Tauberbischofsheim. Der Stempel des Kriegsgefangenenlagers "Kommando 917" taucht erstmals am 30. März 1916 auf. Chef der Kommandantur war Generalmajor von Carnap, sein Stellvertreter Hauptmann Harzig. Von Carnap war im Hotel Adler am Bahnhof in Tauberbischofsheim untergebracht. Im Jahr 1917 war Oberstleutnant Eichert Kommandeur des Kriegsgefangenenlagers. Die Garnisonsverwaltung unterstand Garnisonsverwaltungsinspekteur Rauchfuß. Das ebenfalls dem Lager zugehörige Kriegsgefangenenlazarett leiteten Landsturmpflegearzt Wiedenhorn und Stabsarzt Remmlinger.
Nach der Ankunft im Lager wurde zunächst das Gepäck der Kriegsgefangenen durchsucht und diese wurden danach je nach Nationalität in verschiedenen Baracken untergebracht. Die Gefangenen kamen aus dem russischen Zarenreich, Frankreich und ab 1918 auch aus Rumänien, Italien und Großbritannien. Jeden Morgen wurde zur Befehlsausgabe angetreten. Im Lager gab es auch einen französisch-russischen Hilfsausschuss, der sich um die Belange der Soldaten kümmerte. Am Bahnhof wurden die Postpakete abgeholt und in der Paketprüfstelle des Lagers überprüft - erst danach erhielten die Gefangenen ihre Post aus der Heimat.
Besonders kulturell ging es bei den Franzosen zu. So wurden hier verschiedene Theaterstücke aufgeführt und es gab sogar ein Theaterorchester. Zur eigenen Versorgung wurde auch Gemüse auf den freien Flächen im Lager angebaut. Es wurden sogar Ziegen und Hasen für die "Fleischversorgung" gehalten. Zu dem Lager gehörte auch ein Lazarett, in dem ein großer Uhrturm stand. In der eigens errichteten Kirchenbaracke mit dem Bildnis des verwundeten Jesus, dem Schutzpatron der Kriegsgefangenen, wurden regelmäßig Gottesdienste abgehalten.
Als es Probleme bei der Verpflegung und Behandlung der Kriegsgefangenen auf großen Gutshöfen in der Region kam, erfolgte ein Schreiben der Tauberbischofsheimer Kommandantur mit folgendem Text: "Russen betrachten dünne Suppe als schlechte Verpflegung, er liebt den dicken Brei. Der Franzose hat allgemein eine feinere Zunge. Es empfiehlt sich dem Nationalgeschmack vornehmlich dicker Suppe bei Russen, Rechnung zu tragen. Der Kriegsgefangene ist als Soldat anzusehen, der seinem Vaterland gegenüber seine Schuldigkeit getan hat. Wird dies stets bedacht, dann wird er auch stets die richtige Behandlung erfahren."
Für die Gefangenen bestanden folgende Verpflegungsvorschriften: Morgens Kaffee (Kaffeeersatzmittel und Zusatzmittel), mittags Gemüse, dreimal in der Woche Fleisch, Fisch, abends dünne Kartoffel- und Mehlspeise, Heringe und täglich 300 Gramm Brot. Pro Tag wurde eine Verpflegung in Höhe von 1 Mark und 10 Pfennig pro Kriegsgefangenen festgesetzt. Die Verpflegung für die Wachmänner wurde auf 1 Mark 60 Pfennig festgesetzt. Die Abrechnung erfolgte wöchentlich.
Die Soldaten der Arbeitskommandos erhielten aus den Beständen des Kriegsgefangenenlagers je einen Strohsack und ein Kopfpolster, ein bis zwei wollene Decken, zwei Handtücher, Essnäpfe und Essbestecke sowie Waschschüsseln für den Außeneinsatz bei der Ernte und in Betrieben. Abnutzungserscheinungen mussten die Arbeitgeber zahlen.
