„Es gibt angenehmere Dinge als das Studienzentrum“, so Norbert Bach vom Club w 71 beim Vortrag „Das Studienzentrum Weikersheim – ein Instrument der AfD?“. Die Auseinandersetzung sei nötig.
Weikersheim. Wer genau hinschaue beim Studienzentrum Weikersheim, der merke schnell, dass sich das Engagement lohne. „Timo Büchner hat sich da regelrecht reingekniet“, sagte Club-Sprecher Norbert Bach. Dass in Weikersheim und Umgebung weiter hingeschaut wird, das zeigte sich auch am Zuspruch zu dieser Veranstaltung. Mehr als 70 Zuhörer kamen in den Club w 71. Sie hörten nicht nur einen informativen Vortrag, auch die neue Broschüre „Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar“ des „Netzwerks gegen Rechts Main-Tauber“ wurde von Timo Büchner vorgestellt. Und ja: Selbstverständlich heißt Büchner nicht wirklich so, aus Sicherheitsgründen muss der Referent einen Aliasnamen nutzen.
Büchner verwies zunächst auf den geschichtlichen Hintergrund. Das Studienzentrum Weikersheim (SZW) wurde, initiiert von Hans Filbinger, 1978 gegründet, nachdem die NSDAP-Mitgliedschaft und die Marinerichtertätigkeit des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten öffentlich wurden. Er sah im SZW die „Antwort auf die sogenannte Kulturrevolution aus den 60er Jahren“. Als dann 2007 bei Filbingers Beerdigung einer seiner Nachfolger im Amt, Günter Oettinger, die Trauerreede hielt und ihn u.a. als „Gegner des NS-Regimes“ bezeichnete, der persönlich keine Hinrichtung von Deserteuren im NS-Regime zu verantworten gehabt habe, folgte internationale Kritik. Oettinger musste seine Aussagen zurücknehmen, lehnte aber den Austritt aus dem SZW ab. Das SZW, das machte Büchner deutlich, war von Anfang an ein Hort der Rechstkonservativen.
Mehrfach Pegida-Redner
2013 erfolgte die Veröffentlichung der „Weikersheimer These“, in denen das SZW als „Diskussionsforum für die zeitgemäße Formulierung eines freiheitlichen Konservatismus“ beschrieben wird, um sich „auf christlichem Fundament“ mit den „Problemen der Gegenwart des 21. Jahrhunderts“ zu beschäftigen. Die Realität schilderte Büchner direkt im Anschluss: „Am 14. Mai 2015 veranstaltete das SZW seinen so genannten Frühjahrkongress in Stuttgart und lud dazu den nach Angaben des Veranstalters ,zeitgeistkritischen’ Autor Udo Ulfkotte für einen Vortrag zum Thema ,Pegida und die veröffentlichte Meinung’ ein.“ Der mittlerweile verstorbene Ulfkotte veröffentlichte 2015 das Buch „Mekka Deutschland. Die stille Islamisierung“ und war mehrfach Redner bei Pegida-Demonstrationen in Dresden.
Und: „Prof. Dr. Harald Seubert, SZW-Präsident von 2013 bis 2016, trat sein Amt mit dem Anspruch an, das SZW im Sinne der „Weikersheimer Thesen“ zu erneuern. Ende Juli 2016, wenige Wochen vor der 39. Jahrestagung (9. bis 11. Sepptember 2016) mit dem Thema „Wanderungsbewegungen nach Europa – zwischen Sesshaftigkeit und Migration“, trat Seubert von seinem Amt zurück und gänzlich aus dem SZW aus, erläuterte Büchner. „Auf seiner Website schrieb er mit Blick auf die rassistischen Pegida-Proteste von einer ,Unkultur von Ressentiment und Hass, und meinte, seine Position, ,jedwede Berührung des SZW mit diesen Tendenzen eindeutig zu verneinen’, sei im Präsidium nicht geteilt worden.“
Seubert resümierte, wie Büchner weiter darlegte: „Diesen Grunddissens konnte ich nicht länger ignorieren“. Er präzisierte auf Nachfrage der „Jungen Freiheit“, „dass Mitglieder und Teile des Vorstandes Kontakte zu Gruppierungen wie der AfD oder Pegida unterhielten und deren Präsenz im SZW wünschten“.
Grundsätzlich bestehe eine „Unfähigkeit (nahezu) jeder konservativen Tendenz seit 1945, eine klare Zäsur zu dem nationaldeutschen Hexenkessel zu ziehen“. Die „Erneuerungsversuche“ Seuberts seit 2013 seien an dieser „Front zerbrochen“, schilderte Büchner. Der neue Präsident Prof. Dr. Jost Bauch erwiderte, Seuberts Äußerungen seien „grundfalsch“: „Es gab im Präsidium nicht eine Spur von Dissens.“ Deshalb gebe es „keinen Grund, die Seiten zu wechseln und nun auf Weikersheim einzuschlagen.“ In einem Leserbrief, der in der „Jungen Freiheit“ erschien, entgegnete Seubert, er habe „niemals auf Weikersheim eingeschlagen, sondern eine politische Differenz markiert und vollzogen“.
