Krautheim. Als sich eine Ansammlung von Bürgern Krautheims Ende Februar das erste Mal im Johannitersaal trafen, um über die Asylbewerber in der Birkenallee zu sprechen, war die Stimmung angespannt. Anwohner fühlten sich bei der Entscheidung, Flüchtlinge im Wohngebiet Krautheim-Berg unterzubringen, übergangen.
Auf Kritik stieß das Vorhaben, 40 Menschen in einem Zweifamilienhaus unterzubringen. Viele sorgten sich, weil sie nicht wussten, wer die Menschen waren, die nun plötzlich ihre neuen Nachbarn werden sollten. Einige hatten Vorurteile. Bei der Informationsveranstaltung, die Bürgermeister Andreas Köhler zusammen mit zwei Beamten des Landratsamtes Künzelsau leitete, mussten sich letztere schwere Vorwürfe gefallen lassen.
Bei der Veranstaltung am vergangenen Montag waren die Asylbewerber, um die es geht, selbst dabei. Am 18. März waren 14 Flüchtlinge aus Syrien und Pakistan in die Birkenallee eingezogen. Der Andrang war nicht ganz so groß wie Ende Februar. Dafür war die Atmosphäre wesentlich harmonischer. Zunächst hatten die Asylbewerber zusammen mit dem Bürgermeister frontal vor den Anwohnern Platz genommen. Nach kurzer Zeit forderte Köhler dazu auf , einen Stuhlkreis zu bilden, was die Bürger befolgten. So entstand eine Gesprächsatmosphäre auf Augenhöhe.
Dazu trug bei, dass einige wichtige Forderungen der Anwohner mittlerweile erfüllt wurden. Eine Prüfung von Juristen des baden-württembergischen Gemeindetages hat ergeben, das ein Ausbau weiterer Räume in dem Gebäude oder im der Schreinerei im Innenhof eine baurechtliche Genehmigung erfordere. Zudem verkündete Köhler, dass er von Landrat Dr. Matthias Neth die Zusage habe, dass die Obergrenze von 40 Flüchtlingen auf 28 reduziert wurde. Bisher sei zudem kein Bedarf angemeldet worden, weitere Asylbewerber in Krautheim unterzubringen - was sich allerdings jederzeit ändern könne. "Wir sind auf einem guten Weg, zurück zur Normalität zu gelangen", sagte Köhler und appellierte an die Beteiligten, sich gegenseitig Achtung und Wertschätzung entgegenzubringen.
Nur gemeinnützige Arbeit
Anschließend stellte Ali Hassan aus Syrien sich selbst und die Asylbewerber vor, teils auf Deutsch, teils auf Englisch. Er selbst sei Lehrer und vor der Zwangsrekrutierung durch das syrische Militär aus Aleppo geflohen, berichtete der 22-Jährige. Unter seinen Mitbewohnern, die alle zwischen 20 und 40 Jahre alt sind, seien ehemalige Händler, Mechaniker, Elektriker und ein Matrose. In Deutschland dürfen die Asylbewerber während der ersten neun Monate ihres Aufenthaltes nur gemeinnützig arbeiten, 80 Stunden pro Monat für 1, 05 Euro pro Stunde. Die ersten fünf von ihnen haben bereits angefangen, im Eduard-Knoll-Wohnzentrum für Menschen mit Behinderung auszuhelfen. In nächster Zeit sollen einige von ihnen beim Bauhof arbeiten. Am 10. April wird ein Deutschkurs beginnen. Bis dahin gibt ihnen unter anderem Norman Weyrosta, Geschäftsführer des Eduard-Knoll-Wohnzentrums, notdürftigen Deutschunterricht, ebenso wie einige Anwohner. "Ihr seid gute Nachbarn", sagte Ali Hassan, "wir wollen für euch auch gute Nachbarn sein."
Die alteingesessenen Bewohner der Birkenalle zeigten sich beeindruckt von Hassans Deutsch- und Englischkenntnissen und von den Entbehrungen, die er und seine Leidensgenossen durchmachen mussten. Sie bestürmten den Bürgermeister mit Fragen, wie sie den Flüchtlingen helfen könnten. Mittlerweile wurden diesen von den Bürgern mehrere Fahrräder überlassen. Ein Koch bot an, ihnen bei der Zubereitung der ihnen eher unbekannten, europäischen Lebensmittel zu helfen.
Einige der Flüchtlinge haben am Fußballtraining des TSV Krautheim teilgenommen und könnten demnächst fest in der Reservemannschaft spielen, wie Vereinsvorsitzender Theo Deuser in Aussicht stellte.
Fenster noch nicht repariert
Zudem kritisierte eine Anwohnerin, dass das Landratsamt immer noch nicht für die Reparatur des Küchenfensters der Unterkunft, das Unbekannte Ende März einwarfen, gesorgt habe, ein Umstand, den Pfarrer Bernhard Metz als "beschämend" bezeichnete. Bürgermeister Köhler kündigte an, einen Schreiner mit der Reparatur zu beauftragen und dem Landratsamt die Rechnung vorzulegen.
Bitte um Kritik
Die Asylbewerber werden außerdem eine Liste mit Dingen erstellen, die sie benötigen. Ali Hassan zeigte sich dankbar für die Hilfsbereitschaft. Was er und seine Mitbewohner aber vor allem bräuchten, seien keine materiellen Dinge. "Wir sind hier in einem fremden Land. Bitte sagt uns sofort Bescheid, wenn wir uns falsch verhalten, ohne es zu wissen", appellierte er.
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