Leute im Land - Mit Hilfe der Haptografie werden kleine "Klons" von Personen hergestellt / Modernste 3D-Technik im Fotostudio der gebürtigen Hardheimerin

Ivonne Leuchs lässt Menschen "schrumpfen"

Von 
Ingrid Eirich-Schaab
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Die Haptografin Ivonne Leuchs mit einem ihrer lebensnahen Miniaturmodelle.

© FN

Hardheim. Ein Miniaturmodell von einem selbst? Haptografie macht das möglich. Sie verbindet künstlerisches Geschick mit modernster digitaler Spitzentechnologie. Ivonne Leuchs und ihre Partnerin lassen Leute "schrumpfen", wie sie ihre Technik selbst salopp bezeichnen. Sie kopieren Menschen als kleinen 3D-"Klon". Bei dem Livescanning entsteht ein originalgetreues, lebensechtes 3D-Miniatur-Porträt. Es handelt sich um individuelle Miniaturskulpturen aus Polymer-Gips, aufwendig gefertigt im 3D-Druckverfahren. Die einen bezeichnen es als "fühlbare Fotos", andere als "digitale Bildhauerei".

Miniaturmodell von einem selbst

Wie eine Spielzeugpuppe wirken die 15 bis 35 Zentimeter großen Figuren. Sie entstehen im Hamburger Stadtteil Ottensen im 3D-Fotostudio "Raum für Haptografie", das die gebürtige Hardheimerin 2014 eröffnet hat. Wem das zu weit entfernt ist, der kann sich in der kommenden Woche in Hardheim in der Herderstraße 9 solch eine personengetreue Ab- und Nachbildung von sich selbst oder Angehörigen im Miniaturformat erstellen lassen oder der Fotografin und Mediengestalterin bei der Arbeit über die Schulter blicken. Denn Ivonne Leuchs ist mit ihrer speziell entwickelten, hochmodernen Technik "on Tour" und kommt für einige Tage in ihre Heimatgemeinde im Erftal.

Nächste Woche in Hardheim

Wer sich selbst "schrumpfen" lassen will, muss einen Termin vereinbaren. Wer nur mal "reingucken" und sich informieren möchte, hat dazu von Montag, 2. März, bis Donnerstag, 5. März, jeweils von 18 bis 19.30 Uhr Gelegenheit.

Was passiert beim Livescanning, und wie geht das Ganze vor sich? Derjenige, von dem eine Portraitskulptur erstellt werden soll, braucht keine Angst vor langwierigen oder gar anstrengenden Prozeduren zu haben. Geradezu simpel und unspektakulär gegenüber dem hochmodernen Verfahren selbst mit neuestem Know-how muss der Proband lediglich etwa vier Minuten stillhalten und darf sich nicht bewegen.

Währenddessen erfasst die Haptografin mit ihrem mobilen Hightechscanner, der aussieht wie ein kleiner Handstaubsauger, das digitale 3D-Porträt in höchster Auflösung. Das Hightechgerät schießt 16 Bilder pro Sekunde. Selbst kleine Details werden erfasst.

"Der Kunde wird von Kopf bis Fuß mit dem Scanner in etwas Abstand zum Körper abgefahren. Das Gerät sendet dabei Lichtsignale (keine Laserstrahlen!) aus und überträgt die Daten direkt auf den Computer. Übrigens mit gesundheitlich unbedenklichen Lichtimpulsen", wie Ivonne Leuchs im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten betont. "Kinder unter sechs Jahren und Tiere können wir leider nicht scannen, weil sie nicht so lange stillhalten können", schränkt sie ein.

Hightech und Handarbeit

Danach beginnt die eigentliche Arbeit. Die Haptografin setzt die Scans computergestützt zum druckfähigen Modell zusammen, das schließlich mit hoch entwickelter Technik Schicht für Schicht seine dreidimensionale Gestalt erhält. "Aus diesen 3D-Scans, die aus Millionen von Polygonen - sogenannten Gitternetzen - bestehen, wird im Anschluss mittels spezieller Software ein druckfähiges Modell erstellt", schildert Ivonne Leuchs das weitere Vorgehen. "Danach senden wir die Datei an unseren Druck-Dienstleister, dessen 3D-Drucker die Figur Schicht für Schicht zur Skulptur aufbaut. Dafür werden ein spezielles Pulver, Farbe und Leim verwendet. So entsteht Voxel für Voxel ein kleiner Klon des Kunden." (Anmerkung: Unter Voxel versteht man in der Computergrafik einen Gitterpunkt in einem dreidimensionalen Gitter, entsprechend einem Pixel in einem 2D-Bild.)

