gegenwärtig, auch wenn sie sich zurücknimmt und hinterlässt so einen nachhaltigen Eindruck.

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