Nachruf - Oberst a. D. Heinz Kluss starb im Alter von 84 Jahren / Über Jahre als Vorsitzender die Geschicke der Kreis-SPD geprägt / Hohe militärische Verwendungen

Ein sehr bewegtes Leben ging zu Ende

Von 
thos
Lesedauer: 
Starb überraschend im Alter von 84 Jahren: Oberst a. D. Heinz Kluss. © Kluss

Main-Tauber-Kreis. Heinz Kluss, Oberst im Generalstab a. D. und Erster Inspekteur der Konferenz über Vertrauensbildung und Abrüstung in Europa (KVAE) in der Sowjetunion und im Warschauer Pakt, Direktor der Nordatlantischen Versammlung der NATO sowie ehemaliger SPD-Kandidat für den Bundestag sowie das Europaparlament im Main-Tauber-Kreis ist tot. Er starb im Alter von 84 Jahren völlig überraschend.

Von 1972 bis 1976 war Heinz Kluss Kommandeur des Tieffliegermelde- und -leitdienstes in der Tauberfranken-Kaserne in Lauda. Obwohl er 1977 nach Köln versetzt wurde, wohnte er noch einige Jahre weiterhin in Lauda und fungierte hier nicht nur als SPD-Kreisvorsitzender, sondern 1979 auch als Kandidat für die erste Europawahl sowie für den Bundestag..

Für viele aktive Sozialdemokraten und Gewerkschafter war dieser unbeugsame und gradlinige Genosse ein Grund, zur SPD zu kommen und lange dort eine politische Heimat zu finden. Kein Wunder deshalb, dass er auf zahlreichen Parteitagen landes- und bundesweit ein gerngesehener Delegierter war. Seine Meinung war gefragt, auch, wenn er damit öfters bei seinen Parteikollegen aneckte. Seine große menschliche Strahlkraft und Weitsicht zeichneten ihn auch als Kommandeur und Vorgesetzten aus, der der „Inneren Führung“ Gestalt verlieh. Über Jahrzehnte hielten viele seiner ehemaligen Weggefährten und Genossen aus dem Main-Tauber-Kreis und selbst einfache Soldaten freundlichen Kontakt.

Er schaffte es sogar, Freunde bei den ehemaligen Gegnern zu finden und ebnete so zum Beispiel Polen mit den Weg in die Nato.

1957 war der Arbeitersohn aus Oberschlesien in die Luftwaffe eingetreten und auf dem „zweiten Bildungsweg“ kam er schließlich in die Offizierslaufbahn. Seine fliegerische Ausbildung absolvierte er in Kanada. Danach nahm er verschiedene Funktionen in der Luftverteidigung wahr und wurde dabei auch im Nato-Kommando in Brüssel eingesetzt. Verwendungen im Verteidigungsministerium und beim Militärischen Abschirmdienst (MAD) finden sich ebenfalls in seiner Vita. 1981 erfolgte die Ernennung zum Oberst im Generalstab, 1993 ging er nach 37 Dienstjahren in Pension. Drei Jahre arbeitete Heinz Kluss anschließend als freier Publizist für Schweizer Magazine, bis er 1996 das Angebot annahm, als Direktor in das Sekretariat des Nordatlantischen Bündnisses in Brüssel zu wechseln. Dort beriet er die Nato-Parlamentarier und organisierte deren Treffen, von San Francisco bis Moskau, von Riga bis Rom, von Madrid bis Athen. Darüber hinaus war er Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und gehörte der Arbeitsgemeinschaft Militär- und Sozialwissenschaften an.

Als aktiver Soldat geriet Heinz Kluss 1984 beruflich in schwere Turbulenzen. Er war, so formulierte es Heinz Kluss einmal selbst, als der „Schuldige in der Kießling-Affäre ausgeguckt“ und ins Nato-Hauptquartier nach Brüssel „verbannt“ worden. Um seine Rehabilitierung habe er drei Jahre kämpfen müssen, so Heinz Kluss 1997 in einem Gespräch mit unserer Zeitung.

1989 sei er endgültig aus der Luftwaffe verstoßen worden, „weil ich leichtsinnig behauptet hatte, der Warschauer Pakt werde bald zusammenbrechen und man solle nicht so viel Geld für neue Luftverteidigungsbunker ausgeben.“ Heinz Kluss gehörte auch zu den ersten Soldaten, die in die Gewerkschaft eintraten und er baute innerhalb der Bundeswehr die größte ÖTV-Gruppe auf.

1991 leitete Heinz Kluss die erste Vor-Ort-Kontrolle in einer Kaserne in der Sowjetunion. Er war damals einer der ersten deutschen Soldaten, die gemeinsam mit sowjetischen Soldaten im Kampfanzug der Bundeswehr friedlich über den Roten Platz in Moskau gingen. Es folgten weitere Inspektionen in Russland, Weißrussland, der Ukraine, Ungarn und Georgien. Seine letzte Aufgabe als Oberst i.G. hatte ihn nach Tallin geführt, wo er dem estnischen Verteidigungsminister als Berater diente.

Verheiratet war er mit seiner Frau Gisela. Aus der Ehe gingen die zwei Söhne Oliver und Kai hervor. Kai führt heute in Bad Mergentheim eine Anwaltskanzlei. Heinz Kluss, der zuletzt in Wachtberg bei Bonn lebte, wird nun ins Taubertal zu seiner letzten Ruhestätte zurückkehren und am Mittwoch, 30. Januar, um 14.30 Uhr auf dem Alten Friedhof in der Kurstadt beigesetzt. thos

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten