Hettingen. In der von Pfarrer Heinrich Magnani (1899 bis 1979) angelegten Hettinger Pfarrchronik lässt sich auf besondere Art und Weise nachvollziehen, was unter dem Regime der Nationalsozialisten in Hettingen und der Region geschah.
In ihrer Serie zum Kriegsende vor 70 Jahren berichten die Fränkischen Nachrichten über die Schriften des engagierten Hettinger Seelsorgers und geben einen Einblick in die Geschehnisse.
Doch wie war dieser Heinrich Ludwig Magnani überhaupt? Was war er für ein Mensch? Niemand kann diese Fragen besser beantworten als Hettinger Bürger, die den Geistlichen persönlich kannten.
"Es war eine sehr harte Zeit"
Klara Scheurich (88), Ottilie Gremminger (87), Adolf Wünst (87) und Martin Kirchgeßner (88) können sogar von sich behaupten, Pfarrer Magnani sehr gut gekannt zu haben. Die vier Hettinger "Urgesteine", alle im Maurerdorf geboren und aufgewachsen, verbrachten in ihrer Jugend nicht nur viel Zeit mit dem berühmten Geistlichen. Von Hettingen aus erlebten sie gemeinsam mit ihm eines der dunkelsten und leidvollsten Kapitel der deutschen Geschichte mit. Und sie wissen alle, was sie und viele andere Mitbürger dem Mann, der ab 1935 in der damals noch eigenständigen Gemeinde lebte und wirkte, zu verdanken haben.
"Es war eine sehr harte Zeit. Besonders in den letzten Kriegsjahren", sagt Klara Scheurich im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Ihr Vater und zwei Brüder waren an der Front. Ein Bruder fiel im Alter von 19 Jahren, die anderen kehrten erst nach dem Krieg aus der Gefangenschaft zurück. Ein dritter Bruder blieb nur deshalb vom Fronteinsatz verschont, weil er bei der Feldarbeit durch einen Sprengsatz schwer verletzt wurde.
"Ohne die Hilfe von Pfarrer Magnani hätten wir all das nicht überstanden. Er war immer für uns da, sorgte für das, was uns fehlte", so Scheurich. Und das habe der Geistliche nicht nur für ihre Familie getan. Überall im Ort sei die Not groß gewesen und überall habe der Pfarrer Hilfe organisiert und sei den Menschen mit Rat und Tat zur Seite gestanden.
"Er war ein sehr gütiger, aber auch strenger Mensch", sind sich alle vier Zeitzeugen einig. Magnani habe klare Vorstellungen gehabt und sei bei seinen Vorhaben sehr zielstrebig gewesen.
Mit Gottvertrauen habe er stets seine Meinung vertreten und sei dem Nationalsozialismus immer kritisch gegenüber gestanden. Einschüchtern habe er sich nie lassen. Mit Verstand und auch einer Portion Glück habe er vieles erreicht, was die Nazis eigentlich verhindern wollten.
"Magnani war oft bei Verhören durch die Gestapo. Mehrfach sollte er verhaftet werden. Anklagepunkte gab es genug. Aber die Bürger Hettingens standen hinter ihm und bildeten sogar eine Art menschlichen Schutzschild für ihren Pfarrer. Wenn die Gestapo kam, versammelten sich die Menschen um das Rathaus. Soldaten, die auf Heimaturlaub waren, brachten sogar ihre Waffen mit. Und so zogen die Gestapo-Leute immer wieder ab", erinnert sich Martin Kirchgeßner.
Und Adolf Wünst, der später unter Magnani Oberministrant war, betont: "Er bewegte sich immer auf sehr dünnem Eis. Weil er sagte, was er dachte. Weil er allen Hettinger Soldaten trotz Verbots Briefe an die Front schrieb und Dinge tat, die die Nazis nicht gerne sahen."
Vor allem die Jugend im Dorf habe Heinrich Magnani immer auf seiner Seite gehabt. "Das lag an seiner Art, aber auch daran, dass er sehr fortschrittlich war. Er filmte und fotografierte. Das kam bei uns gut an", so Martin Kirchgeßner. Bevor Magnani nach Hettingen kam, habe es im Dorf acht Ministranten gegeben. "Danach waren es 52. Das muss man sich mal vorstellen."
Berühmt wurde Heinrich Magnani in der sogenannten Schicksalsnacht vom 30. auf den 31. März 1945. "Als sich die Amerikaner Hettingen näherten, ging er ihnen mit einer weißen Fahne entgegen und riskierte sein Leben für die Gemeinde", berichtet Ottilie Gremminger. "Das war unglaublich. So etwas vergisst man nicht."
Angst habe Magnani nicht gekannt. Natürlich habe besonders sein fester Glaube eine Rolle gespielt. Aber er sei eben auch so ein Typ gewesen.
Zur Person: Geistlicher Rat Pfarrer Heinrich Magnani
- Geistlicher Rat Pfarrer Heinrich Ludwig Magnani wurde am 24. Januar 1899 in Ettlingen als zweites von drei Kindern des Ehepaares Heinrich Magnani (Architekt) und Maria Magnani, geborene Nelles, geboren.
- Von 1916 bis 1919 war er freiwilliger Soldat im Ersten Weltkrieg.
- 1919/1920 holte er das Gymnasial-Abitur nach und studierte anschließend in Freiburg Theologie.
- 1926 folgte die Priesterweihe. Am 6. November 1935 zunächst als Pfarrverweser und ab 1938 als Pfarrer in Hettingen wirkte.
- Pfarrer Magnani war Mitbegründer der "Notgemeinschaft Hettingen" (1945) und der Baugenossenschaft "Neue Heimat" (1946).
- 1951 feierte er sein silbernes Priesterjubiläum. 1952 folgte die Ernennung zum Geistlichen Rat.
- 1953 Verleihung Bundesverdienstkreuz am Bande.
- 1957 wird er Dorfvater des Jugenddorfs Klinge in Seckach.
- 1958 Verleihung Bundesverdienstkreuz I. Klasse.
- 1962 Ernennung zum Ehrenbürger der Gemeinde Hettingen. 1974 Ernennung zum Ehrenbürger von Seckach.
- 1979 Verleihung des "Großen Bundesverdienstkreuzes" durch Bundespräsident Walter Scheel.
- Am 2. Juli 1979 starb Magnani in Buchen. Beigesetzt wurde er auf dem Friedhof des Jugenddorfs Klinge. gf
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