Frankfurt/Mannheim. Unten im Frankfurter WM-Stadion halten Tausende Zeugen Jehovas einen Kongress ab, oben in der Geschäftsstelle spricht der Eintracht-Trainer über seine Eingewöhnung in der neuen Umgebung, die schleppenden Transferplanungen und die Kritik an seiner Talentförderung.
Herr Schaaf, ganz Deutschland liegt immer noch im Freudentaumel nach dem magischen Finale von Rio. Wie haben Sie den WM-Triumph empfunden?
Thomas Schaaf: Das war ein wundervoller, toller und absolut verdienter Erfolg. Es war eine großartige Leistung von allen Beteiligten. Ganz Deutschland hat mitgefiebert, ich auch. Wir haben uns riesig gefreut.
Kommen wir zu ihrem neuen Verein: Wie sind Ihre Eindrücke von der Eintracht? Haben Sie schon eingewöhnt beim Verein und in der Stadt?
Schaaf: Ich fühle mich schon wohl, auch wenn ich mich sicher noch ein bisschen eingewöhnen muss. Aber ich bringe mich voll ein und bin mittendrin.
Der Wechsel von Arsenal-Stürmer Nicklas Bendtner zur Eintracht liegt vorerst auf Eis, weil der Däne mit dem Frankfurter Gehaltsangebot nicht einverstanden war. Werden Sie langsam unruhig, was die dringend benötigten Neuzugänge angeht?
Schaaf: Ich bin auf der einen Seite sehr engagiert und konzentriert, was das Thema Neuverpflichtungen angeht - aber intern. Ich halte nichts davon, immer alles in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Wir wissen, welche Planungen wir haben. Da bin ich ganz entspannt, auch weil ich mich auf das konzentriere, was ich zurzeit an Personal habe. Ich habe hier eine Mannschaft, die ich auf die neue Saison vorbereiten muss.
Und wie viele Neuzugänge schweben Ihnen vor? Ins Lauftrainingslager nach Norderney mussten Sie fünf Jugendspieler mitnehmen, um den Kader aufzufüllen.
Schaaf: Was ich sagen kann: mehr als einen. Ich will da allerdings keine feste Zahl vorgeben. Man sagt zwei, und es kommen vier. Oder man sagt vier, und es kommen nur zwei. Das geht dann sofort in so eine Richtung.
Eine heiße Stürmer-Spur führt zum Senegalesen Khouma Babacar vom italienischen Zweitligisten FC Florenz.
Schaaf: Der Name ist mir nicht unbekannt.
Stößt die Eintracht derzeit auf dem Transfermarkt an ihre finanziellen Grenzen? Oder warum tun Sie sich bisher so schwer, Neuzugänge zu verpflichten?
Schaaf: Alle Transfers sind nicht leicht, egal bei welchem Verein. Bei Frankfurt ist es so, dass man vorgearbeitet hat, aber aufgrund der ungeklärten Trainersituation nicht die Abschlüsse machen konnte. Es ist kein Vorteil, wenn man relativ spät in Gespräche einsteigt. Es ist zurzeit vielleicht ein bisschen schwieriger, aber wir arbeiten intensiv daran.
Stört das die Vorbereitung?
Schaaf: Wir haben keine Rumpftruppe im Training, das Gros der Mannschaft ist schon da. Ich muss natürlich zurzeit noch mit einem Kader üben, der beim Liga-Start anders aussehen könnte. Aber ich muss mit denen, die da sind, so gut arbeiten wie es eben nur geht. Je besser sie funktionieren, desto einfacher ist es für die, die noch dazustoßen.
Sie haben sich bei Ihrer Vorstellung auf die Fahnen geschrieben, verstärkt Talente einbauen zu wollen. Ist es da nicht ein Nachteil, dass der Verein die U23 aus der Regionalliga abgemeldet hat?
Schaaf: Die Eintracht würde keinen Spieler abgeben, der sich in der U23 für den Profibereich hervorgetan hat. Die, die da auffällig waren, sind bei uns. Und die anderen waren noch nicht so weit. Deshalb ist aus dieser Situation erst einmal kein Schaden entstanden. Über die Frage, ob man eine zweite Mannschaft braucht oder nicht, kann man aber lange diskutieren. Das muss jeder Verein für sich entscheiden. Im Moment sind wir bei der Eintracht der Meinung, dass wir richtig gehandelt haben.
Gegen Ende Ihrer Bremer Zeit haben Ihnen einige Fans vorgeworfen, Sie würden zu wenig auf die Jugend setzen. Genannt wurden die Beispiele Martin Harnik, Max Kruse oder Simon Rolfes, die sich bei Werder nicht durchsetzen konnten, aber dann in anderen Vereinen Karriere machten. Was entgegnen Sie dieser Kritik?
Schaaf: Erst einmal brauche ich nichts entgegnen, weil das eine Diskussion ist, die man so auftun kann. Rolfes war damals ein junger Spieler und in der U-19-Mannschaft dabei, die Deutscher Meister geworden ist. Aber das war 2004, Werder hatte gerade das Double gewonnen. In dieser Mannschaft spielten beispielsweise Johan Micoud, Fabian Ernst, Frank Baumann und Tim Borowski im Mittelfeld, alles Nationalspieler.
Also fühlen Sie sich in eine falsche Schublade gesteckt.
Schaaf: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Wenn man junge Spieler hat, muss man aber immer schauen: Hat er überhaupt die Chance, auch zum Zug zu kommen? Hat er schon die Qualität? Das war zum Beispiel bei Simon Rolfes damals noch nicht der Fall. Wenn Sie die Diskussion aufbringen, müssen Sie aber auch Namen wie Mesut Özil oder Fabian Ernst nennen, die unter mir zu Leistungsträgern geworden sind. Ich bin Verfechter einer sinnvollen Aufbauarbeit.
Ist es derzeit überhaupt schon möglich, ein Saisonziel zu formulieren, solange die Frage der Neuzugänge nicht geklärt ist?
Schaaf: Wir müssen abwarten, bis der Kader steht. Das wird spannend, und dann können wir sagen, wo es hingeht. Die Hauptaufgabe ist, möglichst schnell zusammenzufinden.
Aber Sie befürchten nicht, dass die Eintracht wieder unten reinrutschen könnte?
Schaaf: Ich mache mir keine Gedanken über die Vergangenheit. Natürlich weiß ich, dass sich die Eintracht in der vergangenen Saison in der Liga sehr schwergetan hat, aber dafür hat die Mannschaft im Europapokal brilliert.
Thomas Schaaf
Thomas Schaaf (53) wuchs in den Mannheimer Quadraten auf, bevor er im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie nach Bremen zog.
Für den SV Werder spielte der Abwehrmann 281 Mal in der Bundesliga. Von 1999 bis 2013 trainierte Schaaf die Profis, wurde 2004 Meister und drei Mal Pokalsieger.
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