Bürgerinitiative tagte - Richtlinie zur Windhöffigkeit und der Ertragsermittlung vorgestellt

Zahlreiche Fragen besorgter Anwohner diskutiert

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Bretzingen. Die Vorstandsmitglieder der Bürgerinitiative für Gesundheit und Naturschutz (BGN) Hardheim trafen sichim Bretzinger Sportheim zu einer Sitzung, um das Ergebnis der seit langem erwarteten "speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung" (saP) zu besprechen. "Dieses liegt aber immer noch nicht vor", erklärte eingangs Vorsitzender Dieter Popp. Nach einer Rückfrage beim Rechtsanwalt der BGN habe dieser mitgeteilt, dass gegen die Einsicht der Gutachten verschiedene urheberrechtliche Einwände erhoben, mittlerweile aber wieder fallengelassen worden waren. Weil das zuständige Büro Beck in letzter Zeit bei mehreren Bürgerinitiativen - etwa in Königheim und Boxberg - stark in der Kritik gestanden sei, habe sich auch der Vorstand der BGN Gedanken über dieses Vorgehen gemacht.

Weiter nutzte Vorsitzender Popp die Gelegenheit, eine technischen Richtlinie zu erläutern, die "TR6, Revision 9". Diese diene zur Feststellung der Windhöffigkeit eines Gebiets und zur Ermittlung des Energieertrags von Windkraftanlagen. Die Richtlinie sei alleine als allgemeingültiger Standard akkreditiert und wesentliches Kriterium zur Akzeptanz einer Energieertragsermittlung bei Banken und Investoren.

Die "TR6, Revision 9" schreibe standortbezogene Windmessungen in mindestens zwei Drittel der Nabenhöhe in zwölf aufeinanderfolgenden Monaten bei 80-prozentiger Datenverfügbarkeit und wöchentlicher Überwachung vor. "Es dürfen keine Vergleichsanlagen zur Ermittlung verwendet werden, wie es noch bei der TR6, Revision 8 aus 2011 üblich war, sondern nur noch standortbezogene", sagte Popp. Ein Vergleich mit den Hettinger Windrädern, circa acht Kilometer vom Kornberg entfernt, sei somit nicht zulässig. Da jedoch am "Kornberg/Dreimärker" noch kein Mast zur Windmessung zu sehen sei, stellte der Vorsitzende die Frage, ob die "TR6, Revision 9" den kommunalen Entscheidern überhaupt bekannt sei. Die Vorstandsmitglieder waren sich einig, dass es sie nicht wundern würde, wenn diese Richtlinie den Gemeinderäten vor ihrer Entscheidung nicht vorgelegen hätte. Denn wie eine Akteneinsicht bereits gezeigt habe, sei der Gemeinderat über brisante Teile des Projekts nicht vollumfänglich informiert worden.

Popp erläuterte weiter, dass die "TR6, Revision 9" nicht zwingend vorgeschrieben sei. Deshalb würden Projektierer kommunaler Windkraftanlagen häufig nur Rechenmodelle oder selbst in Auftrag gegebene Gutachten verwenden, die den Zwängen der "TR6, Revision 9" nicht genügen. "Kommunalpolitiker, die sich auf solch zweifelhafte Gutachten verlassen, verletzen ihre Sorgfaltspflicht", so Popp. Denn zwei Drittel unter ihrer Ertragserwartung laufende Windkraftanlagen würden sonst als abschreckendes Beispiel dienen. "Banken und Großinvestoren sichern sich über die Richtlinie ab, während man private Bürgerbeteiligungen ins offene Messer laufen lässt", so Popp, der damit auf einhellige Zustimmung im Vorstand stieß.

Abstände moniert

Von den Vorstandsmitgliedern diskutiert wurde ein der Bürgerinitiative anonym zugespielter Mailverkehr zwischen den Bürgermeistern Volker Rohm und Adalbert Hauck. Unter anderem sei da der Vorschlag zu lesen, die Bürgerinitiative mit Nichtbeachtung zu bestrafen. Die Vorstandsmitglieder wollen sich deshalb vorbehalten, das Schreiben gegebenenfalls publik zu machen. Anschließend besprachen die Teilnehmer Fragen besorgter Anwohner an den Vorstand. Mit Blick auf den Bau der Külsheimer Anlagen würden sich Bürger Sorgen wegen der Auswirkungen des geringen Abstands der geplanten Anlagen im Bereich "Kornberg/Dreimärker" von rund 750 Metern zur Ortschaft machen, so Popp. Die aus Sicht der Bürgerinitiative veralteten, viel zu geringen Abstände zur Wohnbebauungen habe auch Landtagsabgeordneter Peter Hauk bei seiner Wahlveranstaltung in Hardheim kritisiert.

Klage beim Verfassungsgericht

Zu diesem Thema laufe seit Ende Februar eine Klage beim Bundesverfassungsgericht. "Der Widerstand gegen ungezügelten Windkraftausbau nimmt allerorts massiv zu", betonte der Vorsitzende. Im weiteren Verlauf sprach er die häufig gestellte Frage an, weshalb die beiden Bürgermeister vehement am geplanten Bau der Anlagen festhalten. Eine Antwort darauf könne er nicht geben, da er selbst seit Monaten auf eine Reaktion beider Bürgermeister warte. Auf Nachfrage des Vorstandsmitglieds Steffen Berberich teilte Vorsitzender Popp mit, dass sich bisher weder der Gemeindeverwaltungsverband noch das Regierungspräsidium zu den übersandten Gutachten geäußert hätten. In den nächsten Tagen werde er nochmals bei den entsprechenden Stellen nachhören. Abschließend informierte Popp über den Wechsel von Professor Dr. Uwe Leprich, seit dem Jahr 2000 Aufsichtsratsmitglied des Windkraftprojektierers ABO-Wind, ins Bundesumweltamt, wo er zum 1. April die Leitung der Abteilung Klimaschutz übernimmt - "ein weiteres Paradebeispiel für das nahtlose Eindringen der Windkraftindustrielobby ins politische Weichenstellungssystem", so Popp.

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