Main-Tauber-Kreis. Besonders renommierter Gastredner bei der Fachtagung „Neue Wege durch das Land? - Gegenwart und Zukunft des Schienenverkehrs im ländlichen Raum“ in Lauda war MdB Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag, der über politische Strategien zur Stärkung der Bahn im ländlichen Raum referierte.
Gegenwärtig stehe die Bahn gerade in ländlichen Räumen vor vielen Herausforderungen. Für viele Menschen auf dem Land sei angesichts des schlechten Öffentlichen Nahverkehrs- (ÖPNV-) Angebots das Auto das Verkehrsmittel erster Wahl. Gleichzeitig stellten der demographische Wandel und sinkende Bevölkerungszahlen mancherorts die Rentabilität des Streckenbetriebs in Frage.
Mobilität der Gesellschaft sichern, Klima schützen, Luftqualität verbessern, Lärm verringern, Flächenverbrauch reduzieren und Rohstoffe schonen, nannte er als grundsätzliche Herausforderungen. Eine „Grüne“ Bahnpolitik fordere gezielte Investitionen in Knoten und Brücken, ein Investitionsprogramm für Bahnhöfe, die Verdreifachung der Mittel des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) und einen „Deutschlandtakt“.
Die Pünktlichkeit bei der DB Regio in Baden-Württemberg habe im Januar 2018 bei 92 Prozent gelegen. Zu den Problemstrecken zähle auch die Frankenbahn. Die Beseitigung von Engpässen wie etwa die auf 3,7 Kilometer eingleisige Strecke bei Möckmühl sei unter anderem eine mögliche Maßnahme. Als weiteres „Grünes“ Ziel äußerte Gastel eine Kombination verschiedener Verkehrsmittel, die geeignete Verkehrsmittel je nach Ziel und Zweck vorsehe. Allerdings seien 137 Tarifverbünde und unterschiedliche Bezahlsysteme eine Hürde. Ein Lösungsansatz könnte zum Beispiel eine App für Bus, Bahn, Carsharing, Leihfahrrad und Taxi sein.
Der „3er-Ringzug“ im Schwarzwald-Baar-Kreis gelte als ein Musterbeispiel dafür, dass auch im ländlichen Raum ein attraktiver Nahverkehr möglich und notwendig sei. Dieser überwältigende Erfolg sei vor allen Dingen durch die Reaktivierung des Zugverkehrs auf stillgelegten Bahnstrecken und die Nutzung von Bussen als Zubringer möglich geworden.
Als Beispiel für vorbildliche Tourismuskonzepte erläuterte der Referent die „Kostenlose Nutzungs- (Konus-)Karte des ÖPNV im Schwarzwald. Dort könnten Übernachtungsgäste kostenlos den Öffentlichen Nahverkehr nutzen und vergünstigt mit der Bahn in ihren Urlaub reisen.
„Alle Zahlen und Fakten sprechen für eine Zukunft des ÖPNV und Bahnverkehrs im ländlichen Raum. Wenn man eine gute Idee hat, an die man glaubt und an der man dran bleibt, ist sie auch von Erfolg gekrönt, zeigte sich Gastel überzeugt“.
„Der Schienenverkehr in der Main-Tauber-Region heute: Probleme und Zukunftsperspektiven“ war Thema eines Vortrags von Dr. Matthias Beß, Fahrgastverband Pro Bahn - Regionalgruppe Main-Tauber, aus Wertheim zum Abschluss der Fachtagung. Dass die Streckenführung der Taubertalbahn seit 150 Jahren unverändert geblieben sei, belege die langfristige Wirkung von Infrastrukturentscheidungen im Bahnverkehr.
Änderungen und Modernisierungen auf der Strecke zwischen Aschaffenburg und Crailsheim in den letzten zehn Jahren seien beispielsweise neue barrierefreie Bahnsteige an vielen Stationen und eine neue Sicherungstechnik nördlich von Lauda gewesen.
Die Erschwerung von Synergieeffekten durch eine geringe Dichte an Bahn- und Buslinien sowie lange Fahrtabstände und infrastrukturbedingte Fahrplanmängel nebst mangelnden Anschlüssen an Umsteigepunkten seien spezifische Probleme in der Region. Als Beispiele für spezifische, unnötige und „hausgemachte“ Infrastrukturmängel in der Region bezeichnete Beß neue Kreuzungsbahnhöfe am falschen Ort wie (Gamburg und Stadtprozelten) sowie umständliche Wegeführung für Fahrgäste an neugebauten Bahnhöfen (Wertheim, Tauberbischofsheim), teils ohne legale Möglichkeit, den Anschluss zu erreichen.
ÖPNV auf dem Land habe unter bestimmten Voraussetzungen gute Zukunftsperspektiven. Dazu zählten insbesondere eine offensive Angebotspolitik ausgerichtet am Kundennutzen, die Anpassung der Busverkehre an die Bahn, eine auf den ÖPNV zentrierte Verkehrspolitik, die Steigerung des Qualitätsbewusstseins im ÖPNV sowie ein stimmiges Image des ÖPNV.
Ein weiteres Ziel sei der „Main-Tauber-Odenwald-Takt“ mit Fahrzeitverkürzungen im regionalen Bahnverkehr. Durch diese könne ein integraler Taktfahrplan im gesamten Raum Aschaffenburg - Lauda - Osterburken - Seckach - Miltenberg im Stundentakt realisiert werden. Mögliche Maßnahmen seien die Elektrifizierung, eine Auflassung oder Sicherung von Bahnübergängen und längere Begegnungsabschnitte.
„Wenn man etwas erreichen will, muss man an den Verantwortlichen und Politikern kontinuierlich dranbleiben, dann wird es auch erfolgreich sein“, appellierte Beß aus seinen Erfahrungen bei Pro-Bahn-Initiativen. pdw
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