Weikersheim. Alle waren dabei: Schulleitung, Lehrer, Elternvertreter, Schüler, Schulsozialarbeiter, Vertreter der Stadt und des Gemeinderates und des Staatlichen Schulamts - und gemeinsam zog man ein positives erstes Fazit nach einem Jahr Gemeinschaftsschule (GMS) in Weikersheim.
49 Kinder starteten vor wenigen Tagen neu in der fünften Klasse, während die Klassenstufe 6 aktuell 38 Schüler zählt. Damit werden jetzt 87 Kinder nach den neuen Methoden und Rahmenbedingungen einer GMS unterrichtet. Die Umwandlung zur Gemeinschaftsschule wurde im Schuljahr 2013/14 begonnen und hat, wie Rektorin Renate Böhrer erklärte, viele Veränderungen mit sich gebracht. Lernstudio, Lerntagebuch, Niveaustufen und vieles andere mehr gehören seither zum Alltag, dazu wurden bauliche Maßnahmen im Schulhaus umgesetzt.
Nicht mehr nur aus Weikersheim, Niederstetten, Röttingen und Bieberehren kommen inzwischen die Schüler der GMS, sondern seit diesem Schuljahr auch neun aus Creglingen, drei aus Markelsheim und einer aus Igersheim. "Die Gemeinschaftsschule erfreut sich einer steigenden Nachfrage", stellt Rektorin Böhrer zufrieden fest und bezieht auf Nachfrage Stellung zu den Plänen von Igersheim, ebenfalls eine GMS einzurichten: "Das wäre für uns kein Problem!"
Mit Blick auf die eigene Schule lobt Böhrer das pädagogische Konzept, "dass unter der Federführung von Peter Pflüger, tatkräftig unterstützt von Melanie Scherrmann, zusammen mit den Kollegen und in enger Absprache mit der Schulleitung entwickelt und umgesetzt wurde". Schulrätin Claudia Wiegert vom Schulamt bestätigt später, dass man die Entwicklungen in Weikersheim begrüße und die Qualität des Angebots durch steigende Anmeldezahlen sichtbar belohnt werde. "Wie hier zwischen den Schülern differenziert und mit ihnen gearbeitet wird - das zeigt schon ein hohes Niveau an", zollt die Schulrätin ihre Anerkennung und schiebt nach: "Alles steht und fällt mit dem Engagement der Lehrer!"
Dass Peter Pflüger und Melanie Scherrmann und all ihre Kollegen eine erfolgreiche Aufbauarbeit für die Klassen 5 und 6 gemäß neuem Lernkonzept und neuer Lernorganisation geleistet haben, davon konnten sich die geladenen Stadträte und auch die Presse beim Rundgang im Schulhaus überzeugen. Ein neuer Aufenthaltsraum wurde ebenso eingerichtet wie zusätzliche Zimmer für Freiarbeit oder das Lernen in der Kleingruppe. Klassenlehrer Pflüger erklärt, dass es mehr Platz brauche, um die GMS richtig umzusetzen. Für die Klassenstufe 6 gebe es aktuell vier Zimmer. Der Raumbedarf steige zudem mit jeder weiteren GMS-Klassenstufe in den nächsten Jahren.
Offene Türen und der Lehrer unterwegs vom Klassenzimmer zum nebenan liegenden Freiarbeits- oder Kleingruppenlernraum - das sei für ihn und alle Kollegen neu gewesen. Aber es funktioniere, sagt Pflüger. Es gebe Frontalunterricht, aber eben auch individuelles Arbeiten mit Pflicht- und Wahlaufgaben. Man trage den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der Kinder Rechnung, fährt Lehrerin Scherrmann fort und berichtet von drei Niveaustufen (Grund-, Mittleres- und Erweitertes Niveau, entsprechend Hauptschule, Realschule und Gymnasium). Dabei könnten die Schüler in den Fächern durchaus verschiedene Stufen, ganz nach ihrer Begabung, belegen und sich auch in abstrakte und umfangreichere Aufgabengebiete vorarbeiten.
