Würzburg. Als Wassertank dient eine grüne Tonne mit der Aufschrift "Urban Gardening". Eines der Hochbeete besteht aus alten Paletten und einem roten Bettlaken. Sogar ein verrostetes Mischpult wurde kurzerhand zu einem Beet umfunktioniert.
Die Würzburger Stadtindianer sind äußerst kreativ, wenn es darum geht, tristes Grau in Grün zu verwandeln. 15 Menschen - fast ausschließlich Frauen - machen mit. Als erstes Projekt hat sich das Team den Innenhof des Jugendkulturhauses Cairo ausgeguckt.
Man muss kein versierter Gärtner sein, um bei den Stadtindianern mitmachen zu können. Das Knowhow tragen die Aktivistinnen aus eigenem Erfahrungsschatz, Büchern und dem Internet zusammen. Das weltweite Netz dient auch der Organisation, so Stadtindianerin Cornelia Uhlig: "Wer da war und gegossen hat, der teilt das über Internet den anderen mit."
Tomaten statt Blumen
Statt rot blühender Rosen, gelber Tulpen oder anderer feiner Blumen wachsen im Garten der Stadtindianerinnen Pflücksalat und Erdbeeren, Tomaten, Stangenbohnen und Rucola. Kräuter wie Petersilie und Basilikum gedeihen an diesem Ort, wo sich junge Leute treffen, um Musik zu hören, sich an den Gerichten der veganen Volksküche zu laben oder miteinander Improtheater zu spielen.
Wie viel besser schmecken Tomaten vom Strauch als solche aus der Konservenbüchse! Davon sind alle Stadtindianerinnen fest überzeugt. Ihre Mission ist es, anderen Menschen vorzumachen, dass man auf kleinstem Raum, in dichtester Stadt und mit geringsten Mitteln Gesundes wachsen lassen kann.
Während in "echten" Gärten Rondells abgezirkelt werden, recyceln die Stadtindianerinnen alles Ausrangierte, das irgendwie bepflanzt werden kann. Alte Eimer oder Weinkisten zum Beispiel. Eine "essbare Stadt", in der an allen möglichen Stellen Gemüse und Obst wächst und von jedermann gepflückt werden kann, das ist die Vision von Stadtindianerin Claudia Gabel.
Für alle Menschen ohne Eigenheim, aber mit grünem Daumen wünscht sich ihre Mitstreiterin Angela Kleinfeld Mietergärten. Die könnten, so der große Wunsch der Gartenaktivistin, im neuen Stadtteil auf dem Hubland entstehen: "Zum Bespiel entlang eines Weges um ein Haus." Kleinfeld selbst erlebt, wie viel Freude es macht, etwas von eigener Hand Gepflanztes wachsen zu sehen.
Nicht zuletzt für Kinder sei es wichtig, zu erfahren, wie unterschiedlich Früchte, Gemüse und Kräuter schmecken: "Ganz besonders im Vergleich zu gekauften Lebensmitteln."
Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Versionen des Projekts "Urban Gardening". Alle haben miteinander gemein, dass es nicht um üppige Ernteerträge geht. Zum einen soll Gesundes gepflanzt werden. Zum anderen wird "Urban Gardening" als eine Möglichkeit gesehen, mit Menschen zusammen zu kommen, denen man sonst nie begegnet wäre. Dabei ist die Szene mehr und mehr dabei, sich auszudifferenzieren.
"Guerilla Gardening"
Beim "Guerilla Gardening" zum Beispiel werden, teilweise nachts, heimlich Gewächse aller Art als subtiles Mittel des politischen Protestes in der Stadt ausgesät oder angepflanzt. Es gibt interreligiöse Kräutergärten, interkulturelle und "nomadische" Gärten, Nachbarschafts-, Mieter- und Firmengärten sowie kleine Parks auf Stelzen.
In immer mehr Städten regt sich die neue Lust am Grün als Alternative zur industrialisierten Nahrungsmittelproduktion.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/rhein-main-neckar_artikel,-wuerzburg-gaertnern-fuer-die-essbare-stadt-_arid,498962.html