Hofgarten. Vater Otto im Schlösschen im Hofgarten, Sohn Ulrich im Grafschaftsmuseum. "Seit 1984 sind wir Modersohn-Stadt", sagte Oberbürgermeister Stefan Mikulicz und hätte hinzufügen können, "seit diesem Wochenende mehr denn je". Wenige Stunden nach der Eröffnung der Ausstellung "Otto Modersohn - die 20er Jahre in Fischerhude" im Museum "Schlösschen im Hofgarten" startete im Grafschaftsmuseum die Retrospektive mit Werken seines im Zweiten Weltkrieg gefallenen Sohnes (siehe weiteren Artikel). Otto Modersohns Werk ist in Wertheim wohl bekannt, und doch schaffen es die Ausstellungsmacher immer wieder, neue Schwerpunkte zu setzen, Nuancen zu finden. Dieses Mal mit den Bildern, die zwischen 1916 und 1925 in Fischerhude entstanden, wohin Otto und seine dritte Frau, Louise Modersohn-Breling von Worpswede gezogen waren.
Schlicht in der Farbe
"Der Winter in Fischerhude ist mir lieber als der Sommer. Ich liebe das Nebelige, Verschwimmende", zitierte Museumsdirektor Dr. Jörg Paczkowski in seiner Einführung den Maler, der 1935 weiter geschrieben hatte, "das war der Reiz vieler Kompositionen, das ist meine persönliche Art. So sind in der Tat die besten Maler, schlicht in der Farbe, wie dezent, nie bunt. Die Franzosen malten ein Bild aus zwei Farben".
Dem Umzug nach Fischerhude folgten zahlreiche Reisen, rekapitulierte Paczkowski, darunter die nach Franken, die das Künstlerehepaar, zeitweise begleitet von den Söhnen Ulrich und Christian, auch nach Wertheim und Kreuzwertheim führten, wo sie nicht nur malten, sondern begannen, maltechnische Überlegungen und Theorien zu formulieren.
Ausführlich und chronologisch, gleichsam die Entwicklung des Künstlers aufzeigend, widmete sich Paczkowski den gezeigten Werken, von den querformatigen Darstellungen der Wiesen- und Wümmelandschaft, tonig und aus wenigen Farben, meist variiertem Grün, aufgebaut, oder den, um die gleiche Zeit etwa 1917 entstandenen, besonderen Winterbildern aus Fischerhude, in denen mit Weiß in allen Nuancen für Schnee und Rotbraun bei den Häusern nur zwei Farbwerte vorherrschen.
In den Häuserreihen sehe man, erklärte der Redner, bereits die für Modersohn so charakteristische "Verstaffelung", die ihn später auch bei seinen Wertheimer Ansichten und den Bildern aus der Allgäuer Bergwelt beschäftigte. Als "vermeintliche Zäsur im Werk" könne man die "Sommerliche Dorfstraße" empfinden. "Zu überraschend ist dieses Bild in seiner flächigen Auffassung und in seiner kräftigen und dunklen Farbigkeit sowie mit seinen verfestigten Formen." Auch die Art der Wiedergabe des Raumes und dessen Tiefenwirkung ohne eigentliche Perspektive erscheine für Modersohn zu diesem Zeitpunkt ziemlich ungewöhnlich.
Dass es das aber letztlich nicht war, sondern insbesondere eine neue Entwicklungsphase, machte Paczkowski mit Modersohns "Credo" deutlich, das dieser 1921 formuliert hatte: "Trotz Tiefenwirkung, den Flächencharakter betonen - im Gegensatz zum Naturalismus. Flächen und Formen bauen ein Bild auf." Nicht zuletzt hier näherte sich Otto Modersohn Paul Cézanne, dessen Werk für ihn einen besonderen Stellenwert gehabt hatte. Cézanne war auch ein Thema in Franken, wo Otto und seine Frau eine neue Landschaft und neue Künstlerfreunde kennenlernten.
"Im Norden unendliche Tiefe mit dem hohen Himmel und dem weiten Horizont. In der hügeligen Landschaft an Main und Tauber verschwindet der gerade Horizont. Es kommt zu Verschiebungen und Verstaffelungen", zitierte der Redner. Mit diesen Erfahrungen seien die Modersohns nach Fischerhude zurückgekehrt.
In den Bildern finde man nun "das Wechselspiel von rhythmisch-bewegten (Stämme, Äste, Blattwerk) und struktiv-geometrischen Formen (Häuser). Eine fruchtbare Wechselbeziehung zwischen den Erfahrungen und Diskussionen im Süden und dem Schaffen im Norden entstand".
Dunkle, satte, starke Farben hielten Einzug in Modersohns Werk, "die Formen werden äußerst reduziert, fast aufgelöst. Grandios ist die Darstellung des Wassers durch die Spiegelungen von Bäumen und Büschen in nahezu urtümlichen Formen", schwärmte der Referent.
Auf das Jahr 1925 datierte Paczkowski schließlich eine erneute Wendung im Schaffen des Künstlers: "Nach Würzburg, Wertheim, das Allgäu - man muss ja abstumpfen, wenn man immer am selben Ort malt - wie die in Worpswede".
Wertheim könne stolz sein, diesen berühmten Maler in seinen Mauern gehabt zu haben, betonte der Museumsleiter. ek
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