600. Weikersheimer Kärwe - Altsprachler Günter Breitenbacher übersetzte Archiv-Schriften / Genaue Daten der Weihe bis heute ungeklärt

Was alte Dokumente übers große Fest verraten

Von 
Inge Braune
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Günter Breitenbacher hat gründlich recherchiert, wie es vor 600 Jahren zum Bau der Georgskirche kam. © Inge Braune

Die diesjährige Kärwe ist ein ganz besonderer Tag: Weikersheim feiert das 600. Kärwe-Jubiläum.

Weikersheim. Kärwe – andernorts heißt das Kirchweih, Kirmes, Kerb –ist, so definiert das durchaus gründlich recherchierte 20-bändige Zeit-Lexikon und ist sich darin mit Autoren unterschiedlichster Provenienz einig, das „alljährliche Fest zur Erinnerung an die Kirchweihe, oft in Verbindung mit dem Erntefest, als Volksfest (Tanz, Jahrmarkt) begangen“. Auf die Kirchweihe, auch darin besteht Einigkeit, gehen allenthalben die traditionellen Kärwefeste zurück.

Wann genau diese in Weikersheim erfolgte, ist bislang nicht eindeutig klärbar. Auch der Weikersheimer Altsprachler und Geschichtslehrer im Ruhestand Günter Breitenbacher konnte das Weihedatum trotz intensiver Literatur- und Archivrecherche nach Dokumenten rund um die Historie der Georgskirche bislang nicht finden.

Herausgefunden hat Breitenbacher dennoch einiges. So vermutete Pistorius im Stadtbuch des Jahres 1737, dass die Weihe am Sonntag vor dem Fest der Kreuzerhöhung stattfand. Das wird am 14. September begangen, was gut zum bis heute gepflegten Kärwetermin passt. Leider versäumte Pistorius, eine Jahreszahl anzugeben.

So kann auch die Oberamtsbeschreibung aus dem Jahr 1880 nur mutmaßen. Dort geht man von davon aus, dass die Weihe Anno 1425 erfolgte; nicht unwahrscheinlich, denn in diesem Jahr verlieh der Würzburger Generalvikar, der erste Stellvertreter des Bischofs, der neuen Kirche das Recht, einen vierzigtägigen Ablass zu gewähren. Das lässt zwar auf die erfolgte Weihe schließen, keineswegs aber auf die komplette Fertigstellung des Bauwerks. Entsprechend datierte Kunsthistoriker Klaus Mertens in den 90er Jahren den Abschluss der Arbeiten auch auf erst etwa 1440.

Grundstein oder Einweihung?

Das Jahr, auf das sich das diesjährige 600-jährige Kärwejubiläum bezieht, kann jedenfalls schwerlich das Weihejahr sein. So feierte die evangelische Gemeinde auch im Sommer das 600-jährige Jubiläum der Grundsteinlegung, auf das eine in Stein gemeißelte Inschrift am Pfeiler der Westfassade der Georgskirche verweist: „1419 am 2. Tag nach Urban ist dieses Werk begonnen worden zu Ehren des heiligen Blutes Christi und des Märtyrers Georg“.

Die Baugenehmigung hatte der zuständige Würzburger Bischof Johannes II. am 10. Januar 1419 erteilt, wie Breitenbacher anhand der im Neuensteiner Zentralarchiv verwahrten Urkunde mit Unterstützung des früheren Wertheimer Stadtarchivars entzifferte. Der mit Uraltschriften bestens vertraute Wertheimer half Breitenbacher mehrfach bei der Transkription der teilweise extrem schwer lesbaren und zudem meist in ziemlich degeneriertem Latein verfassten Texte. Ebenfalls spannend ist, dass bereits eine von Bischof Otto von Konstanz im Sommer 1418 – die gesiegelte Urkunde datiert vom 5. Juli – in den Gemeinden seines Bistums zu Spenden für den Weikersheimer Kirchenbau aufrief; natürlich gegen einen Ablass zeitlicher Sündenstrafen. Animiert hatte ihn dazu wohl der damalige Weikersheimer Stadtherr Konrad von Weinsberg, der als Reichserbkämmerer, heute hätte man ihn wohl als königlichen Finanzminister einzuordnen, bis in höchste Kreise bestens vernetzt war.

Um 1452 jedenfalls dürfte die Kirche bereits seit längerem ganz offiziell in Betrieb gewesen sein, denn aus diesem Jahr überdauerte ein Vermächtnis die Zeiten: Eine Anna Schulin vermachte darin ihr Vermögen dem Kreuzaltar. Waren die Zeiten ruhiger geworden?

Die Frage drängt sich auf, denn Breitenbachers Studien verweisen in der Zeit vor dem Bau der Georgskirche auf eine in der Region eher unruhige Phase. Alt-Weikersheim, so weiß er zu berichten, sei vor Errichtung der Wasserburg der Edlen von Hohenlohe, also vor 1150, nur ein kleines Dörfchen jenseits des Vorbachs gewesen. Es wurde nach der Entstehung einer neuen Siedlung in der Nähe der Burganlage aufgegeben. Den neuen Ort sicherte man nach 1330 mit Verleihung der Stadtrechte durch eine Stadtmauer, nutzte aber das jetzt außerhalb der Mauern gelegene alte Kirchlein an der Straße nach Schäftersheim weiterhin als Gotteshaus.

1403, berichtet Breitenbacher, erhielt Schäftersheim das Recht auf eigenen Pfarrer und Kirche. Es hat den Anschein, als sei spätestens ab dieser Zeit die Bedeutung der Alt-Weikersheimer Kirche im Umfeld des heutigen Friedhofs zusehends zurückgegangen.

Mit Überfällen zu rechnen

Der Bereich außerhalb der Stadtmauer war ungeschützt, und – wie die Genehmigungsurkunde unterstreicht – Einwohner und der Pfarrer mussten mit Überfällen rechnen, wenn sie zu Gottesdienstbesuchen den sicheren Stadtbereich verließen.

Die Verlegung der Kirche ins umfriedete Areal wurde unter der Auflage, die alten Steine wieder zu verwenden, einen Teil der Kirche als Erinnerung zu erhalten und hier wöchentlich zwei Seelenämter zu lesen, genehmigt.

Im Jahr 1420 beantragte Anna von Hohenlohe-Brauneck, das Allerheiligste, das in dem nicht abgerissenen Teil der alten Kirche weiterhin aufbewahrt wurde, in die „Blutkapelle“ – ein im Bereich Mühlstraße gelegenes Kapellchen – übertragen zu dürfen. Sie begründet ihren Antrag mit den Risiken, denen sich der Pfarrer aussetzte, wenn er aus der außerhalb der Stadtmauer gelegenen Kirche die Krankenkommunion holen musste. Wie eine Urkunde belegt, wurde der Antrag vom Würzburger Bischof als Übergangslösung bis zur Fertigstellung der Nachfolgerkirche genehmigt. Ungeklärt bleibt bis auf weiteres, wann genau das Allerheiligste – wohl am Weihetag – aus dem Übergangsheim in der Blutkapelle in die Georgskirche übertragen wurde. Dieser „Umzug“ dürfte wohl in feierlicher Prozession stattgefunden haben und damit vielleicht auch eine der Wurzeln des traditionellen Weikersheimer Kärweumzugs sein.

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