Der Lieblingsplatz von Hans-Georg Schmitt befindet sich in der Mühlwehrstraße. Zum Abschluss seiner Gästeführungen darf geknabbert werden.
Bad Mergentheim. Ein Gang durch die Mühlwehrstraße ist wie ein kleiner Gang durch die Bad Mergentheimer Stadtgeschichte. Der Bogen reicht vom schmiedeeisernen Wirtshausschild mit dem Kreuz des Deutschen Ordens am Eingang der Straße, über das imposante Barockgebäude St. Bernhard, wo sich einst der Wirtschaftshof der Schöntaler Zisterzienser-Abtei befand, bis hin zur Pestsäule und zu den Resten von Stadtmauer und Mühlwehrtor. Und da, wo sich die Mühlwehrstraße zu einem kleinen Platz weitet mit Brunnen, schönem Zierfachwerk und Ritterhaus, da ist der Lieblingsort von Gästeführer Hans-Georg Schmitt. Hier kann man verweilen, die historischen Häuserfassaden betrachten, dem plätschernden Brunnen lauschen und Passanten neugierig ins Auge fassen.
Und wenn dann ein leicht süßer Duft in die Nase steigt, dann ist Helmut Ehrler am Werk, der nach einem geheimen Rezept seines Großvaters Mergentheimer Schäferschipple backt. Das Kleingebäck mit fein gehackten Haselnusskernen und Schokolade gibt es seit Generationen im Café Ehrler und hat sich zum beliebten Mitbringsel unzähliger Gäste der Stadt gemausert. Auch der aus einer "alten" Mergentheimer Familie stammende Hans-Georg Schmitt genießt hier gerne einen Kaffee und knabbert an dem Traditionsgebäck. Dass er hier auch gerne den Abschluss seiner Stadtführungen bildet, ist nicht nur der historischen Umgebung mit Ausblicken in die Geschichte der Stadt zu verdanken, sondern ein bisschen auch dem schmackhaften Produkt aus Ehrlers Backstube.
Taufe nach 100 Jahren
Sicherlich hätte auch dem Schäfer Franz Gehrig das Naschzeug bei seinen einsamen Gängen mit der wolligen Schar rund um Mergentheim geschmeckt. Er hatte dank seiner Schafe 1826 die Wilhelmsquelle an der Tauber entdeckt und zeitweise im Gebäude neben dem Ehrlerhaus gewohnt. 1926, also 100 Jahre nach der Quellentdeckung, wurde das Kleingebäck in Erinnerung an den Schäfer Gehrig auf den Namen Mergentheimer Schäferschipple getauft, das der Konditor Josef Ehrler erfunden hat. Noch heute hängt über dem Eingang zur Backstube eine Schäferschippe, wie sie einst der Schäfer damals in Gebrauch hatte, erklärt Stadtführer Schmitt seinen Gästen.
Dass das Ehrlerhaus schon Jahrhunderte auf dem Buckel hat, sieht man ihm nicht unbedingt an. Es ist ein gepflegter Hingucker, ein nur noch selten vorhandenes Zeugnis eines Zierfachwerks aus dem 17. Jahrhundert, wie ihm bauhistorisch bescheinigt wird. Und daneben: ein ebenfalls beeindruckendes Fachwerkhaus mit Madonna und Jesuskind hoch über der Eingangstür, das so genannte Kneipp-Haus, das der Schäfer um 1820 gekauft hat.
Natürlich darf Hans-Georg Schmitt, wenn er mit seinen Gästen vor dem Kneipp-Haus steht, nicht den gleichnamigen Pfarrer vergessen. Denn der Wasserdoktor war hier Ende des 19. Jahrhunderts mehrfach zu Besuch beim Dr. Stützle, der ebenfalls auf die Wasserkuren als Linderungs- und Heilmittel schwor. Und natürlich darf am Ehrlerhaus nicht vergessen werden, von den süßen Schäferschipplen zu naschen, die den Gästen offeriert werden. "Sie wandern längst in alle Welt, wer sie nicht kennt, dem sei empfohlen, dass rasch ein Päckchen er bestellt", zitiert Schmitt aus dem Schäferschipple-Gedicht des Cafés.
Schon mal gehört?
Ob er es schon einmal gehört hat, das Klopfen da drüben im Ritterhaus? Nein, selbst in seiner Kindheit, als er mit den Nachbarsjungen in den Gassen unterwegs war und am Ritterhaus vorbeikam, ein Klopfen ist ihm nie zu Ohren gekommen. Und doch wird hartnäckig behauptet, dass das Klopferle in dem Renaissance-Gebäude mit dem Ritter hoch oben auf dem Giebel immer wieder sein Unwesen treibt, mit Hammerschlägen einen guten Weinherbst einläutet oder gar Schüsseln und Teller mit Gemüse im Keller umwirft. Gesehen hat es niemand, aber Hauptsache, es spukt in den Köpfen.
Stadtführer haben es nicht immer leicht. Auch davon kann Schmitt ein Lied singen. So hatte er einmal eine Schülerklasse im Schlepptau, die null Bock auf Mergentheimer Stadtgeschichte hatte. Und als sie am Schlosseingang standen, zählte Schmitt aus lauter Verzweiflung die Namen aller Kaiser und Könige auf, die einst in der Mergentheimer Residenz zu Gast waren. Und als dann nach König Adolf, König Wenzel und Kaiser Karl schließlich auch noch Kaiser Franz aufgezählt worden war, gab's ein lustiges Gegröle der Schüler mit den Worten: "Was? Der Beckenbauer war auch hier?" Eine Bemerkung, die Schmitt mit "Danke für Ihr Interesse" quittierte.
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