Bad Mergentheim. Über solche sibirischen Wintertemperaturen freuten sich früher die Bierbrauer, denn so konnte die für die Bierherstellung im Sommer notwendige Kühlung gewonnen werden. Aktuell gewinnt eine Brauerei bei Ulm noch Natureis und spart so viele Kilowattstunden Elektrizität.
Vor mehr als einhundert Jahren wurde in Bad Mergentheim die Stromversorgung eingeführt. Viel später gelang es kostengünstig künstliche Kälte zu erzeugen. Aber die Menschen damaliger Zeit wussten sich ohne moderne technische Errungenschaften zu helfen.
Wenn im Winter die Tauber oder die Jagst dick gefroren war, wurden Platten aus dem Eis herausgesägt und in die Eishöhlen oder Eiskeller geschafft. Diese Eisseen wurden teilweise künstlich angelegt. So wurde der Mergentheimer Eissee über ein Wehr der Wachbach geflutet. Bis zum Jahre 1920 gewannen dort die örtlichen Bierbrauer ihr Eis. In Mergentheim erinnert die Straßenbezeichnung „Am Eissee“ noch daran, dass dort an kalten Wintertagen mit dem Wasser der Wachbach Wiesen geflutet und dann Eisplatten gewonnen wurden.
Das Eis wurde dann entweder in Eiskeller gebracht oder direkt in Braukellern eingelagert. Dort war es kalt genug, so dass das Eis zur Bierkühlung bis zum Sommer gelagert werden konnte. Die Eiskeller sind keine natürlichen Höhlen. Die Menschen suchten den transporttechnisch günstigsten Ort und schlugen zum Beispiel in Dörzbach im Nordhang die Nischen mühevoll in den Muschelkalk. Dort sind bei einem Blick in die Eishöhlen die extremen Temperaturunterschiede deutlich spürbar, auch durch den modrigen Geruch, der von den Höhlen ausgeht.
Wasser über spezielle Gerüste
Über dem einzigen in Bad Mergentheim noch verbliebenen und unter Denkmalschutz stehenden Eiskeller am Trillberg war einst eine Sommergaststätte, direkt darunter wurde das Bier gekühlt. Heute genießt eine Fledermaus die Räume unter der Erde. Neben Brauereien wurden Natureisapparate als Natureisgerüste aufgebaut.
Auf diese Gerüste mit vielen Querstangen wurde Leitungswasser über Düsen versprüht. Das entstandene Eis konnte gleich ohne Transportkosten im zur Brauerei gehörigen Eiskeller eingelagert werden. Nachteilig waren das mögliche Zufrieren der Düsen und die ungleichmäßige Form und Größe der Eiszapfen.
Die Eisgerüste wurden als Ersatz für die mühsame Gewinnung des Eises vom Eissee aufgestellt. Auch nach der Einführung der künstlichen Kühlung mit Ammoniaksole, die in Mergentheim im Jahre 1927 eingeführt wurde, blieb die Natureisgewinnung bis anfangs der Fünfziger Jahre wichtig für die Bierbrauerei. Nachdem die Lohnkosten deutlich stiegen, wurde die Natureisgewinnung mit Eisgerüsten eingestellt.
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