Walldürn/Hardheim/Höpfingen. Bei der Planung zur Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergie stehen derzeit beinahe täglich Entscheidungen an, die das Landschaftsbild für Jahrzehnte verändern werden. Ortschaftsräte, Gemeinderäte und die Versammlung des Gemeindeverwaltungsverbands Hardheim-Walldürn müssen dabei vielfältige Interessen gegeneinander abwägen und eine ganze Reihe von Eventualitäten berücksichtigen:
Warum sollen die Kriterien zur Ausweisung von Vorrangflächen zum jetzigen Zeitpunkt festgelegt werden?
Die kommunalen Planer gehen davon aus, dass der Teilregionalplan Windenergie des Regionalverbands Rhein-Neckar bis Jahresende verabschiedet wird. Parallel dazu soll der Flächennutzungsplan zur Ausweisung von Vorrangflächen für Windenergie des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Hardheim-Walldürn ausgearbeitet werden. Als Grundlage dafür benötigen die Planer Kriterien, anhand derer sie geeignete Flächen im Verbandsgebiet ausfindig machen können.
Ob der Teilregionalplan Windenergie tatsächlich bis Jahresende fertiggestellt werden kann, ist derzeit aber mehr als fraglich. "Ich weiß es nicht", beantwortet Christoph Trinemeier, Leitender Direktor des Verbands Region Rhein-Neckar, diese Frage. Aktuell befindet sich die Planung im Stadium der zweiten Offenlage und eine dritte Offenlage wird aller Voraussicht nach erforderlich. Denn, so Trinemeier: "Es gibt neue Erkenntnisse beim Artenschutz." Die entsprechenden Daten liefert derzeit die Landesanstalt für Umweltschutz in Karlsruhe.
Gibt es weitere Gründe für eine Verabschiedung des Flächennutzungsplans noch in 2016?
Ja. Erst vor Kurzem hat die Bundesregierung die Förderung der Windkraft eingeschränkt. Die reduzierten Fördersätze gelten ab 2017. Vor allem in Vorranggebieten mit einer Windhöffigkeit am unteren Ende der Rentabilitätsgrenze (5,5 Meter pro Sekunde in 140 Meter Höhe oder weniger) wäre dann der Bau von Windkraftanlagen womöglich nicht mehr lukrativ genug.
Wer dagegen noch im laufenden Jahr mit dem Bau beginnen kann, darf die aktuell attraktiveren Fördersätze in Anspruch nehmen. Würde beispielsweise der Bau der sechs geplanten Windkraftanlagen im Bereich "Kornberg/Dreimärker" (Hardheim/Höpfingen) erst 2017 beginnen können, wäre das Projekt für den Investor eventuell nicht mehr rentabel.
Wie wirkt sich die Absichtserklärung der neuen Landesregierung im Koalitionsvertrag aus?
Im Koalitionsvertrag hat Grün-Schwarz wenig Konkretes formuliert. Zur Windkraft heißt es in dem Papier lediglich: "Die Planungsträger vor Ort sind gehalten, eine eigenständige und gebietsbezogene Abwägung vorzunehmen. Dies gilt insbesondere für die Festlegung von Abständen zu Wohngebieten. Wir stellen sicher, dass die Planungsträger die Möglichkeiten nutzen können, im Rahmen der planerischen Abwägung zu Wohngebieten Abstände von 1000 Meter oder mehr rechtssicher festzulegen."
Was das genau bedeutet, weiß bisher niemand. Die kommunalen Planer vertreten deshalb den Standpunkt, dass sie jetzt auf der aktuell gültigen Grundlage entscheiden müssen und sich nicht auf bloße Ankündigungen verlassen können.
Der Verband Region Rhein-Neckar agiert deutlich zurückhaltender. "Wir wissen zurzeit nicht, was das heißt, auch auf Fachebene nicht", sagt Christoph Trinemeier. "Wir müssen abwarten. Ich wüsste nicht, wie wir das in unsere Planung einarbeiten sollen." Bis nach der Sommerpause will er zumindest die Ergebnisse der zweiten Offenlage in der Planung berücksichtigt haben und "mit einem Paket nach Stuttgart marschieren". Trinemeier: "Dann muss die Politik Farbe bekennen und sagen, wie es weitergeht."
Kann das zur Folge haben, dass der Kriterienkatalog abermals geändert werden muss?
Ja. Wenn die Landesregierung per Gesetz oder Erlass einen Abstand von 1000 Metern und mehr rechtssicher ermöglicht, dürfte auch der Verband Region Rhein-Neckar seinen Kriterienkatalog entsprechend anpassen. Will der GVV sich auch zukünftig am Teilregionalplan Windenergie orientieren, wird eine abermalige Änderung des eigenen Kriterienkatalogs für den Flächennutzungsplan notwendig. Das Prozedere, das derzeit in den Ortschaftsräten, Gemeinderäten und in der Verbandsversammlung durchlaufen wird, würde dann von vorne beginnen.
Kann der GVV für den Flächennutzungsplan andere Kriterien festlegen, als der Verband Region Rhein-Neckar für den Teilregionalplan?
Theoretisch ja. Der Teilregionalplan setzt gewissermaßen den Grundstandard. Alle Flächen, die in den Teilregionalplan aufgenommen werden, müssen auch im Flächennutzungsplan des GVV abgebildet sein. Der GVV darf also keine Kriterien festlegen, die am Ende weniger Vorrangflächen bedeuten. Die Kriterien des GVV dürfen jedoch dann abweichen, wenn dadurch im Verbandsgebiet mehr Windkraft möglich wird, als im Teilregionalplan vorgesehen.
Ein Beispiel: Stünden im Teilregionalplan 1000 Meter Mindestabstand von Windkraftanlangen zur Wohnbebauung, dürfte der GVV in seinem Flächennutzungsplan auch weniger Abstand festschreiben, weil dadurch der Windkraft mehr Raum eingeräumt würde.
Droht der oft zitierte "Wildwuchs", wenn der GVV die Festlegung seiner Kriterien aufschiebt?
Nein. Ohne klare Vorgabe der Landesregierung wird der Teilregionalplan Windenergie des Verbands Region Rhein-Neckar nicht verabschiedet. So lange gilt der alte Regionalplan Rhein-Neckar. Der Bau von Windkraftanlagen ist auf dessen Grundlage nur über ein Zielabweichungsverfahren möglich. Über dieses Verfahren kann das Regierungspräsidium Karlsruhe den Bau von bis zu drei Anlagen in einem begrenzten Bereich erlauben.
Der flächendeckende Bau von Windkraftanlagen ist über ein Zielabweichungsverfahren nicht möglich. "Die Kommunen können zwar ihre Flächennutzungspläne vorantreiben", sagt Christoph Trimemeier. "Die sind aber vorerst nur für die Schublade."
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