Land und Leute - Sandra und Sebastian Zich aus Sindolsheim sind die Besitzer von vier „Shire Horses“ – und stolz auf das Prunkgeschirr, das in Deutschland einzigartig ist

„Unser Leben richtet sich nach den Pferden“

Von 
Melanie Müller
Lesedauer: 

Wenn Sandra und Sebastian Zich von ihren Pferden erzählen, geraten sie ins Schwärmen. Vier „Shire Horses“ leben auf ihrem Hof. „Sie sind unser Lebensinhalt.“

Sindolsheim. „Hobby und reine Liebhaberei“: Das sind die vier „Shire Horses“ für das Ehepaar Zich. Seit 2002 leben die 42-jährige Sandra, die aus Walldürn stammt, und ihr 38-jähriger Mann Sebastian in Sindolsheim.

Mit den Jahren kamen die vier Wallache „Hainton Rupert“ (Rufname „Robin“), „Whitewall Phantom“ („Tom“), „Fir Garden Jamie“ („Jamie“) und „Old Dyke Johnny („Johnny“) hinzu.

Die ersten drei wurden von Sebastian Zich selbst aus England importiert – und zwar 2010, 2013 und 2015. Die kürzeste Anreise hatte „Johnny“, der aus Hamburg stammt – und seit vier Jahren in „Fir Garden Shires“ (steht für „Tannengarten“ und ist der Stallname) sein Zuhause gefunden hat.

Tierlieb waren die Zichs von Kindesbeinen an, wie sie im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten erzählen. „Die riesigen Tiere sind einfach faszinierend“, so Sebastian Zich, der „schon immer einen Spleen auf Shire Horses“ hatte – und sich daher bereits 2003 einem Verein anschloss.

Endgültig um ihn und seine Frau „geschehen“ war es 2008 nach einem Ausflug zu einer Freundin in England. Dort wollte man bei einem Züchter „einfach mal gucken“ – und habe dann „quasi die Urlaubsliebe“, den Wallach „Drayhorse Arthur“, gekauft.

Sandra Zich strahlt, während im Rücken ihre Schützlinge zufrieden die Frühlingssonne genießen und neugierig über das Gatter zu ihr schauen. Die Vierbeiner, so erfahren wir von ihr, sind sehr treu und auf eine einzige Person fixiert, für die sie alles tun würden. In Sandras Fall sind es „Robin“ und „Jamie“.

„Sanfte Riesen“

„Shire Horses“ würden immer wieder als „Sanfte Riesen“ bezeichnet, verrät die 42-Jährige und fügt hinzu: „Das sind sie auch.“ Zugleich handele es sich um die größte und eleganteste Kaltblut-Pferderasse.

Untergebracht sind die vier Wallache in einem Laufstall – der natürlich ob ihrer Größe „andere Dimensionen“ erfordert wie ein normaler Pferdestall. Gleiches gilt für den Hänger. „Den haben wir extra bauen lassen“, so Sebastian Zich. Apropos groß: Überdimensional groß erscheint auch die Kilogrammzahl Heu, die jedes Tier am Tag frisst: 20 bis 25 Kilogramm spüren da den Schlag nicht.

„Wir gehen arbeiten, um unsere Pferde halten zu können“, erklärt uns das Ehepaar Zich, für das die Vierbeiner der Lebensinhalt sind. Es könne für sie nichts Schöneres geben, als nach Feierabend gemeinsam in den Stall zu gehen, die Fellnasen zu kraulen. Das sei entschleunigend, zum Runterkommen, entspannend.

„Unser Stall ist zugleich unser Wohnzimmer“, schmunzelt Sandra Zich und fügt hinzu: „Bei der gemeinsamen Arbeit erzählen wir uns, was wir am Tag erlebt haben.“

Und wer glaubt, dass sich Sebastian Zich anschließend bequem auf dem Sofa zurücklegt, der täuscht sich – zumindest, wenn Auftritte bevorstehen.

Denn dann ist Polieren angesagt: Vor einem Jahr landete er nämlich einen „absoluten Glücksgriff“, und durfte ein „Decorated Harness“ (siehe weiteren Bericht auf dieser Seite) erwerben.

Das Prunkgeschirr ist aus Messing. Und wie der 38-Jährige aus Erfahrung weiß, benötigt er bis zu zwölf Stunden, um es zu polieren. Eine schöne, allabendliche Wochenarbeit. Aber: Dafür kann er ein in Deutschland einzigartiges Prunkgeschirr sein Eigen nennen – das seit etwa 40 Jahren nicht mehr produziert wird.

Bestaunen kann man die vier „Shire Horses“ der Zichs – im Neckar-Odenwald-Kreis gibt es nur rund 20 Tiere dieser Rasse – bei Pferdemärkten und -messen, bei Trailritten und natürlich bei Zuchtschauen.