Auf Seubert folgte eine bis heute tätige Doppelspitze mit Prof. Dr. Jost Bauch und Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider – beide wirkten zuvor als Vizepräsidenten. An den Inhalten änderte sich nichts, „es bleibt beim Mix aus Fremdenfeindlichkeit und Verschwörungsideologie“, wie Büchner darlegte.
So etwa mit dem Buch „Einwanderung oder Souveränität: Deutschland am Scheideweg. Die Illegalität der Zuwanderung und der Verfall des Staates“, Herausgeber sind Schachtschneider und Bauch. „Sie behaupten, die Regierung würde „Fremde in großer Zahl zur Einwanderung einladen“ und „auf lange Sicht den Souverän, das Volk, austauschen“.
Diese angebliche „Landnahme der Fremden“ führe in eine „multikulturelle Zufallsbevölkerung“ und ende in „bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen“. Büchners Fazit: „Wer die Landtagsreden, Pressemitteilungen und Leserbriefe von Dr. Christina Baum von der AfD Main-Tauber verfolgt, stellt zweifelsohne Parallelen fest!“
Der Fall Seubert zeige, dass die Frage der inhaltlichen und personellen Nähe des SZW zur AfD sich im Verlauf der letzten Jahre bereits durch interne Querelen stellte. „Ein Blick auf die Verantwortlichen des SZW-Geschäftsführung und Präsidentschaft – zeigt, wie fließend die Übergänge zwischen Rechtskonservatismus, der Neuen und der extremen Rechten geworden sind.“ So sei Albrecht Schachtschneider zwar kein AfD-Mitglied, aber einer der 68 Hauptunterzeichner der eurokritischen ,Wahlalternative 2013’, die in die Gründung der AfD mündete. „Er trat zudem mehrfach als Referent im Rahmen von AfD-Veranstaltungen auf.“ Weiter sei Schachtschneider seit März 2018 eines von zehn Kuratoriumsmitgliedern der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Das Kuratorium, dessen Mitglieder den ,Grundgedanken der Stiftung ideell verbunden sind’, unterstützt und berät die Vorsitzende Erika Steinbach.
Weiter auffällig sei, dass Schachtschneider gemeinsam mit Hans-Thomas Tillschneider („Patriotische Plattform“, AfD Sachsen-Anhalt), Götz Kubitschek („Institut für Staatspolitik“, „Sezession“) und Jürgen Elsässer („Compact“) das Kampagnenprojekt „Ein Prozent für unser Land“ gründete. Das Projekt unterstütze und fördere bundesweit rechte Mobilisierungen finanziell und organisatorisch. Schachstschneider habe das Projekt erstmals 2015 im Rahmen des „Herbstkongress“ des „Institut für Staatspolitik“ (Thema: „Ansturm auf Europa“) vorgestellt. Der SZW-Präsident veröffentlich zudem Beiträge in „Sezession“ und „Compact“, referiert bei „Akademien“ des IfS und so genannten „Souveränitätskonferenzen“ des „Compact“-Magazins. „Elsässer nennt ihn einen der wichtigsten Staatsrechtler Deutschlands“.
Auch der SZW-Geschäftsführer Daniel Tapp hat enge Kontakte zur AfD: Gemeinsam mit dem AfD-nahen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ um den Vorsitzenden David Bendels veranstaltete das SZW eine „Frühjahrstagung“ mit Thilo Sarrazin auf Burg Lichtenberg bei Oberstenfeld im Landkreis Ludwigsburg. Unter den etwa 120 Teilnehmenden befand sich zahlreiche Prominenz des rechten Spektrums, z.B. Rolf Schlierer (Ex-Republikaner-Bundesvorsitzender, Michael Paulwitz (Redakteur „Junge Freiheit“) und Dr. Nicolaus Fest (AfD Berlin).
„Richtig spannend wird es dann bei Alice Weidel, der AfD-Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl und Dieter Stein (Chefredakteur „Junge Freiheit“). Denn Daniel Tapp – er ist seit September 2014 SZW-Geschäftsführer – ist heute Pressesprecher von Alice Weidel, daher befindet sich die SZW-Geschäftsstelle in Berlin“ legte Büchner dar. Tapp äußerte sich dazu 2016: „Wir sind nicht mehr hundertprozentig in der CDU eingegliedert wie es früher war.“ Die Veranstaltung auf Burg Lichtenberg zeige, wie Büchner betonte, „dass heute weniger die CDU, sondern vielmehr die AfD eine Rolle im SZW spielt“. Daniel Tapp war zudem Assistent der mittlerweile aus der FPÖ ausgetretenen Barbara Rosenkranz, weshalb sich sich die SZW-Geschäftsstelle zwischenzeitlich sogar einmal in Wien befand. Und gemeinsam mit der FPÖ veranstaltete das SZW ein Symposium zu „Ungarns Rolle in Europa“ in Wien, neben SZW-Präsident Schachtschneider saß Rosenkranz auf dem Podium. SZW-Vizepräsident Volker Kempf ist seit Mitte 2014 Mitglied des Kreistags Breisgau-Hochschwarzwald und Vorsitzender der AfD-Kreistagsgruppe, er scheiterte bei weiteren Kandidaturen für den Landtag und den Bundestag. Im Rahmen der 41. SZW-Jahrestagung unter dem Motto „Das Jahr 1918 und die Folgen“ wurde Kempf erstmals zum Vizepräsidenten des SZW gewählt. „Damit ist klar: Ein AfD-Politiker befindet sich in der SZW-Vorstandschaft, dazu kommen Sympathisanten.“
Netzwerk-Funktionen
Das Studienzentrum habe gegenwärtig rund 140 Mitglieder, die Zahl ist in den vergangenen Jahren stabil. Zu den „Jahrestagungen“ der letzten Jahre kamen nur wenige Besucher, die Zahlen lagen im niedrigen zweistelligen Bereich“, erläuterte Büchner. Klar erkannt hätten die Rechten aber, dass es „Vernetzung“ brauche – „und das SZW erfüllt eine nicht zu unterschätzende Netzwerk-Funktion für die politische Rechte in der Bundesrepublik“, sagte Büchner.
