Bad Mergentheim. Die Energiewende in Deutschland ist ein riesiges Thema. Norbert Patzner (73) aus Bad Mergentheim hat sich intensiv mit ihr beschäftigt und etliche Fehler im System ausgemacht, die er in seinem 356-seitigen Buch "Mehr Energie wagen" beschreibt. Sein Plädoyer für eine erfolgreiche Energiewende lautet: globaler denken und handeln - und die immense deutsche Geld-umverteilungsmaschine EEG (Erneuerbare Energien-Gesetz) sofort abschaffen!
"Der Begriff 'Chaos', den Experten für die deutsche Energiewende verwenden, ist absolut zutreffend", schreibt Patzner in seinem Werk, das er seinen Enkeln widmet: "Erfolgreiche Lobbyisten haben uns eingeredet, Deutschland sei ein sonniges Land. Deshalb haben wir unsere Dächer und Felder mit Photovoltaik-Systemen vollgepflastert, bis die Bilanzen der Solarunternehmen sonnig waren. Andere erklärten: Deutschland sei ein windiges Land. Deshalb haben wir zig-tausende Windräder in die Landschaft gestellt. Das Ganze scheint eher eine windige Angelegenheit zu sein."
"Unsere Stromkosten sind die höchsten in den Industrieländern und gefährden unseren Wirtschaftsstandort", warnt Patzner und verweist auf Studien der Deutschen Bank, in denen die De-Industrialisierung (durch Abwanderung energieintensiver Unternehmen) und eine Rückkehr zum Agrarstaat thematisiert wird.
Norbert Patzner erzählt im FN-Gespräch, dass er vor 20 Jahren erstmals beruflich mit erneuerbaren Energien zu tun hatte. Als die Debatte um die Windenergienutzung auch Bad Mergentheim erreichte, habe er sich wieder verstärkt diesem Bereich zugewandt und sich schließlich auch mit Leserbriefen öffentlich eingeschaltet, weil ihm die technischen Fakten und die ideologischen Hintergründe viel zu kurz kamen.
Mit einem Vortrag im Mittelstandszentrum im Mai 2013 und dem Beitritt zur Bürgerinitative "Windwahn - Nein, danke" machte er seine Position bereits deutlich. Er entschied sich aber auch ein Buch zu schreiben, in dem er viele Informationen von Ministerien, Ämtern, der Wirtschaft, technischen Experten und anderen Gremien verarbeitet und analysiert.
"Die Energiewende ist ein globales Problem", betont Patzner und nimmt die hiesigen Windkraftgegner in Schutz vor den Vorwurf, sie würden nur nach dem Sankt-Florians-Prinzip agieren. "80 Prozent der Deutschen sind für die Energiewende - ich auch, aber sie muss richtig gemacht werden." Das EEG sorge für einen "gigantischen Etikettenschwindel", "denn die Marktteilnehmer bemühen sich vor allem um die Teilhabe an den Fördertöpfen". Die garantierten staatlichen Subventionen stünden im Vordergrund, technische Daten und Fakten über die Effizienz von Sonnen- und Windnutzung spielten keine Rolle!
"Es geht um viel, viel Geld", zieht Patzner sein Fazit und erklärt, dass es nichts bringe, hierzulande in Aktionismus zu verfallen, wenn Windkraftanlagen durchschnittlich pro Jahr nur 1600 von 8760 Stunden unter "Volllast" arbeiten und gar nur 800 Stunden von "voller Sonneneinstrahlung" gesprochen werden könne. Unterdessen gingen in China monatlich neue Kohlekraftwerke mit veralteter Technik ans Netz und an tausenden Bohrlöchern weltweit verbrennen Öl-Fackeln sinnlos das mitgeförderte Erdgas statt es zur Stromerzeugung zu nutzen.
"Deutschland allein kann das Klima nicht ändern und sollte daher nach grenzüberschreitenden Lösungen suchen." Solarkraftwerke in der Sahara seien ein großer Wurf, die Technik bereits in den USA, Spanien und den Vereinigten Arabischen Emiraten im Einsatz. Das Leitungsproblem nach Europa sei technisch lösbar, das politische Problem mit dem guten Willen aller Beteiligten ebenfalls. "Wüstenstrom" könnte im Wege der Hydrolyse in Wasserstoff bzw. in Methangas oder flüssige Energieträger umgewandelt und dann durch Pipelines transportiert werden. Hier müsste dringend in die Entwicklung investiert werden - "das würde sich langfristig rechnen!" In der Sahara gebe es zudem regelmäßig wehenden Wind, den Passat. Windparks in Nord- und Ostsee seien dazu nur eine kleine, denkbare Ergänzung.
Patzner ärgert sich, weil viele Politiker trotz unzähliger, warnender Artikel von Fachleuten unbeirrt auf den Windstrom und seine fehlende Grundlastfähigkeit (weil nicht immer verfügbar) setzen. "Dies führt in die Sackgasse. Teuer bezahlt von uns allen."
"Wir brauchen Anreize für die Entwicklung neuer Technologien (Kernfusion) und Speichermöglichkeiten", fordert Patzner und beklagt die fehlende Deckelung der Ausgaben beim EEG in Deutschland. Ob es wohl daran liege, dass der Staat, die Länder und Kommunen hier ordentlich mitverdienen? Weil sie Grundstücke zur Verfügung stellen für Windräder und Freiflächenphotovoltaikanlagen und dann Pacht kassieren, bezahlt von allen Bundesbürgern über die Stromrechnung. Eine gern angenommene neue Einnahmequelle, meint Patzner. Selbst die EFI-Expertenkommission der Bundesregierung habe im Frühjahr die rote Karte zum EEG gezückt.
"In meinem Buch vermeide ich schrille Töne, aber ich kritisiere und versuche gleichzeitig Zusammenhänge aufzuzeigen." Patzner widmet sich ideologischen Grundströmungen, beginnend bei der 68er-Generation, spricht über Ersatz-Religionen, apokalyptische Angstkulissen, moderne Technologien und drängt auf eine Ent-Ideologisierung und die "richtige Energiewende".
Zur Person
- Norbert Patzner, Jahrgang 1941, Studium der Elektrotechnik und Betriebswirtschaft an der Technischen Universität München. Abschluss zum Diplom-Ingenieur und Diplom-Wirtschafts-Ingenieur.
- Patzner lebt seit den 50er Jahren in Bad Mergentheim und hat lange auf umwelttechnischen Gebieten gearbeitet. Er ist Inhaber mehrerer Patente. Unter anderem hat er federführend an einem Forschungs- und Entwicklungsprojekt im Bereich Abwärmenutzung und solarer Kälteerzeugung mitgewirkt.
- Patzner ist Mitglied des Landesfachausschusses "Umwelt und Energie" der FDP Baden-Württemberg.
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