Traditionell eingeflochten

Dort ist beispielsweise der 1,90 Meter große und 1050 Kilogramm schwere „Whitewall Phantom“ kein Unbekannter. Dass er sein Geschirr stolz und mit Würde trägt, beweisen die Auszeichnungen. 2018 beispielsweise holte er sich den Titel „Championwallach Deutschland“.

Bei einer Zuchtshow werden die Tiere nach ihrem Exterieur sowie dem Benimm (Interieur), und ihrem Gang bewertet. Darüber hinaus spielt es eine Rolle, wie gut der Vorführer – bei „Tom“ ist dies Sebastian Zich – ist und ob die Pferde gut zurecht gemacht wurden.

Dabei bekommt das Ehepaar Unterstützung von Tochter Jasmin (22), die das Einflechten der „Shire Horses“ übernimmt. „Der Schweif wird hochgeflochten, um den Richtern einen besseren Blick auf die Hinterhand zu geben.“

Während die Frau von der Zeitung den Hof der Zichs wieder verlässt, winken die beiden noch schnell zum Abschied – und sind dann schon wieder verschwunden. Im Laufstall. Bei ihren Lieblingen.

Allerdings nicht, ohne den Fränkischen Nachrichten vorher noch einen Traum verraten zu haben: „Die eigene vierspännige Kutsche zu fahren – das wäre toll.“

„Decorated Harness“

Im Ursprungsland England wird sehr darauf geachtet, nicht nur alte Rassen zu erhalten und zu unterstützen, sondern auch die damit verbundenen Traditionen. Eine der ungewöhnlichsten ist wohl das „Decorated Harness“, das Prunkgeschirr.

In Deutschland findet man es ebenfalls im Kaltblutbereich, beispielsweise bei den Brauereien auf Festumzügen. Auch dort werden die Geschirre aufwendig dekoriert und mit vielen Details versehen, um das Gespann noch besser hervorzuheben.

Die Tradition kommt ursprünglich aus dem landwirtschaftlichen Bereich. Es war üblich, dass man ein Pferd hatte – und natürlich auch ein Arbeitsgeschirr dazu. Auf den zahlreichen Kaltblutschauen, die früher in jedem Ort stattfanden und auch heute noch beliebt sind, wurden die besten Pferde gekürt und mit einem Pokal und Preisgeldern versehen.

Nicht jeder konnte sich das beste Pferd leisten. Daher wurde diese Klasse ins Leben gerufen. Die Geschirre wurden geschmückt, und das Pferd darunter spielte eine untergeordnete Rolle in der Bewertung. So konnten auch einfache Bauern mit ihren Arbeitstieren an den Start – und hatten eine echte Chance.

Die runden Messingplatten nennt man Brasses. Sie sollten auch vor dem bösen Blick schützen. Heute gibt es diese Messingplatten in Sondereditionen zu kaufen, so zum Beispiel anlässlich eines Jubiläums der Queen.

Das „Decorated Harness“ ist in der Nachkriegszeit beinahe ausgestorben, erlebte aber in den 1950ern eine Renaissance.

Bei vielen Besuchen auf englischen „Shire Horse“-Events wurde bei Sebastian Zich das Interesse an dieser Art von Geschirr geweckt. „Es ist sehr eindrucksvoll, vor allem, wenn gleich mehrere Shire mit diesen prunkvollen Geschirren im Ring um einen Pokal kämpfen beziehungsweise glänzen“, so Zich, der sich dieser Faszination nicht entziehen konnte.

Im FN-Gespräch erklärte der 38-Jährige: „Es ist unheimlich schwierig, ein solches Geschirr zu kaufen, da diese meist von Generation zu Generation weitervererbt und auch nicht mehr hergestellt werden.“

2018 an Ostern war es dann soweit: Sebastian Zich setzte sich in sein Auto und fuhr in den englischen Süden, um sein eigenes „Decorated Harness“ abzuholen. „Dies ist nicht einfach nur ein Kauf, sondern ein Stück englische Geschichte und Tradition, und auch ein Versprechen, ein Versprechen diese Geschichte und Tradition nicht untergehen zu lassen, und es so vielen Menschen wie nur irgend möglich nahe zu bringen, dass zu diesen stolzen und prächtigen Tieren auch das Drumherum stimmen muss.“

Zichs „Decorated Harness“ ist aus dem südlichen Teil Englands – und aus dem Jahr 1940. „Jede Region hat eigene Einflüsse. Kenner können teilweise sogar die Herkunftsstadt bezeichnen. Jeder Besitzer fügt bei diesen Stücken seine eigene Note hinzu, und entwickelt es weiter“, so Zich, der hinzufügt, dass das Geschirr rund 100 Kilogramm wiegt. mem

Redaktion Redakteurin bei den FN

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten