40 Jahre Wildpark Bad Mergentheim (Teil 2) - Der Waldkindergarten ist eine außergewöhnliche Einrichtung / Auch sonst gibt es für Kinder viel zu entdecken

Wenn Kinder mit den Wölfen heulen

Von 
Holger Schmitt
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Diese Kinder brauchen keine teuren Spielgeräte. Die Wippe selbst zu bauen, macht viel mehr Spaß.

© Holger Schmitt

Bad Mergentheim. "Zurück zur Natur". Nicht nur seit der französische Philosoph Rousseau vor fast 250 Jahren diese Forderung aufstellte, ist der Wunsch nach mehr Naturnähe in vielen Menschen tief verwurzelt. Doch die Wirklichkeit unserer Zivilisation ist eher dazu geeignet, den Menschen immer weiter von seinen Ursprüngen zu entfremden. Gerade deshalb ist es wichtig, besonders den Kindern Natur nahezubringen.

Größte umwelt- und naturpädagogische Einrichtung weit und breit ist der Bad Mergentheimer Wildpark. Seit dem Jahr 2000 baut die Familie Rügamer das Angebot erfolgreich aus. Inzwischen übernachten im Waldschulheim jedes Jahr 4500 Kinder im Indianertipi, der großen Waldhütte oder gar in Erdhöhlen. Da sind unvergessliche Erlebnisse programmiert.Besonders spannend ist es, eine Nacht bei den Wölfen zu verbringen, wie die Indianer oder Neandertaler zu leben oder sich zurück in die Zeit der Ritter zu versetzen. Die Wild- und Haustiere im Park sind Thema zahlreicher Angebote.

Zwanzig Kinder haben das Glück, in dieser Umgebung, mitten in der Natur, aufzuwachsen. Im Waldkindergarten ist die Gemeinschaft eine ganz besondere. Den Kindern ist es nie langweilig, ganz von selbst finden sie immer eine Beschäftigung. Streit gibt es in dieser Umgebung selten, denn jeder hat hier genügend Raum.

Die Bewegung in Wald und Flur fördert ganz selbstverständlich das Körpergefühl, die Beweglichkeit und das Geschick der Kinder. Deutlich wurde das etwa, als ein neues Kind, das kaum richtig laufen konnte, im Wald der Kinder ankam. Allein durch zuschauen und mitmachen holte das Kind schnell auf.

Der Tag beginnt meistens mit einem gemeinsamen Lied, dem Gespräch mit den beiden Erzieherinnen. Danach stimmen die Kinder oft ein Wolfsgeheul an. Faszinierend ist, wenn im nahen Gehege das Wolfsrudel zurückheult. Der Kontakt mit den Tieren im Park ist intensiv, die Kleinen wissen genau, wenn gerade ein Kälbchen geboren wurde oder wann die Esel gestriegelt werden müssen.

Ganz selbstverständlich helfen sie, den Stall auszumisten, sind dabei, wenn ein Baum gefällt oder ein anderer neu gepflanzt wird. Vorgefertigtes Spielzeug sucht man in diesem Kindergarten vergeblich. Im Wald findet sich alles, was Kinder glücklich macht. Aus langen Ästen wird eine Hütte gebaut, ein Ast über eine Baumrolle gelegt und schon ist die Wippe fertig.

Ein kleiner Erdhügel wird als Lehmgrube ausgebeutet, Kugeln geformt, die dann in der Sonne trocknen können. Auch Essbares findet sich im Wald. Die Wildparkkinder wissen genau, wie sie eine Nessel anfassen müssen ohne sich zu brennen, welche Kräuter schmackhaft sind und zum gemeinsamen Kochen verwendet werden können.

Winter wie Sommer sind die Kinder an der frischen Luft. Natürlich gibt es bei zehn Grad minus auch ein warmes Plätzchen am Ofen oder bei Regen einen trockenen Ort zum Unterstellen. Diese Kinder sind deutlich abgehärteter als andere und viel seltener krank. Kein Wunder, dass die Warteliste lang ist. Der Wildparkkindergarten ist ein Angebot für alle Kinder der Stadt. Das Besondere ist und bleibt der Umgang mit den Tieren. Deutschlandweit gibt es nur noch einen ähnlichen Kindergarten der direkt an eine zoologische Einrichtung angegliedert ist.

Umweltakademie tagt

Die Umweltakademie veranstaltet am 23. Oktober ein Umweltbildungssymposium im Wildpark.

Hierbei arbeitet man mit dem Deutschen Wildgehegeverband zusammen.

Thema des Symposiums ist: "Wildpark, Tierpark, Zoo - außerschulische Lernorte zwischen Anspruch und Wirklichkeit". hs

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