„Zukunft Karriere Digital“ - Till und Felix Neumann von der World-Hip-Hop-Gruppe Zweierpasch werben in einer Video-Botschaft für die virtuelle Ausbildungsmesse

„Habt Mut, Euren eigenen Weg zu gehen“

Die lyrischen Grenzgänger Till und Felix Neumann setzen sich seit Jahren für Frieden, Austausch und Toleranz ein. In der Krise unterstützen sie die Ausbildungsmesse „Zukunft Karriere Digital“.

Von 
Elisa Katt
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Odenwald-Tauber. Toleranz, Weltoffenheit und Völkerverständigung: Dafür setzt sich die World-Hip-Hop-Band und Bildungsinitiative Zweierpasch um Felix und Till Neumann ein. In einer Videobotschaft werben die Zwillinge online für die virtuelle Ausbildungsmesse „Zukunft Karriere Digital“. Im FN-Interview berichten die Brüder aus dem Odenwald, wie sich die Pandemie auf ihre internationale und interkulturelle Arbeit ausgewirkt hat, wo sie die Chancen digitaler Formate wie der Ausbildungsmesse sehen und wie sie selbst ihren Weg ins Künstlerdasein fanden. „Holt Euch Infos ein, lasst Euch beraten und dann: Geht Euren eigenen Weg“, so der Rat der beiden Rap-Pädagogen.

Geografisch und sprachlich Grenzen zu überwinden – wie hat die Corona-Krise das erschwert?

Felix Neumann: Wir mussten viele Konzerte absagen. Schon ab März war es für uns eine sehr schwierige Phase, weil wir gerade unser Album veröffentlicht hatten und es auf der Tournee vorstellen wollten. Wir leben als Musiker zum großen Teil von Konzert-Gagen. Das betraf Auftritte in Deutschland, in Frankreich, in Belgien und der Schweiz. Unser Lebensraum wurde in zwei Hälften geschnitten. Wir wohnen beide sehr nah an der französischen Grenze und ich definiere meinen Lebensraum über die Grenze hinweg. Das war plötzlich nicht mehr möglich und für uns ein harter Einschnitt.

Einer von Euch lebt in Freiburg, der andere in Kehl. Musiker aus der ganzen Welt sind in Euren Singles zu hören. Was bedeutet die Pandemie für den kreativen Prozess von Zweierpasch?

Till Neumann: Es hatte sogar ein paar positive Seiten, zumindest in den ersten Wochen und Monaten. Plötzlich hatten wir Zeit für kreatives Arbeiten, das sonst zwischen den Terminen etwas auf der Strecke geblieben ist. Vieles können wir digital machen, zuhause aufnehmen und sogar ganze Songs produzieren. In der Regel arbeiten wir aber in der Band mit acht Leuten. Im Probenraum gemeinsam Stücke zu spielen, war nicht mehr möglich. Also sind wir etwas mehr auf elektronische Produktion umgestiegen und haben Corona-Sessions organisiert. Wir haben sozusagen die Not zur Tugend gemacht, die Frequenz der Veröffentlichungen ist sogar gestiegen. Das ist mal ein paar Wochen lang cool, aber dann reicht es auch. Das kreative Arbeiten lebt von der Begegnung.

Ihr habt früher schon die Initiative „Faktenchecker“ der FN unterstützt. Warum habt Ihr beschlossen, Euch auch für „Zukunft Karriere Digital“ einzusetzen?

Felix: Wir gehören ja selbst noch zur Generation junger Leute. Für mich ist der Übergang Ausbildung beziehungsweise Studium – Beruf noch sehr gut greifbar. Ich habe selbst ein paar Kurven gedreht, war kurz davor, mein erstes Studium abzubrechen, aber ich habe es durchgezogen und bin darüber heute sehr froh. Ich weiß, dass es nicht leicht ist, den richtigen Weg zu finden, und man sich selbst behaupten muss. Da ist es für uns naheliegend, so ein cooles Projekt wie „Zukunft Karriere Digital“ zu unterstützen. Wir arbeiten als Künstler in einem Berufsfeld, wo man sich ständig behaupten muss. Gerne motivieren wir andere, sich ebenso durchzuboxen und ihren Weg zu gehen. Der Glaube an einen selbst ist wichtig.

