Tauberbischofsheim. Daniel Schmidt (46) ist psychisch krank - und das weiß er auch. "Meine Diagnose lautet manisch depressiv", sagt er in beinahe fachärztlicher Wortwahl. Mehrfach war er deshalb bereits in psychiatrischer Behandlung im Krankenhaus. Heute hat er die Krankheit durch die Einnahme von Medikamenten im Griff. Er lebt im ambulant betreuten Wohnen der VOP gemeinnützigen Gesellschaft für offene Psychiatrie (früher: Verein für offene Psychiatrie) und besucht regelmäßig deren Tagesstätte in Tauberbischofsheim.
Schmidts Krankheit drückt sich in manischen Phasen vor allem durch extrem verschwenderischen Konsum aus. Seine Bezugsperson Diplom-Sozialarbeiter Jürgen Groß von der VOP erklärt: "Während einer Manie haut er Geld raus ohne Ende." So kaufte er schon Autos, Quads, Roller auf Pump und schloss Kreditverträge ab. Dementsprechend war er hochverschuldet.
Krankheit machte vieles kaputt
Aufgewachsen ist Daniel Schmidt bei seinen Eltern auf einem Aussiedlerhof im südlichen Main-Tauber-Kreis und machte eine Ausbildung zum Landwirt. Eines Tages sollte er den Hof seines Vaters übernehmen. So zumindest der Plan. Doch dann kam die Krankheit: Schon als junger Mann gab Schmidt mehr Geld aus als er hatte. Und das obwohl seine Eltern auf jeden Pfennig achten mussten. "Auf unserem Hof durfte nichts kaputt gehen", veranschaulicht er wie knapp das Geld war. Durch diese Manie litt das Verhältnis zu seinen Eltern, vor allem das zu seinem sparsamen Vater.
Als klar war, dass Daniel Schmidt den Hof seines Vaters nicht übernehmen kann, versuchte er auf Koch umzuschulen. Doch auch das funktionierte nicht. Während der Umschulung fernab der Heimat stellte sich heraus, dass er auf längere Zeit nicht ohne Unterstützung leben kann.
So kam er 1993 ins betreute Wohnen in Tauberbischofsheim - damals noch unter der Regie von "Phönix", dem Förderverein für seelisch Kranke. Von nun an ging es mit Schmidt aufwärts. Er nahm sogar wieder Arbeit auf: Mehrere Jahre war er als Fahrer und Helfer in einem Gartencenter in Würzburg tätig. Das klappte so gut, dass er zwischenzeitlich noch einmal versuchte, alleine zu leben. Doch die Krankheit machte ihm erneut einen Strich durch die Rechnung. Die Manie zeigte sich wieder. 2003 musste er zur psychiatrischen Behandlung ins Krankenhaus und seine Arbeitsstelle in Würzburg aufgeben.
Glücklich im betreuten Wohnen
Nach dem fehlgeschlagenen Experiment auf eigenen Beinen zu stehen, zog Daniel Schmidt wieder ins ambulant betreute Wohnen in Tauberbischofsheim. Dort lebt er bis heute in einer ganz gewöhnlichen Wohnung. In der Dreier-WG mit zwei weiteren männlichen Mitbewohnern fühlt er sich pudelwohl: "Heute geht es mir gut, ich bin ausgeglichen und zufrieden", sagt er. Seine Bezugsperson Jürgen Groß ist einer der beiden Geschäftsführer des VOP und gleichzeitig sein Betreuer. Er unterstützt ihn, wenn er mal Hilfe braucht.
Die beiden kennen sich bereits seit 1993. Gerade als Daniel Schmidt ins ambulant betreute Wohnen nach Tauberbischofsheim zog, fing Jürgen Groß dort an zu arbeiten. Durch die lange gemeinsame Zeit haben sie ein sehr vertrauensvolles Verhältnis. Groß hilft Daniel Schmidt vor allem bei seinen Finanzgeschäften. Gemeinsam teilen sie etwa das Geld ein, das Daniel Schmidt zur Verfügung steht.
"Er merkt es, wenn ich Gefahr laufe, in eine Manie zu rutschen und spricht es an, wenn ich zu viel Geld ausgebe", sagt Schmidt und weiß, dass er sich auf seine Bezugsperson verlassen kann.
In seiner Freizeit kommt Daniel Schmidt regelmäßig zum Frühstück und zum Mittagessen in die VOP-Tagesstätte in der Nähe des Krankenhauses. Gedünsteten Fisch mag er allerdings nicht so sehr. "Lieber den mit dem Knuspermantel."
Aber auch wenn ihm das Essen an einem Tag mal nicht so schmeckt, sind ihm der Kontakt zu anderen Menschen und ein geregelter Tagesablauf sehr wichtig. "Ich bin einfach gerne hier", betont er.
Auf Medikament angewiesen
Arbeiten, wie das viele andere Besucher in der Tagesstätte tun, kann Schmidt nicht. "Mir liegen die Verpackungsarbeiten nicht, weil ich ein Grobmotoriker bin", sagt er und verrät die Ursachen: "Ich kann mich durch die Medikamente schlecht konzentrieren und habe oft Kopfschmerzen."
Doch auf die Medikamente ist er angewiesen. Sie bewahren ihn davor, in eine Manie zu rutschen. Er hat es zwar auch schon ohne Medikament versucht, doch das führte schnell zum Aufflammen der Manie und er musste wieder in die Psychiatrie.
Glücklicherweise musste er dort nun schon seit über dreieinhalb Jahre nicht mehr hin. Darauf ist er mächtig stolz.
Ein weiterer Erfolg, über den er sich sehr freut: "Ich bin heute schuldenfrei und lege sogar jeden Monat ein bisschen was auf die Seite." Und inzwischen hat er auch wieder ein gutes Verhältnis zu seinen Eltern.
Für die Zukunft wünscht sich Daniel Schmidt, dass alles so bleibt, wie es heute ist.
"Ich möchte in der VOP bleiben, hoffe, dass ich nie mehr in die Psychiatrie muss und vielleicht kann ich ja auch irgendwann mal wieder in der Tagesstätte arbeiten."
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