Seine Verwunderung darüber, dass Weikersheims Bürgermeister Klaus Kornberger auf der diesjährigen SZW-Tagung sprach, wurde vom Publikum geteilt. „Wir haben ihn angeschrieben und einen Gesprächstermin erhalten. Das Gespräch fand allerdings erst nach seinem Auftritt beim SZW statt“, erläuterte ein Mitglied des Netzwerks gegen Rechts. „Wir haben dabei den Eindruck gewonnen, dass er unsere Kritik verstanden hat.“ Nun müsse man abwarten, werde aber nötigenfalls aktiv werden und die Öffentlichkeit informieren.
Die Diskussion machte deutlich, dass das Thema SZW nach wie vor die Menschen sorgt und bewegt. Die „Machtübernahme der AfD“, wie es ein Zuhörer formulierte, erfordere auch weiterhin Aufmerksamkeit.
Information und „Doku“
Bei seinem Vortrag im Club w 71 „stellte Timo Büchner vom „Netzwerk gegen Rechts Main-Tauber“ die aktualisierte und erweiterte Auflage der Broschüre „Organisierte rechte Strukturen zwischen Tauber, Kocher & Neckar“ vor. Die Broschüre informiert über Parteien, Vereine und Netzwerke der politischen Rechten in den Landkreisen Main-Tauber, Neckar-Odenwald, Hohenlohe und Schwäbisch Hall.
FN: Vor zwei Jahren erschien die erste Auflage der Initiative „Mergentheim Gegen Rechts“, nun erscheint die zweiten namens des „Netzwerks gegen Rechts Main-Tauber“. Was hat sich geändert?
Büchner: Die Umbenennung der Initiative war eigentlich längst überfällig, denn „Mergentheim Gegen Rechts“ war ja im Laufe der vergangenen Jahre in einer großen Fläche unterwegs. Wichtiger aber ist, dass wir uns intern umstrukturiert und neu aufgestellt haben. Wir freuen uns über Verstärkung, denn die Broschüre soll vor allem Menschen ermutigen, sich in die politische Arbeit gegen Rechts einzubringen.
Welchen inhaltlichen Schwerpunkt setzt die Broschüre?
Büchner: In der Broschüre spielt das Erstarken der AfD eine zentrale Rolle, deshalb haben wir deren Veranstaltungen in zahlreichen Grafiken dokumentiert. Ich bin überzeugt, dass wir gerade in dieser Zeit, in der Zeit des massiven Rechtsrucks in der Bundesrepublik, die ersten Schritte der AfD in den Kommunen im Detail festhalten müssen. Mittlerweile besitzt sie in Main-Tauber ein so genanntes „Bürgerbüro“ und gründete eine Jugendorganisation. Sie breitet sich aus und vernetzt sich. Das alles geschieht, ohne dass es viele Menschen mitbekommen. Daher ist die Dokumentation der erste, das demokratische Engagement gegen deren Fremdenfeindlichkeit dann der zweite Schritt.
Was bedeutet das konkret?
Büchner: Um es kurz und knapp zu formulieren, bedeutet das nichts anderes als: Aufstehen.
Im ersten Kapitel finden die Leser eine Chronik rechter Straftaten, die sich in Main-Tauber und Hohenlohe ereigneten. Warum?
Büchner: Bewusst steht die erschreckend lange Liste rechter Straftaten auf den ersten Seiten. Schließlich zeigt die Liste, welche Folgen ein fremdenfeindliches und nationalistisches Weltbild haben kann. Das sollten wir uns vor Augen führen, wenn wir über Rassismus sprechen.
Wo ist diese Broschüre erhältlich, und was kostet sie?
Büchner: Die Schutzgebühr beträgt fünf Euro, zu bekommen ist sie in den Buchhandlungen „Buch und Papier“ in Weikersheim, „Moritz & Lux“ in Bad Mergentheim und Lauda sowie bei „Schwarz auf Weiß“ in Tauberbischofsheim.
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