Einst war die Stadtmauer ein wichtiger Schutz für die Külsheimer. Heute sind von der Befestigungsanlage nur noch Reste erhalten, die schrittweise saniert wurden. Ein Grund für einen Rückblick.
Külsheim. Diese Überbleibsel der ehemaligen Külsheimer Stadtmauer wurden ab Anfang der 1980er Jahre im Rahmen der Stadtsanierung im Sinne einer denkmalschützenden Erhaltung nach und nach renoviert. Jüngst wurden die Arbeiten an einem etwa 18 Metern langen Stück bei den Kastanienbäumen an der Haagstraße abgeschlossen (wir berichteten).
18 Türme
In der Külsheimer Stadtrechtsurkunde aus dem Jahr 1292 heißt es: „Wir ermächtigen (. . .) Erzbischof Gerhard, seinen Wochenmarkt zu bestimmen im vorerwähnten Ort, den wir gütig befreit haben, und Mauern und Befestigungen aufzuführen, wie er es für nützlich hält.“ Im ehemaligen Bürgermeisterzimmer und jetzigen Trauzimmer im Alten Rathaus steht ergänzend dieser Schriftzug: „Die Stadt erhält Befestigungen (18 Türme) . . .“
Der Erhalt des alten Gemäuers war bereits 1946 in einem Schreiben des Bürgermeisteramts Külsheim Thema: „Die alte Stadtmauer von Külsheim besteht zum Teil noch, Reste sind stellenweise instandsetzungsbedürftig. Wir bitten um Mitteilung darüber, ob die restliche Stadtmauer hier unter Denkmalschutz steht oder Teile dieser, soweit solche zum Einsturz drohen, ganz abgebrochen werden können.“
Das Badische Bezirksbauamt Heidelberg antwortete umgehend: „Die Abschnitte der alten Stadtbefestigung und der Stadtmauer können und müssen erhalten werden. An einzelnen Stellen insbesondere, wo die Angrenzer sehr behindert werden, können ausnahmsweise hinderliche Mauerteile beseitigt, eventuell der Graben aufgefüllt oder überbaut werden.“
Bücher eingestampft
Külsheimer Archivalien auch zum Thema Stadtmauer sind eher selten. Dann laut Külsheimer „Spiesberger-Chronik“ wurden nahezu zehn Zentner Bücher „im Jahr 1878 zum sofortigen Einstampfen in die Papiermühle nach Homburg am Main verkauft“. In dem Werk „Aktenmäßige Geschichte der Räuberbanden an den beiden Ufern des Mains, im Spessart und im Odenwalde“ von 1811 findet sich die Beschreibung eines versuchten Einbruchs in das Städtchen mitsamt einer kurzen Darstellung der damaligen Verhältnisse:
„Külsheim ist ein mit Mauern umgebenes Städtchen. Durch die Thore, welche nachts verschlossen sind, konnten die Diebe nicht eingehen, sie wählten daher einen anderen Weg. Durch das Städtchen fließt ein Bach, welcher seinen Ein- und Ausfluss durch die Stadtmauer hat. Diese Ein- und Ausflüsse sind mit festen Gattern verwahrt.“ Man hatte per Handsäge „eine Lücke in das Gatter gearbeitet, durch welche die Diebe einschlüpften“. Die Stadtmauer als solche erfüllte seinerzeit noch ihren Zweck.
Der Weltgeistliche Franz Joseph Schmitt aus Külsheim, formulierte 1823 in einem über 40-seitigen Memorial für das Bezirksamt Tauberbischofsheim „Verbesserungsvorschläge“ für den Ort. Schmitt analysierte die herrschenden Zustände und entwickelte Gedanken für die Zukunft. So schrieb er vom „baufälligen Turm am Hardheimer Tore“, wo „von Zeit zu Zeit der Wind von der Höhe herab die unten Vorbeigehenden mit Steinen begrüßte“.
Gefahr für Reinlichkeit
Der Autor sah die Stadtmauer als „Gefahr für Reinlichkeit, Bequemlichkeit, Gesundheit“. Bei einer Erweiterung der Stadt diene sie „nur als Hindernis des Verkehrs“. Zudem seien die Unterhaltungskosten beträchtlich. Er forderte, die Steine der aus seiner Sicht nutzlosen Ringmauer zum Bau neuer Häuser zu verwenden, und meinte, dass die die Stadt umgebenden Gräben aufrund ihrer beidseitigen Felsenwände sich für „treffliche Keller“ eignen würden, „woran es in Külsheim ohnedies sehr mangelt“. Die damaligen Stadtoberen waren von solchen Gedanken jedoch nicht angetan.
Befehl von Kurfürst Theoderich
Den wohl besten Einblick in die Stadtmauer-Geschichte bietet die „Chronik der Stadt Külsheim in zwei Bänden“ des Chirurgen Alois Spiesberger, die in weiten Teilen 1895 vollendet wurde. Das Kapitel „Külsheim wird besser befestigt 1440“ beginnt in diesem Jahr mit dem Befehl von Kurfürst Theoderich, Erzbischof von Mainz, „dass alle Städte und größere Flecken im Mainzer Erzstift besser befestigt werden sollen“.