Als wichtige Eckpfeiler in Weikersheim nennt Rektorin Böhrer schließlich die "gebundene Ganztagesschule an drei Nachmittagen" (ein Nachmittag davon mit AG-Angeboten im kreativen, sportlichen oder musischen Bereich), regelmäßige Aktionstage zur Stärkung der Sozialkompetenz und auch berufspraktische Kooperationen, ebenso hebt sie die "gute Zusammenarbeit mit dem Gymnasium", von dem drei Lehrer stundenweise an der GMS unterrichten, hervor.
Und was sagen die Schüler zur GMS? Antonia Müller, Marvin Schieser und Jennifer Zebisch fühlen sich wohl und berichten, dass ihnen das neue Lernstudio gefällt und auch das Lerntagebuch ein wichtiger Begleiter sei. Zudem bleibe an schulfreien Nachmittagen mehr Zeit zum Spielen. Die Elternvertreter Gabriele Sackmann und Andreas Fischer-Klärle sprechen von viel entspannteren Kindern, weil diese zu Hause keine Hausaufgaben mehr machen müssten und nur noch Vokabeln sowie für Arbeiten lernen. "Die Skeptiker werden immer leiser", meint Fischer-Klärle und betont, dass hier etwas Gutes für Weikersheim und seine Familien entstanden sei.
Bis maximal zur zehnten Klasse sei das Lernen möglich und damit auch der Realschulabschluss jetzt in Weikersheim erreichbar, wirft Rektorin Böhrer ein und erläutert auf Nachfrage von Stadträtin Rosemarie Spitzley, dass man auch für Kinder mit Lese-Rechtschreib-Schwäche Unterstützung bieten könne, an der Dyskalkulie-Förderung (Rechenschwäche) sei man dran.
Dass die Stadt mit der GMS-Entwicklung zufrieden ist, teilt Esther Hereth in Vertretung des Bürgermeisters mit und Schulsozialarbeiter Mathias Paul bestätigt die funktionierende Klassengemeinschaft trotz aller Leistungsunterschiede. Von größeren Problemen sei ihm nichts bekannt.
Lediglich der Schülerbustransport nach der Nachmittagsschule in einzelne kleinere Ortschaften stelle noch eine Herausforderung dar, fügt Elternvertreter Fischer-Klärle an und die Rektorin bestätigt, dass Busse von der Verkehrsgesellschaft aus dem Fahrplan gestrichen wurden, die Stadt zu diesem Thema jedoch schon aktiv geworden sei.
Die Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg
- Zum Schuljahr 2014/2015 starteten laut Kultusministerium in Baden-Württemberg 81 neue Gemeinschaftsschulen (GMS), darunter zwölf bisherige Realschulen. Damit gibt es aktuell insgesamt 209 öffentliche Gemeinschaftsschulen im Land.
- Als Grundsätze der GMS gibt das Ministerium vor: längeres gemeinsames Lernen; keine Trennung nach Klasse 4; späte Entscheidung über den Abschluss; Bildungsstandards der Hauptschule, der Realschule und des Gymnasiums vereint; voneinander und miteinander lernen; menschliche Unterschiede sind Bereicherung; Kinder und Jugendliche mit Behinderung gehören dazu.
- Lernkonzept: Lerngruppen statt Klassen (Teiler 28); Maximum an individuellem und Optimum an kooperativem Lernen; zielorientierte Inputs; Lernbegleiter. Lernorganisation: Gemeinsames Lernen: Präsentation, Vortrag, Referat, Informationsinput. Dazu individualisierter Unterricht: Freiarbeit, Lernwerkstatt, Wochenplan, Lernateliers, selbstorganisiertes Lernen. Und kooperativer Unterricht: Projekte, Gruppen- und Partnerarbeit, Gruppenpuzzle. sabix
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