Hardheim/Höpfingen. Ob die Zeag AG auf dem Kornberg bis zu sechs Windkraftanlagen bauen darf, hängt auch von der Frage ab, ob dadurch der Lebensraum schützenswerter Tierarten nachhaltig beeinträchtigt oder gar zerstört würde. Aufschluss darüber sollten die von dem Energieunternehmen in Auftrag gegebenen Untersuchungen des Büros für Ökologie und Stadtentwicklung Beck geben. Seit das Artenschutzgutachten vorliegt, reißt jedoch die Kritik an den Untersuchungsmethoden und den dadurch gewonnenen Daten nicht ab.
Nicht nur die Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) äußerte von Beginn an Zweifel an den Ergebnissen des Büros Beck und gab zwischenzeitlich ein eigenes Gutachten in Auftrag. Zuletzt hatten auch der Naturschutzbund (Nabu) Rhein-Neckar-Odenwald und der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Bedenken hinsichtlich der gutachterlichen Vorgehensweise geäußert.
Als "unvollständig und unzureichend" bezeichnen die Naturschutzverbände die Untersuchungen zu den Fledermausvorkommen im Planungsgebiet. "Die Untersuchungen entsprechen in keinster Weise den Vorgaben der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW)", heißt es im Entwurf einer gemeinsamen Stellungnahme zur Offenlegung der beabsichtigten Änderung des Flächennutzungsplans für den Bereich "Kornberg" im Rahmen eines Zielabweichungsverfahrens. Trotz des Vorkommens einer Vielzahl von Fledermaus-Arten, die Baumhöhlen bewohnen, seien keine Netzfänge durchgeführt worden, um die Tiere mit Sendern auszustatten und deren Wochenstuben-Quartiere zu ermitteln. Das Fledermaus-Gutachten suggeriere außerdem, dass der Bestand der Mopsfledermaus größer sei, als bislang bekannt und somit Verluste hinnehmbar wären.
Planungsbüro reagiert auf Kritik
Diese Kritik will wiederum das Büro Beck nicht auf sich sitzen lassen: "Methoden wie Netzfänge und Besenderung der Tiere haben methodische Schwächen, die insbesondere darin liegen, dass nur zufällige, einzelne Quartiere gefunden werden." Schließlich würden die Tiere aufgrund ihrer Bewegungsmuster jede Nacht an anderer Stelle übertragen. "Einzelnachweise per Telemetrie sind eben nur Einzelnachweise." Bei seinen Untersuchungen vor Ort gehe deshalb der vom Büro Beck beauftragte Biologe Dr. Rainer Scherer weit über das von der LUBW geforderte Maß hinaus. Auf ausgewählten Probeflächen habe er alle Bäume abgesucht, um bei der Erfassung der Fledermaus-Quartiere aussagekräftige Daten zu erhalten.
"Dabei könnte er eigentlich auch von zuhause aus am Schreibtisch recherchieren. Die LUBW-Erfassungsstandards verlangen gar nicht, dass er die Nächte im Feld unterwegs ist", heißt es in einem Schreiben des Büros Beck, das den FN vorliegt. "Für das Flächennutzungsplanverfahren am Kornberg reicht eine fachgutachterliche Einschätzung ohne Geländebegehung aus."
Wissen gesammelt
Für den Biologen Scherer sei eine solche rein theoretische Abhandlung jedoch nicht hinnehmbar. Bei seinen Streifzügen durch die Wälder auf dem Kornberg habe er Wissen gesammelt, das bei strikter Anwendung der offiziellen Methoden gar nicht entstanden wäre.
"Ohne gewissenhafte Felduntersuchungen wären nur oberflächliche Betrachtungen möglich. Niemand würde wissen, dass und auch wo es am Kornberg Nachweise der Mopsfledermaus gibt", so das Büro Beck. "Ohne die akribischen Streifzüge Scherers wäre die Artenzusammensetzung der Wälder des Kornbergs unbekannt." So aber könne für jede einzelne Art geprüft werden, ob durch geplante Rodungsarbeiten oder den Betrieb von Windrädern Gefahren für einzelne Tiere oder ganze Populationen entstehen.
Weil die Vorgaben und Richtlinien für das Erstellen von Artenschutzgutachten komplex und je nach Planungsverfahren unterschiedlich sind, bietet Scherer allen an dem Thema Fledermaus Interessierten einen Dialog über Chancen und Risiken für die sensiblen Tiere an. Auch einen fachlichen Austausch mit den Naturschutzverbänden strebt er an.
Und solange ihm alle an dem Planungsprozess Beteiligten die Möglichkeit gewähren, will Scherer weiterhin nachts durch die Wälder des Kornbergs streifen und daran mitwirken, dass die Lebensräume der fliegenden Säugetiere wo immer möglich geschützt werden.
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