Ab Juli 1916 wurden Scheckmarken eingeführt, mit denen die Kriegsgefangenen in ausgewiesenen Geschäften in Tauberbischofsheim einkaufen konnten. Der Kauf von Alkohol war jedoch strengstens untersagt. Die Listen der Geschäfte änderten sich monatlich. Das einzige gültige Zahlungsmittel waren hier die Scheckmarken. Diese waren beim jeweiligen Kommandoführer erhältlich. In den Tauberbischofsheimer Gaststätten durften die Kriegsgefangenen auch Dünnbier und Limonade kaufen.
Während des Krieges wurde das Lager in Tauberbischofsheim zweimal von einer Delegation aus dem kriegsneutralen Spanien besucht. Am 27. November 1916 befanden sich 6926 (6060 Russen und 866 Franzosen) Kriegsgefangene im Lager und in den zugehörigen Arbeitskommandos in Tauberbischofsheim. Beim zweiten Besuch am 5. März 1917 waren noch 6590 Gefangene registriert, davon 1174 im Lager und 5416 in Arbeitskommandos. Unter den Gefangenen waren zurzeit des Besuches auch französische, russische, belgische, rumänische, italienische und englische Offiziere, wie ein französischer Historiker zu berichten weiß.
Im August 1917 veröffentlichte die "Gazette des Ardennes" Listen mit den in deutschen Kriegsgefangenlagern befindlichen französischen Soldaten. In der Liste Nr. 371 vom 11. August 1917 wurden 38 Namen und in der Liste Nr. 372 vom 14. August 1917 34 Namen von französischen Soldaten im Kriegsgefangenenlager Tauberbischofsheim aufgelistet.
Die französischen Kriegsgefangenen hatten eine eigene Lagerzeitung, die L 'Anti Cafard. Das französischsprachige Journal wurde von der Frankonia Druckerei, die auch den Tauber- und Frankenboten verlegte, gedruckt. Chefredakteur war Louis Bousquet. Die Redaktion befand sich in Baracke III Compagnie A.
Die Titelstory der Ausgabe vom 1. November 1918 beschäftige sich mit dem Denkmal auf dem Tauberbischofsheimer Friedhof mit der Überschrift: "Wer für das Vaterland gestorben ist, hat auch das Recht, dass an seinem Grab gebetet werden kann." In der Zeitung gab es auch einen Kulturteil, eine Klatschspalte, Sportteil und Kleinanzeigen.
Gegen Ende des Krieges kamen immer mehr Schwerverwundete in das Tauberbischofsheimer Kriegsgefangenenlager. Im August 1918 wandte sich Bürgermeister Emmerich Schnupp besorgt an die Lagerverwaltung in Tauberbischofsheim. Er teilte der Kommandantur mit, dass bereits seit dem 1. Januar 1918 im Lager 43 Kriegsgefangene verstorben seien und die Stadt nicht mehr in der Lage sei, weitere Beerdigungsplätze zur Verfügung zu stellen.
Noch heute befindet sich an der oberen Mauer des Tauberbischofsheimer Friedhofes ein Gedenkstein mit den Namen der verstorbenen Kriegsgefangenen - größtenteils in kyrillischer Schrift. Die verstorbenen französischen Kriegsgefangenen wurden nach dem 1. Weltkrieg auf Sammelfriedhöfe für französische Kriegsgefangene in Frankreich umgebettet.
Zwischen dem 8. April 1916 und dem 24. Dezember 1918 verstarben im Lazarett des Kriegsgefangenenlagers Tauberbischofsheim 279 Kriegsgefangene.
Darunter waren 202 Soldaten des russischen Zarenreiches, 32 Franzosen, 13 Rumänen, 30 Italiener und 2 Briten. Die meisten verstarben im letzten Kriegsjahr 1918 an ihren Kriegsverletzungen.
Am 23. Januar 1919 meldete Bürgermeister Schnupp dem Generalkommando des 14. Armeekorps, dass sämtliche Gefangene aus dem Lager abtransportiert sind und sich nur noch die 3. Auflösungskompanie zur Bewachung des Lagers vor Ort befindet. Das Lager wurde noch bis 1920 als Durchgangslager genutzt und danach abgebrochen.
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