Till: Es ist schön, dass die Messe trotz allem steigen kann. Wir selbst haben mit dem neuen Lockdown jetzt den zweiten Nackenschlag erlitten, da kommt man irgendwann ins Zweifeln, wie es weitergehen soll. Aber es gibt dann doch immer wieder Wege und ein bisschen Hoffnung. Es ist stark, dass es in Zeiten, wo es auch wirtschaftlich etwas düster aussieht, eine Messe für junge Menschen gibt. Sie bietet Kontaktmöglichkeiten, zeigt aber auch, dass es Firmen gibt, die Azubis suchen. Dass Jugendliche Chancen haben, sich eine Karriere aufzubauen.

In Eurer Video-Botschaft zu „Zukunft Karriere Digital“ klingt der Song „Fake“ an. Darin übt Ihr Kritik an der digitalen Mediengesellschaft. Steht das nicht im Widerspruch zu Eurem Engagement für eine komplett digitale Messe?

Till: Wir sind selbst sehr digital unterwegs und nutzen so ziemlich alle Kanäle. Aber die digitale Welt bringt auch einen Haufen Gefahren mit sich. Viel wird ohne es zu hinterfragen geteilt oder geliked. Wir raten keinem davon ab, auf digitale Kanäle zu setzen. Man sollte sich nur bewusst sein, was man bedient. Dann gibt es viele Vorteile und Chancen.

Ihr leitet selbst internationale Bildungsprojekte. Musstet Ihr die wegen Corona stoppen?

Felix: Wir stoppen gar nichts. Solange uns niemand die Arbeit verbietet, finden wir Wege, es zu machen. Stoppen kann man meinen Bruder ohnehin nur schwer.

Till: Das Gipfeltreffen unseres Kreativwettbewerbs „Ecole du Flow“ in Freiburg mussten wir leider absagen. Auch das musste online laufen. Der Vorteil war aber, dass die Teilnahme der Schüler aus weiter entfernten Städten einfacher oder überhaupt erst möglich wurde. Wer es sonst vielleicht verpasst hätte, konnte sich jetzt digital zuschalten.

Wo seht Ihr die Chancen eines Formats wie der virtuellen Ausbildungsmesse?

Felix: Es ist sicher nicht einfach, Leute zu einer digitalen Messe zu bekommen. Das haben wir selbst gemerkt, als wie verschiedene Online-Formate ausprobiert haben. Das Digitale wird aber immer präsenter im Leben von jungen Menschen. Es ist natürlich etwas anderes, ob ich auf Instagram poste, auf TikTok Zweierpasch-Songs nachrappe, oder auf eine Messe gehe. Wenn man sich darauf einlässt, ist es, glaube ich, eine tolle Plattform. Man hat die Informationen mit einem Klick zuhause.

Till: Es schult auch Digitale Fähigkeiten, die Du mittlerweile in fast jedem Job brauchst. Wenn man das bei einer solchen Messe nutzen und ausprobieren kann, ist das cool. Es ist eine neue Form der Arbeitswelt. Vieles wird sich in den nächsten Jahren ins Digitale verlagern, auch vieles, das wir uns noch gar nicht vorstellen können. Von daher ist es nah am zukünftigen Arbeitsalltag.

Wenn es um die Berufswahl geht bekommen Schüler von ihren Eltern gern mal zu hören: Aber mach was Vernünftiges. Was hat Eure Familie zu Eurem Entschluss gesagt, Musiker zu werden?

Till: Wir hören das immer noch. Wir kommen aus einer Lehrerfamilie, das sind etwas andere Gefilde als das wackelige Künstlerdasein. In den Künstlerberuf sind wir Schritt für Schritt eingestiegen. Wir haben beide studiert, ich habe eine Zeit lang in Vollzeit gearbeitet. Mit der Zeit wurde es dann im künstlerischen Bereich immer mehr. Mittlerweile sehen wir unsere Musik als Hauptberuf – oder eher als Berufung. Wir können einfach nicht ohne und tun das, was uns glücklich macht.

