„Neue Wege im Knast“ - In der Strafanstalt für junge Männer in Adelsheim laufen verschiedene Projekte / Baden-Württembergs Justizminister machte sich ein Bild

„Wer war eigentlich dieser Macbeth?“

Von 
Elisa Katt
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Theater hinter Gittern: In der Jugendvollzugsanstalt Adelsheim haben Insassen am Mittwoch Shakespeares „Macbeth“ aufgeführt und ernteten dafür viel Applaus.

Adelsheim. „Wer war eigentlich dieser Macbeth?“ – Diese Frage stand am Anfang des Theaterstücks, das am Mittwoch in der Jugendvollzugsanstalt (JVA) in Adelsheim aufgeführt wurde. 13 Insassen der Anstalt brachten Shakespeares Tragödie auf die Bühne, in einer aufgelockerten, leicht modernisierten Fassung.

Tragödie nimmt ihren Lauf

Wie eine Art Fußnote stehen zwei Kommentatoren dem Publikum von Anfang an zur Seite. Teils erklären sie die doch recht komplizierte Sprache Shakespeares. Als sich die Handlung immer mehr zuspitzt, bringen sie den Zuschauer in kurzen Überleitungen auf den neusten Stand – und sorgen zwischendurch für das ein oder andere Lachen.

Gebannt verfolgt das Publikum, wie die Tragödie ihren Lauf nimmt, verstärkt durch eindrucksvolle Effekte. Getrieben von den Vorhersagen dreier Hexen – im Stück durch drei vermummte Puppen dargestellt – ermordet Macbeth den Schottenkönig Duncan und nimmt seinen Platz ein. Motiviert von Machtgier begeht er weitere Morde und entwickelt sich zum Tyrannen. Lady Macbeth – eindrucksvoll gespielt von Anna Porrmann – stellt anfangs noch die treibende Kraft hinter den Morden und Intrigen dar, wird später aber von Schuldgefühlen zerfressen und nimmt sich das Leben.

Die innere Zerrissenheit des Königsmörders selbst wird anschaulich mit Video-Sequenzen auf eine Leinwand dargestellt, die gleichzeitig als Überleitung zwischen Szenen dienen. Aufgrund von weiteren Vorhersagen wiegt sich der Königsmörder in Sicherheit. Erst in Macduff, einem treuen Gefolgsmann des alten Königs, findet Macbeth seinen Meister und das Stück gipfelt in einer nervenaufreibenden Kampfszene.

Nach dem Tod Macbeths steht der Krönung des rechtmäßigen Erbens nichts mehr im Weg – die staatliche Ordnung ist wiederhergestellt, und die Schauspieler werden mit brandendem Applaus belohnt. Auch Anstaltsleiterin Katja Fritsche zeigt sich begeistert: „Ich hätte am liebsten Zugabe gerufen.“Sie lobt die „tolle Leistung“ der Insassen, die „über sich hinausgewachsen“ seien.

Theater hinter Gittern

Das alles möglich gemacht hat ein vierköpfiges Team des Theaters Konstanz: Regisseur Denis Ponomarenko, Albert Bahmann, Magdalene Schaefer und Annette Vietor. Jeden Mittwoch machten sich die Theaterpädagogen auf den Weg von Konstanz nach Adelsheim, um mit den jungen Männern zu proben.

Bleibt allerdings die Frage: Warum ausgerechnet „Macbeth“? „Starke Konflikte interessieren die Jungs“, begründet Denis Ponomarenko die Entscheidung. „Für sie sind es keine Metaphern, sie haben so etwas selbst erlebt.“ Außerdem: Nicht umsonst sei Shakespeare der meistgespielte Autor. Er befasse sich mit Themen, welche die Menschen bewegen: Macht, Gewalt – und welche Folgen das eigene Handeln hat.

Von Seiten der Anstalt war Irmtraud Friedlein, unterstützt von Linda Ulrich, federführend an dem Projekt beteiligt. Sie ist von dem Ergebnis begeistert: „Ich finde die Bearbeitung super, es hat die Insassen angesprochen.“ Wer mitspielen wollte, konnte sich freiwillig melden. Die Resonanz sei erfreulich gewesen.

Und was sagen die Schauspieler selbst zum Projekt? „Ich habe zum ersten Mal auf einer Bühne gestanden“, berichtet der 22-Jährige, der im Stück die Hauptrolle des „Macbeth“ verkörpert. „Es war ein schönes Gefühl.“ Gerade die Sprache des Stücks habe ihn anfangs etwas verunsichert. „Aber es ist immer besser geworden. Es ist möglich, solange der Wille da ist.“

Hoher Besuch

Anlässlich des Theaterstücks hatte die JVA am Mittwoch hohen Besuch. Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf machte sich ein Bild von den verschiedenen Projekten in der Anstalt. Unter dem Stichwort „Neue Wege im Knast“ sind das neben dem „Theater hinter Gittern“ unter anderem der Vollzug in Wohngruppen sowie tiergestützte Pädagogik. „Die Insassen sind junge Menschen am Anfang ihres Lebens“, so der Minister. Obwohl sie in jungen Jahren straffällig geworden seien, müsse man ihnen Perspektiven eröffnen, um ihnen, auch im Sinne der Gesellschaft, wieder ein straffreies Leben zu ermöglichen.

Finanziert werden die Projekte von der Baden-Württemberg Stiftung. „Es lohnt sich, hier zu investieren“, betont Geschäftsführer Christoph Dahl. „Hier wird etwas bewegt.“ Die Zusammenarbeit mit dem Justizministerium bewertet er als äußerst positiv.

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