Braunsbach/Hardheim. Trotz des von der Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) Hardheim dokumentierten Artenreichtums im Bereich des Kornbergs hält die EnBW-Tochter Zeag Erneuerbare Energien unbeirrt an ihren Plänen fest, dort Windkraftanlagen zu bauen. „Wir handeln nicht gegen die Natur. Wir akzeptieren den Artenschutz“, bekräftigten Harald Endreß, Geschäftsführer Erneuerbare Energien der Zeag, und Claus Flore, Leiter Geschäftsfeldentwicklung und Kommunikation, im Oktober als Reaktion auf die harsche Kritik der Fachbehörden an den Umwelt- und Naturschutzgutachten.
Weil die Zeag-Verantwortlichen jenen Artenschutz beim Bau eines Windparks bei Braunsbach (Landkreis Schwäbisch Hall) nicht ausreichend berücksichtigt haben, untersagte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg den Betrieb einer Anfang vergangenen Jahres fertiggestellten Anlage. Im Frühjahr 2017 waren der Landesnaturschutzverband (LNV) und der Naturschutzbund (NABU) mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht Stuttgart gezogen und hatten am 15. März einen vorläufigen Stopp des 150 Meter hohen Windrads „Orlach 6“ erwirkt. Die Mannheimer Richter bestätigten nun in zweiter Instanz in allen Punkten den Beschluss ihrer Stuttgarter Kollegen. Auch sie gelangten zu der Einschätzung, dass für die in einem Umkreis von 600 Metern um das Windrad brütenden Rot- und Schwarzmilane, Baumfalken und Wespenbussarde ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ durch die Rotorblätter nicht ausgeschlossen werden kann.
Der NABU Schwäbisch Hall hatte bereits in der Planungsphase Zweifel an der Genehmigungsfähigkeit der Braunsbacher Anlage geäußert. „Obwohl im Baugebiet mehrere Greifvögel regelmäßig brüten, hat der Gutachter keine dieser für die Windkraftplanung relevanten Arten festgestellt“, beklagt NABU-Landesvorsitzender Johannes Enssle. Wie auf dem Kornberg waren es auch in Braunsbach ehrenamtliche Naturschützer, die die windkraftempfindlichen Greifvogelarten nachgewiesen und dem Landratsamt als Genehmigungsbehörde mitgeteilt hatten.
Gravierende Folgen
„Diese Diskrepanz zeigt, dass der Gutachter entweder fachlich nicht kompetent war oder die Daten wegen der Interessenlage verschwiegen hat“, kritisiert Enssle die Arbeit des von der Zeag beauftragten Büros für Ökologie und Stadtentwicklung Beck (Darmstadt). Das Haller Landratsamt setzte sich trotzdem über sämtliche Bedenken hinweg und erteilte die Baugenehmigung. Mit gravierenden Folgen für die seltenen Vögel: Während der Bauphase ging deren gesamte Brut verloren.
Eine ähnliche Entwicklung befürchten die Verantwortlichen der BGN auf dem Kornberg, wo ebenfalls Brutreviere von Rot- und Schwarzmilan, Wespenbussard und Wanderfalke dokumentiert sind. Sie werfen dem Büro Beck, das auch am Kornberg tätig war, seit geraumer Zeit vor, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen.
In ihrem seit drei Jahren dauernden Kampf gegen den Windpark zwischen Bretzingen und Höpfingen konnte die BGN im Oktober einen wichtigen Etappensieg verbuchen. „Insgesamt machen die Artenschutz-Gutachten einen wenig strukturierten und keinen klar nachvollziehbaren Eindruck. Formale Fehler sind augenscheinlich“, schrieb das Regierungspräsidium Karlsruhe damals dem Büro Beck ins Stammbuch.
Die Zeag lässt sich von solchen Rückschlägen bisher nicht beeindrucken. Auf dem Kornberg will das Unternehmen an seinen Plänen festhalten. Für „Orlach 6“ strebt Geschäftsführer Harald Endreß weiterhin die Genehmigung an. Seine Hoffnung beruht auf der vom VGH eingeräumten Möglichkeit, die fehlende Umweltverträglichkeitsprüfung nachzuholen und auf diesem Weg die Bedenken wegen der Greifvögel ausräumen zu können. Die Mannheimer Richter ließen jedoch in ihrem Beschluss auch durchblicken, dass die Naturschützer am Ende im Hauptsacheverfahren erfolgreich sein werden.
Risiko des Betreibers
„Ich bin sehr froh über die Entscheidung des VGH. Sie bestätigt, dass unser Einspruch gegen die Windanlage notwendig und richtig war“, erklärt der LNV-Vorsitzende Dr. Gerhard Bronner. Er und sein NABU-Kollege Enssle bringen nun sogar den Abriss von „Orlach 6“ ins Spiel: „Der Betreiber baute die Anlage auf eigenes Risiko und trägt somit auch die Verantwortung dafür, wenn sie jetzt still steht und möglicherweise zurückgebaut werden muss.“ Dabei berufen sich die beiden Vorsitzenden auf die Vorgaben des Baugesetzbuchs (Paragraf 35, Absatz 5, Satz 2), wonach dauerhaft stillgelegte Windkraftanlagen abgerissen und Versiegelungen des Bodens beseitigt werden müssen. Sollte es tatsächlich so weit kommen, müsste zum ersten Mal ein Windrad wegen eines fehlerhaften Genehmigungsverfahrens abgerissen werden – ohne jemals Strom geliefert zu haben.
Dem VGH-Urteil schreiben die Naturschutzverbände deshalb eine wegweisende Bedeutung zu: „Die Mannheimer Entscheidung sendet ein wichtiges Signal an Verwaltungen und Unternehmen im ganzen Land: Die Umwelt- und Naturschutzgesetze müssen beachtet werden.“ Wer sich nicht daran halte, erleide spätestens vor Gericht Schiffbruch.
Welche Auswirkungen die Entscheidung der Verwaltungsrichter auf das Genehmigungsverfahren für den geplanten Windpark „Kornberg“ haben wird, bleibt abzuwarten. Die von der Unteren Naturschutzbehörde aufgelisteten Mängel in den Umwelt- und Naturschutzgutachten mündeten bereits im Oktober in der Empfehlung an den Gemeindeverwaltungsverband, ein Festhalten an der Änderung des Flächennutzungsplans prinzipiell zu überdenken. Vor dem Hintergrund des VGH-Urteils dürfte die UNB diesen restriktiven Kurs kaum verlassen.
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