Aktion "Stolpersteine" - An den Geburtstagen der ermordeten Opfer sollen künftig Blumen niedergelegt werden / Würdigung von Karl Josef Scheuermann

Eine "stille Geste des Gedenkens"

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Wertheim. Es war "eine stille Geste des Gedenkens" an Sophie Brückheimer, die am 1. Januar 1860 geboren und noch im hohen Alter Opfer des Nationalsozialismus wurde. Und es war gleichzeitig eine Würdigung des im vergangenen Jahr verstorbenen langjährigen Wertheimer Oberbürgermeisters und Ehrenbürgers Karl Josef Scheuermann und seiner Verdienste, die er sich, nicht nur, aber auch, mit der Einladung ehemaliger jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger und ihrer Nachfahren in die Stadt an Main und Tauber Mitte der 1970er Jahre erworben hatte.

Scheuermann hatte die Patenschaft für den in Erinnerung an Sophie Brückheimer in der Bahnhofstraße verlegten Stolperstein übernommen, an dem sich nun am Neujahrstag rund ein Dutzend Menschen versammelt hatten, zum Auftakt der "Geburtstagsaktion", mit der Dr. Dieter Fauth in diesem Jahr die Erinnerung an die Opfer des Nazi-Regimes aus Wertheim wachhalten möchte.

An dem jeweiligen Geburtstag sollen, so seine Vorstellung, die früheren Schüler, die sich bei der Verlegung engagiert hatten, oder die entsprechenden Paten eine Blume und eventuell einen passenden Text an dem Stolperstein ablegen und dies 48 Stunden später wieder abräumen, als eben die schon erwähnte "stille Geste des Gedenkens".

Karl Josef Scheuermann, dessen Witwe Gertrud und dessen Tochter Barbara Fätkenheuer zu der Veranstaltung gekommen waren, habe die ideelle Vorarbeit geleistet, der einstige Stadtarchivar Erich Langguth die Informationen zusammengetragen, "ohne die wir wohl nicht den Mut gehabt hätten, das Projekt 'Stolpersteine' in Wertheim zu initiieren", sagte Fauth. Er hatte zuvor den Lebenslauf von Sophie Brückheimer Revue passieren lassen und auch einige Bilder gezeigt.

Pionierleistung

Mit seiner Pionierleistung hat der frühere Oberbürgermeister nach Fauths Überzeugung zur "Überwindung der Schlussstrichmentalität" beigetragen. Mit den einstigen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und ihren Nachfahren sei Scheuermann nicht nur durch Besuche und Gegenbesuche verbunden gewesen. Er habe über viele Jahre auch in Personenstandsfragen, bei Fragen der Vermögenskontrolle oder der Wiedergutmachung Unterstützung geleistet.

Es sei belegt, dass so mancher ehemalige jüdische Mitbürger auch erst durch die, maßgeblich von Karl Josef Scheuermann betriebene Namensgebung des Gymnasiums nach Dietrich Bonhoeffer ermutigt gewesen sei, Wertheim zu besuchen.

Mit Ehrenbürger Helmut Schöler und seiner Ehefrau Christine, Erich Langguth und Dr. Hugo Eckert waren zur Gedenkstunde wichtige Weggefährten und Gesprächspartner des kürzlich verstorbenen Ehrenbürgers zu der Gedenkstunde gekommen.

Helmut Schöler berichtete unter anderem davon, wie Karl Josef Scheuermann als 17-Jähriger einmal mit einem selbstangefertigten und an den Mantel genähten "Judenstern" durch Wiesbaden gelaufen sei, nachdem er Zeuge von Misshandlungen jüdischer Mitbürger geworden war.

"Karl Josef Scheuermann ist unerschütterlich in seinen Überzeugungen gewesen", auch in den 1970er Jahren noch. Denn gegen sein Vorhaben, einstige jüdische Mitbürger in ihre alte Heimat einzuladen, habe es auch erhebliche Widerstände, nicht nur Zustimmung, gegeben.

Barbara Fätkenheuer erinnerte daran, dass ihr Vater dem Projekt "Stolpersteine" zunächst skeptisch gegenübergestanden habe, sich dann jedoch überzeugen ließ bis hin zu der Übernahme der Patenschaft für den Stein von Sophie Brückheimer.

Eine kleine "Kontroverse" unter den Anwesenden gab es darüber, ob die Steine bei der jeweiligen Geburtstagsaktion gereinigt werden sollten, wie Dr. Dieter Fauth dies vorgesehen hatte. Christine und Helmut Schöler sprachen sich im Prinzip dagegen aus und begründeten dies auch mit der jüdischen Friedhofskultur. Hier werde für Verstorbene ein Mal ein Stein gesetzt und der bleibe dann über die Jahrhunderte unverändert.

Die Tochter Karl Josef Scheuermanns wiederum meinte, gerade für die jüngere Generation werde der "Aufforderungscharakter", sich mit den Personen und deren Schicksalen zu beschäftigen, deutlicher, wenn man die Namen und Daten auf den Steinen wieder lesen könne.

Zumindest in dem Fall jetzt setzten sich die Befürworter der Reinigung der Stolpersteine durch. ek

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