Die Külsheimer fingen an, ihre Stadtmauern auszudehnen, zu erhöhen und zu verstärken sowie die Gräben außerhalb der Mauer zu vertiefen. Spiesberger schreibt: „Die eingefügten Zwischentürme, die bisher nur Halbtürme waren, wurden voll ausgebaut.“ Das Projekt dauerte viele Jahre und oft fehlte es an Geld. Die Arbeiten wurden erst „mit dem Schlusse des 15. Jahrhunderts“ beendet.
Ein großer Teil von „Külsheim“ stehe auf Felsboden, so Spiesberger, weswegen das Anlegen der Wallgräben mit großen Schwierigkeiten verbunden war. „Die Mauer wurde durchschnittlich 32 Fuß (ein Fuß = 30 Zentimeter), sind 9½ Meter, und bis 1½ bis 2 Meter dick ausgeführt, die Gräben dagegen bis auf 25 Fuß = 7½ Meter vertieft.“ In der Länge maß die Stadtmauer „335 Ruthen“, wobei im Großherzogtum Baden die Ruthe drei Metern entsprach.
In der „Spiesberger-Chronik“ wurden auch die erwähnten „18 Türme“ beschrieben: „In diese Ringmauer waren 14 Verteidigungstürme eingefügt, worunter drei Stadt-Tortürme inbegriffen sind. Diese waren der „Obere Torturm“, der „Untere Torturm“ und der „Gänsertorturm“. Die drei Stadttore waren mit je zwei starken Doppeltoren versehen, welche zur Kriegszeit stets, und außerdem jede Nacht, bis zum Jahr 1824, verschlossen waren.“ Am „unteren Torturm“ war zudem „eine größere Zugbrücke, welche bei Notfällen aufgezogen werden konnte, angebracht“.
Verteidigung
Spiesberger schreibt weiter, „in die Stadtmauer waren vom ,oberen Tor’ bis zum ,Gänsertor’ drei Verteidigungstürme eingefügt.“ Zwischen jenem und dem „unteren Tor“ befand sich nur ein Turm, zwischen diesem „unteren Torturm“ und dem „Oberen Tor“ in der Ringmauer jedoch gleich sieben Türme. Die letzten dieser Türme standen bereits nahe am Schloss. Der erste dieser Türme stand 60 Schritte von dem „unteren Tor“ abwärts entfernt und hieß „der Hexenturm“. Es war ein einfach viereckiger Verteidigungsturm. Kurfürst Johann Schweikart von Kronberg (1553 bis 1626) verordnete 1614, dass das Vermögen der im Hexenprozess Gerichteten der Stadt zufallen solle und zu Befestigungsarbeiten verwendet werden müsse.
Das Schloss, so die Chronik, sei auch mit Gräben, Mauern und Türmen umgeben gewesen, von welch Letzteren „der schönste und größte dem größeren Teile nach noch erhalten ist“. Das ist er immer noch und wird heutzutage „Schlossturm“ genannt.
Ortsgefängnis
1890 war von all den anderen Türmen „bloß der obere Torturm noch gut erhalten, wird wenn nötig als Ortsgefängnis benützt“. Er musste weichen, auch weil die vier Meter breite Durchfahrt für die Kreisstraße als zu schmal befunden worden war.
Natürlich hatten sich der Bürgermeister und Gemeinderat auch schon im 19. Jahrhundert mehrfach mit der Stadtmauer beschäftigt. So griff Bürgermeister Dr. Väth 1832 die Gedanken Schmitts auf und ließ das „Gänsertor“ einlegen. 1857 beschloss man für den Bereich um die jetzige Kreuzung Hauptstraße/Alte Gasse/Pater-Grimm-Straße“, „die Stadtmauer, da wo nicht Häuser angebaut sind“ wegzureißen. Zudem solle der „Graben zwischen Stadt und Apotheke nach Anlegung einer gedeckten steinernen Dohle aufgefüllt und zu Bauplätzen verwendet werden“.
Beschlüsse gefasst
In den Protokollbüchern des Gemeinderats sind „hinsichtlich der von der Feuerschaukommission (des Bezirksamts Wertheim) beantragten Entfernung der Stadtmauer“ vom 29. Dezember 1863 folgende Beschlüsse vermerkt: Die Stadtmauer soll nicht auf Kosten der Gemeinde eingelegt werden. Wer steinernes Baumaterial braucht, kann dieses von der Stadtmauer beziehen, „und zwar so, dass immerhin eine Höhe von fünf bis sechs Fuß verbleibt, und zwar dieses als Schutz gegen das Auslaufen von Schweinen usw.“ Bürger, die außerhalb der Stadtmauer neue Bauten errichten möchten, dürfen die Stadtmauer einlegen.
Das Wertheimer Bezirksamt teilte mit: „Durch diesen Beschluss ist das teilweise Einreißen der Stadtmauer allzusehr in die Willkür der Privaten gegeben, jedem Missbrauch wäre freies Spiel gelassen und würden schließlich die Reste der Stadtmauer einen hässlichen und widerlichen Anblick gewähren.“ Man empfahl, dass der Abbruch jeweils nur mit besonderer Genehmigung des Gemeinderats und auf dessen Anweisung hin geschehen dürfe. Dies wurde denn auch so umgesetzt.
Der Vergleich von Kartenmaterial aus dem Jahr 1926 mit dem heutigen Zustand der Stadtmauer zeigt, dass der damalige Bestand die folgenden knapp 100 Jahre doch einigermaßen unbeschadet überstanden hat.
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