Erstaunlich dabei ist die Detailtiefe, die anschließend sorgfältig per Hand in aufwendiger Nachbearbeitung der Rohscans noch filigran herausmodelliert wird. "Schon während meiner Ausbildung zur Fotografin Ende der 1980er Jahre hab' ich meine Fotos verfremdet. Dreidimensional wurde es aber erst 2004", schildert die gebürtige Hardheimerin im FN-Gespräch. "Durch meine Tätigkeit als Mediengestalterin wollte ich der digitalen Welt ein bisschen entfliehen und wieder mehr mit den Händen arbeiten. Zwei Jahre später hatte ich meine erste Ausstellung. Je öfter ich meine Bilder der Öffentlichkeit zugänglich machte, desto häufiger tauchte die Frage auf: 'Wie nennt sich denn diese Technik'. So musste möglichst schnell ein Name gefunden werden" (siehe nebenstehende Erläuterungen).

"2012 habe ich online von der Möglichkeit erfahren, Menschen mit einem 3D-Scanner einzuscannen und sie dann mit einem 3D-Drucker auszudrucken. Das faszinierte mich. Im Mai 2013 hab' ich mein Erspartes nicht in einen Kleinwagen investiert, sondern stattdessen einen Hightech 3D-Scanner gekauft. In Deutschland gab es zu diesem Zeitpunkt drei Anbieter. Bei einer Fotografin habe ich im August ein eintägiges Seminar besucht und danach hieß es 'Learning by doing'. Erfahrungswerte von anderem gab es kaum. Ich musste mich langsam herantasten, Prototypen anfertigen. Das war sehr anstrengend und hat mich oft Nerven gekostet, aber ich hab's geschafft!"

Learning by doing

20 Minuten hätten die Freunde in der Testphase noch stillstehen müssen. "Heute schaff' ich das in drei bis sechs Minuten." Die sehr aufwendige Nachbearbeitung in verschiedenen 3D-Programmen hat sich Ivonne Leuchs selbst beigebracht. "Diese ,digitale Bildhauerei' begeistert mich sehr und ich arbeite mit ganz viel Liebe zum Detail. Kaum ein anderer der wenigen weiteren Anbieter auf dem Markt macht sich die Mühe, die Haare - ein besonders schwieriges Thema für den 3D-Scan - zu ,kämmen' oder jede Hosenfalte auszuarbeiten. Dafür nehme ich mir aber die Zeit. Von solchen Details leben die Figuren", schwärmt die Abbildungskünstlerin.

Haptografie

Haptografie: Es handelt sich um "Fotografie in 3D". Das von Ivonne Leuchs und Annette Stifft erfundene Kunstwort setzt sich zusammen aus den beiden Begriffen "Haptik" (Wahrnehmung durch Berühren) und "Fotografie". "Ziel ist es, dreidimensional verfremdete Fotos zum Anfassen und dadurch erlebbar zu machen", so Ivonne Leuchs. Seit Dezember 2013 ist der Begriff "Haptografie" eine geschützte Wortmarke. Zunächst wurden dreidimensionale Bilder per Hand modelliert. Im März 2014 ging die Haptografie dann mit modernster 3D-Scan- und Drucktechnik in die zweite Runde. Mit dieser Weiterentwicklung der Fotografie rückt die Körpersprache des Portraitierten viel mehr als früher in den Fokus.

Ivonne Leuchs: Die gebürtige Hardheimerin (Jahrgang 1969) absolvierte zunächst von 1988 bis 1991 eine Ausbildung zur Fotografin in Sulzbach-Laufen. Von 1991 bis 1993 arbeitete sie als Gesellin im Fotografenhandwerk im Photoladen Ott in Buchen. Danach war sie bis 1995 freiberufliche Fotoassistentin. Weitere Stationen ihres Berufslebens: 1996 bis 1998 Ausbildung zur Mediengestalterin, 1999 bis 2007 DTP-Operator bei Werbeagenturen, seit 2007 freiberufliche Tätigkeit in den Bereichen Kunst, Grafik und Reinzeichnung. Bevor sie zum 3D-Scanner griff, brachte Ivonne Leuchs dreidimensionale Kunst per Hand mit Modellier- und Spachtelmasse auf Holz. Die Werke der Foto- und Abbildungskünstlerin waren schon in diversen Ausstellungen zu sehen.

Weitere künstlerische Betätigungen: Printerieur (seit 2009), das sind Designs von Wohnaccessoires, die zum individuellen Wohngefühl beitragen wie bedruckte, Möbel, Vorhänge, Bilder, Fußmatten und Kissen. Außerdem befasst sich Ivonne Leuchs mit "Reinzeichnungen", der grafisch-fotografischen Gestaltung von DVD und Umverpackungen, Anzeigen und Katalogen, Präsentationsmappen, Kalender, Logos, Pictogrammen, Layouts, Illustrationen und Zeichnungen.

3D-Druck: Beim Aufbau des Modells werden immer wieder eine hauchdünne Pulverschicht, