Main-Tauber-Kreis. "Wir sind mit dem Zielkonzept inhaltlich nicht einverstanden." Der resümierende Satz von Landrat Reinhard Frank fasste das zusammen, was Amtsleiter Dr. Heiko Schnell zuvor ausführlich erläutert hatte: So wie das Land plant, will der Kreis das nicht hinnehmen. Zu handeln sei jetzt und sofort, hieß es in der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Bildung, Kultur und Verkehr am Mittwoch. Denn wer jetzt nicht seine Interessen verfolgt und ganz schnell mit dem Bohren dicker Bretter beginnt, bleibt sonst für mindestens ein Jahrzehnt außen vor.
Konkret geht es um das Auslaufen des großen Verkehrsvertrags Ende 2016, der 2003 zwischen Baden-Württemberg und der Deutschen Bahn geschlossen wurde. Da das Land den Wettbewerb auf der Schiene erhöhen will, ist eine europaweite Neuausschreibung geplant. Das zugrunde gelegte Zielkonzept sieht einen landesweiten Stundentakt zwischen 5 und 24 Uhr, Angebotsverdichtungen und ein stündliches Expresszugnetz zwischen den Oberzentren vor. Einzig ein Finanzierungsvorbehalt trübt die in Aussicht gestellten Verbesserungen. Schließlich sind heute bereits 84 Millionen Euro pro Jahr an Landesmitteln hinzuzuschießen, um Angebotsreduzierungen und Streckenstilllegungen zu vermeiden.
Dennoch will das Land an seiner "Mobilitätsgarantie" festhalten und diese im ländlichen Raum zu Zeiten mit schwachem Verkehr teilweise durch Busse oder Rufbusse gewährleisten.
Beim Schienenverkehr fordert der Main-Tauber-Kreis schon seit längerem eine Taktverbesserung der Regionalbahn im Ein-Stunden-Rhythmus zwischen Lauda und Würzburg zum Dezember 2016, mindestens aber die Schließung der dreistündigen Taktlücke zwischen 7 und 10 Uhr. Zwischen Lauda und Osterburken soll ein Zwei-Stunden-Takt zu den Hauptverkehrszeiten zwischen 6 und 20 Uhr gewährleistet sein. Auch zusätzliche Halte der Regionalexpress-Züge in Boxberg, Eubigheim, Grünsfeld und Wittighausen stehen in diesem Katalog. Zudem wird bei den Planungen eine besondere Berücksichtigung der Schülerverkehre durch die bereits jetzt eingesetzten zusätzlichen Züge angemahnt.
Ein weiteres Problem stellt die Interimszeit zwischen dem Auslaufen des alten Vertrags Ende 2016 und der Geltung des neuen ab Dezember 2018 dar. Immerhin handelt es sich hier um zwei Jahre. Für die Verkehrsleistungen innerhalb dieser Spanne können sich derzeit Unternehmen bewerben. Nach Aussage von Dr. Heiko Schnell habe das die Westfrankenbahn auch getan. Es sei aber davon auszugehen, dass das jetzige Fahrplanangebot während der Übergangszeit nach altem Muster Bestand haben werde.
Landrat Reinhard Frank will den Besuch von Ministerpräsident Winfried Kretschmann am 1. Oktober nutzen, um ihm die Sicht des Kreises beim Schienenverkehr nahezubringen. "Die Infrastruktur ist für uns wichtiger denn je", so der Landrat. Auch Kreisrat Josef Morschheuser (CDU) setzte auf eine Verbesserung. Wer morgens um 8 Uhr in Stuttgart einen Termin hätte, habe keine Chance ihn pünktlich wahrzunehmen, wenn er mit dem Zug fahre, berichtete er aus eigener Erfahrung.
Joachim Markert verwies auf eine Standortanalyse aus dem Jahr 2012. Hier sei, gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, dem ÖPNV ein sehr hoher Stellenwert für den ländlichen Raum bescheinigt worden.
Thomas Maertens (CDU) kritisierte die vielen Unsicherheiten, die das "Zielkonzept 2025" berge. Zwischen Osterburken und Lauda kann er überhaupt keine Verbesserungen feststellen, so dass die Mobilitätsgarantie hier nicht zutreffe.
Vielmehr sieht er in einer europaweiten Ausschreibung den Willen zu Einsparungen, die letztlich zulasten des ländlichen Raums gehen. Eindeutig bekannte er sich zum derzeitigen Anbieter: "Die Westfrankenbahn ist bei uns im ländlichen Raum der natürliche Partner", so Maertens.
Landrat Reinhard Frank appellierte zu einer gemeinsamen Vorgehensweise: "Da müssen wir alle an einem Strang ziehen." hvb
Zum Thema
- Artikel "Mehr Aufgaben durch neues Gesetz"
- Artikel "Klicks aus dem ganzen Land"
- Artikel "Eigene Einrichtung erwünscht"
- Kommentar "Entwicklung bleibt spannend"
Im Ausschuss notiert
- Der Ausschuss für Soziales, Bildung, Kultur und Verkehr des Kreistags wählte in seiner konstituierenden Sitzung am Mittwoch bei einer Enthaltung von Rolf Grünig (Die Linke) Stellvertreter und ständige Schriftführer. Zu stellvertretenden Vorsitzende wurden Dr. Urban Lanig und Jochen Flasbeck bestimmt; ständige Schriftführer sind Karl Haag und Eberhard Feucht.
- Einstimmig entsprach das Gremium dem Antrag des Fachverbands für Prävention und Rehabilitation in der Erzdiözese Freiburg (AGJ) und dem Diakonischen Werk im Main-Tauber-Kreis auf Erhöhung der Zuschüsse für die Suchtberatung. Die Förderung wird auf 197 000 Euro pro Jahr, befristet auf drei Jahre, erhöht. Zuvor hatte Dr. Urban Lanig auf die Gefahr der neuen, kostengünstigen und leicht zu beschaffenden Kräuterdrogen hingewiesen.
- Zur Kenntnis nahm der Ausschuss eine Richtlinie, nach der das betreute Wohnen von Kindern und Jugendlichen in Pflegefamilien künftig in das Ressort Eingliederungshilfe fällt. Zuvor war das Jugendamt für diese Klientel zuständig. hvb
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/region-main-tauber_artikel,-main-tauber-ist-laendlicher-raum-verlierer-_arid,577300.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/osterburken.html