Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg 2020 vergeben - Ochsengasse 13 in Bad Mergentheim ausgezeichnet / 88 Bewerbungen

Privates Engagement wird mit Preis gewürdigt

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pm
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Das Stadthaus Ochsengasse 13 in Bad Mergentheim erhält den Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg 2020.

Bad Mergentheim/Stuttgart. Trotz der Corona-Einschränkungen können Schwäbischer Heimatbund und Landesverein Badische Heimat auch 2020 den alle zwei Jahre ausgeschriebenen Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg vergeben. Und wiederum ist die Finanzierung der Wüstenrot-Stiftung zu verdanken.

Mit dem Preis werden Eigentümer geehrt, die bei der Sanierung und Umnutzung ihres historisch bedeutsamen Hauses besonders vorbildlich vorgegangen sind und damit einen wichtigen Beitrag zur Weitertradierung der vielfältigen Baukultur im Land geleistet haben, heißt es in der Pressemitteilung des Schwäbischen Heimatbundes.

Spannungsfeld

„Nicht nur Staat, Gemeinden und Kirchen sind Denkmaleigentümer, sondern in viel größerem Umfang auch Privatpersonen und Unternehmen. Sie haben es nicht leicht im alltäglichen Spannungsfeld zwischen der Aufgabe der Überlieferung historisch bedeutender Bausubstanz, den handwerklichen und technischen Möglichkeiten sowie wirtschaftlichen Interessen. Umso wichtiger ist ihr vorbildliches Engagement, auf das der Preis hinweisen möchte“, so der Jury-Vorsitzende Dr. Gerhard Kabierske.

Die Jury, bestehend aus Vertretern des Schwäbischen Heimatbundes, der Badischen Heimat, der Wüstenrot-Stiftung, der Landesdenkmalpflege, des Städtetags und der Architektenkammer Baden-Württemberg, hatte dieses Jahr nicht weniger als 88 Bewerbungen zu begutachten. In eine engere Wahl kamen elf Objekte. Nach deren Besichtigung wurden schließlich die fünf Preisträger 2020 für die folgenden vorbildlich sanierten Objekte bestimmt: ein mittelalterliches Haus in Bad Mergentheim, der ehemalige Salzstadel in Biberach, ein Weingärtnerhaus in Sipplingen am Bodensee, eine ehemalige Molkerei in Kupferzell sowie das Café „Süßes Löchle“ in Lahr.

Als Zeichen der Anerkennung erhalten die Bauherren einen Geldpreis in Höhe von 5000 Euro sowie eine Bronzeplakette zur Anbringung an ihrem Gebäude. Zudem ist die Auszeichnung mit Urkunden für die Eigentümer sowie die beteiligten Architekten und Restauratoren verbunden. Die Preise werden im Rahmen einer Festveranstaltung im Frühjahr 2020 überreicht.

Informationen zu den ausgezeichneten Objekten sowie zu allen bisherigen Preisträgern des schon seit 1978 vergebenen Denkmalschutzpreises finden sich im Internet unter www.denkmalschutzpreis.de.

Zum Mergentheimer Gewinner

Zum diesjährigen Preisträger in der Bad Mergentheimer Ochsengasse 13 teilt der Heimatbund Folgendes mit: „Als der Architekt Rolf Klärle vor einigen Jahren das alte, bis ins Mittelalter zurückgehende Fachwerkhaus im Zentrum von Bad Mergentheim erwarb, konnte er kaum ahnen, auf was er sich einließ. Der Vorbesitzer hatte das zweigeschossige Haus mit einem hohen, zur Straße giebelständigen Dach angesichts seines Zustandes abreißen wollen; er hingegen plante, es zu sanieren und für sein Architekturbüro und zum eigenen Wohnen zu nutzen. Auf jeden Fall wollte er es vor dem Abbruch bewahren, von dem damals gleich mehrere historische Wohnbauten in der Stadt betroffen waren und weswegen sich Unmut in der Bürgerschaft regte.

Bald reichte er einen Bauantrag ein, der auch schnell genehmigt wurde. Erst das Entfernen von Tapeten und nachträglichen Holz- und Gipskartonwänden der Nachkriegszeit sowie das Öffnen der Böden und Decken ließen die immensen Bauschäden erkennen. Die Fachwerkkonstruktion war partiell bis zu 50 cm abgesackt, Balkenauflager damit nicht mehr kraftschlüssig, zudem wichtige Traghölzer gebrochen und die östliche Traufwand zum Nachbarn fast komplett verrottet. Die teilweise sehr alten Schäden waren nie repariert, sondern immer nur notdürftig verborgen worden. Bei der nun anstehenden Sanierung konnte man schon aus statischen Gründen so nicht mehr verfahren. Andererseits hatte die Entfernung der nachträglichen, nicht denkmalwürdigen Einbauten auch die besondere historische Bedeutung und Schönheit des alemannischen Fachwerks mit kompliziert verblatteten Holzverbindungen vor Augen geführt.

Dendrochronologisch konnte die Errichtung auf die Jahre 1455-60 eingegrenzt werden. Das Haus zählt damit zu den ältesten in Bad Mergentheim. Mangels Spuren von Stubeneinbauten muss man davon ausgehen, dass es zunächst nicht zu Wohn-, sondern zu Lager- oder Werkstattzwecken diente. Erst im 16./17. Jahrhundert wurde es zu einem landwirtschaftlichen Anwesen umgebaut, für das nachträglich ein tonnengewölbter Keller angelegt, das Erdgeschoss völlig verändert, eine durch das ganze Haus führende Spindeltreppe eingebaut und im Hof dahinter eine Scheune errichtet wurde, die aber im 20. Jahrhundert einem Rückgebäude weichen musste.

Nach den gewonnenen Erfahrungen änderte Rolf Klärle sein Sanierungskonzept: Eine aufwändige zimmermannsmäßige Reparatur des Fachwerks aus Eiche wurde in den Mittelpunkt der Sanierungsbemühungen gestellt, wobei die Konstruktion unter Erhalt der wenigen historischen Lehmausfachungen annähernd wieder auf das ursprüngliche Niveau angehoben werden konnte. Damit wurden Böden wieder plan, die Räume erhielten wieder ihre ursprüngliche Höhe.

Auch die Spindeltreppe konnte repariert und im Erdgeschoss ergänzt werden. Da vom historischen Innenausbau sonst nur wenig erhalten war, plante der Architekt ihn im Einvernehmen mit den Denkmalbehörden in neuen Materialien und in seiner persönlichen Handschrift. Neben dem großzügigen Einsatz von Glas bei der Befensterung und von Linoleum bei den Böden sind die Ausfachungen, Raumteilungen, Sanitäreinbauten sowie ein Teil der Möblierung konsequent aus Fichte-Dreischichtplatten gestaltet. Auch wenn diese Lösung in der Jury diskutiert wurde, war man der Meinung, dass hier die gestalterische Aufgabe des Kontrastes zwischen Alt und Neu geglückt ist und dem Architekten für die Rettung der mittelalterlichen Hausstruktur ein Preis gebührt.“

Weitere Auszeichnungen erhielten die folgenden Objekte: Ehemaliger Salzstadel, Marktplatz 40 in Biberach an der Riß; ehemaliges Rebmannshaus Eckteil 24 in Sipplingen am Bodensee; ehemalige Molkerei mit Gasthaus und Krämerladen, Kirchgasse 18 in Kupferzell; und Café „Süßes Löchle“, Tullastraße 21 in Lahr/Schwarzwald. pm

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