Tauberbischofsheim. Wenn sich Jürgen Groß und Alfred Wolfert in ihr Büro in der VOP-Tagesstätte in Tauberbischofsheim zurückziehen, bleiben sie meist nicht lange ungestört. Es klopft es an der Tür. Ein Besucher fragt nach Milch für seinen Kaffee. "Immer hereinspaziert", antwortet Groß mit seiner offenen Art. "Da hinten steht sie."
Jürgen Groß und Alfred Wolfert sind die beiden Geschäftsführer der VOP gemeinnützigen Gesellschaft für offene Psychiatrie (früher: Verein für offene Psychiatrie). Diese bietet Ambulantes Betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen im Main-Tauber-Kreis und betreibt auch Tagesstätten in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim. Die Menschen, um die sie sich kümmern, haben Depressionen, Angst- oder Verhaltensstörungen wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung oder Sucht- und Essstörungen. Auch Doppeldiagnosen kämen vor. "Insbesondere die Kombination aus einer psychischen Erkrankung und einer Sucht", schildert Wolfert.
Betreutes Wohnen
Sowohl das ambulante betreute Wohnen als auch die Tagesstätte richten sich an Menschen, die zwar an einer psychischen Erkrankung leiden, aber keine stationäre Behandlung (mehr) im Krankenhaus benötigen - die Krankheit also unter Kontrolle haben. "Das ambulant betreute Wohnen und die Tagesstätte sind für Menschen, die weitestgehend selbstständig in einer eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft leben können", erklärt Wolfert. "Wenn jemand rund um die Uhr Betreuung braucht, ist er bei uns falsch", sagt Groß und ergänzt: "Prinzipiell muss er alleine zurechtkommen. Er muss alleine putzen, einkaufen und sich versorgen können."
Ist das der Fall, vermietet die VOP Wohnungen oder Zimmer in Wohngemeinschaften an ihre Klienten und betreut diese ganz individuell je nach Bedarf. "Grundsätzlich sind wir für alles der erste Ansprechpartner", schildert Wolfert. Und Groß veranschaulicht: "Egal ob der Wasserhahn tropft, der Klient eine neue Jeans braucht oder wir ihm beim Kontakt mit Behörden helfen müssen."
In Extremfällen müssen sie Klienten auch mal zeigen, wie man sich ordentlich die Haare wäscht. Es gehe aber auch anders: "Manchen Menschen müssen wir fast gar nicht helfen. Die haben aber hin und wieder ihre Krisen und brauchen dann einen Gesprächspartner", weiß Wolfert aus eigener Erfahrung. Denn sowohl er als auch sein Kollege Groß sind neben ihrer Geschäftsführertätigkeit gleichzeitig auch selbst in der Betreuung tätig. Insgesamt kümmern sich derzeit 14 VOP-Mitarbeiter um die über 60 Klienten im ambulant betreuten Wohnen und den beiden Tagesstätten.
Die Kosten für ihren Lebensunterhalt und die Miete müssen die Klienten selbst bezahlen.
Die Betreuung durch die VOP übernimmt das Landratsamt, sofern eine "wesentliche seelische Behinderung" vorliegt und der Klient nur über geringe Eigenmittel verfügt.
Tagesstätte offen für alle
Die Tagesstätten in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim der VOP sind Anlaufstellen für alle psychisch kranken Menschen im Main-Tauber-Kreis. Also nicht nur die von der VOP betreuten Klienten. Besucher können dort unter der Woche frühstücken, Mittagessen und auch ein wenig arbeiten.
Wer möchte, kann beispielsweise Kleinteile für Industrieunternehmen aus der Region verpacken und wird dafür sogar entlohnt. "Für viele ist es wichtig, dass sie hier schaffen können", sagt Wolfert. "Sie definieren sich über die Arbeit und steigern so ihr Selbstwertgefühl."
Dank der Angebote der Tagesstätten haben die Besucher einen strukturierten Tagesablauf und nehmen am gesellschaftlichen Leben teil.
Darüber hinaus bietet die VOP auch Freizeitbeschäftigungen an. Einmal in der Woche gibt es einen Freizeitabend.
Dann gehen die Betreuer mit den Besuchern etwa Kegeln oder machen einen Spieleabend. Und einmal im Jahr geht es sogar in den Urlaub.
Wichtig ist Groß und Wolfert, dass es Urlaube sind, "wie sie jeder andere auch macht." Gemeinsam mit ihren Betreuern waren die Klienten so beispielsweise schon im Bayerischen Wald, in der Lüneburger Heide, an der Ostsee aber auch schon in Spanien.
Vereine feiern mit mehreren Veranstaltungen
- Die VOP gemeinnützige Gesellschaft für offene Psychiatrie bietet Ambulantes Betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen im Main-Tauber-Kreis und betreibt für diese in Tauberbischofsheim und Bad Mergentheim auch je eine Tagesstätte.
- Die VOP ist aus dem Hilfsverein "Die Brücke" und dem "Phönix" Förderrein für seelisch Kranke hervorgegangen.
- Zunächst gründeten die beiden 1996 gemeinsam den "Verein für offene Psychiatrie", aus dem 2007 die heutige gemeinnützige Gesellschaft für offene Psychiatrie entstand.
- Die VOP ist der Träger des Ambulanten Betreuten Wohnen und der Tagesstätten, die beiden Vereine Brücke und Phönix sind die Gesellschafter.
- Der Hilfsverein "Die Brücke" feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag, der "Phönix" Förderverein für seelisch Kranke wird 30.
- Das feiern die Vereine mit mehreren Veranstaltungen.
- Am Mittwoch, 8. Oktober findet im Winfriedheim Tauberbischofsheim ein Vortrag mit anschließender Podiumsdiskussion statt. Fachkundige Experten sprechen über das Thema: "Grenzen der Inklusion - wieviel Psychiatrie verträgt die Gesellschaft?".
- Am Samstag, 11. Oktober, veranstaltet die VOP zudem im Festsaal des Rathauses Tauberbischofsheim ein Konzert mit Wolfgang Buck und Band. Karten gibt es in der Buchhandlung "Schwarz und Weiß" in Tauberbischofsheim. jer
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim_artikel,-tauberbischofsheim-koenigheim-werbach-alltagshilfe-fuer-psychisch-kranke-_arid,581192.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html