Felix: Wir haben uns krisenfest aufgestellt, haben beide noch einen zweiten Job neben der Musik. Die letzten Jahre waren wir mehrmals kurz davor diese aufzugeben. Aktuell zahlt es sich aus.

Was würdet Ihr Jugendlichen raten, die jetzt ins Berufsleben starten wollen?

Till: Wir raten jedem, der an der Messe teilnimmt, nicht primär zu schauen, wo es das dickste Gehalt gibt, sondern vor allem darauf, was einem liegt und woran man Spaß hat. So kann man, denke ich, später auch am weitesten kommen. Man verwendet sehr viel Lebenszeit auf seinen Beruf. Wenn der keinen Spaß macht, kann es ziemlich schnell eine Tortur werden.

Felix: Wir werden mit so vielen gesellschaftlichen Ansprüchen konfrontiert. Lasst Euch nicht beirren, vom dem, was da von außen auf Euch einprasselt, sondern hört auf Eure innere Stimme. Holt Euch Infos ein, lasst Euch beraten und dann: habt Mut, Euren eigenen Weg zu gehen – und zieht den durch.

Zweierpasch – mit Hip-Hop Grenzen überwinden

  • Lyrische Grenzgänger: Das sind Till und Felix Neumann. Mit ihrer Formation Zweierpasch machen sie nicht nur zweisprachigen World Hip-Hop, sondern leiten internationale Bildungsprojekte und setzen sich seit Jahren für den Frieden ein.
  • Angefangen hat alles in Sennfeld, einem Stadtteil von Adelsheim, wo die Zwillinge aufwuchsen. Mit anderen Rappern und DJs gründeten sie zunächst die Hip-Hop-Formation Buddah Woofaz, bevor 2012 Zweierpasch als zweisprachige, deutsch-französische Musikgruppe aus der Taufe gehoben wurde. Ihre Wahlheimat haben die Brüder heute in Kehl und Freiburg nahe der Grenze.
  • Mit ihrer Musik und verschiedenen Projekten wie dem internationalen Kreativwettbewerb „Ecole du Flow“ setzt sich Zweierpasch für Toleranz, Weltoffenheit und Völkerverständigung ein. Ihre Texte sind voll von politischen Botschaften und weisen auf Missstände in der Gesellschaft hin. Die Gruppe tourte durch Krisengebiete wie die Ukraine nach der Maidan-Revolution oder das terrorgeplagte Westafrika, sie spielte beim bundesweiten Anti-Waffen-Staffellauf „Frieden Geht“ und gehen 2021 mit Master Soumy aus Mali auf Freedom-Tournee durch Europa.
  • 2017 waren Zweierpasch Freiburgs Band des Jahres“, 2018 wurden sie für ihr Engagement in der deutsch-französischen Zusammenarbeit mit dem Adenauer-de-Gaulle-Preis ausgezeichnet. Till und Felix Neumann sind Initiatoren der „Fill The Bottle Chalange“: Mit Helfern sammelten sie 55 000 Zigarettenstummel in Freiburg und Kehl und setzten so ein Zeichen gegen Umweltverschmutzung. Während der Corona-Pandemie machte sich die Gruppe für die Öffnung der deutsch-französischen Grenze stark.
  • Im November 2019 erschien ihr viertes Studioalbum „Un peu d’Amour“ (ein wenig Liebe), 2020 dann die Singles „Fake“, „Farbenrausch“ und „Grenzsprenger“. Vor rund einer Woche veröffentlichte Zweierpasch das Video „Panzer Politik Poesie“ – ein düsterer Appell für Frieden und Abrüstung. „Das Thema Waffenexporte leidet unter mangelnder Aufmerksamkeit. Ich glaube, es musste düster angepackt werden, es braucht da Aufrüttelung in der Gesellschaft. Deshalb ein Video mit Schockfaktor“, sagt Felix Neumann. eli

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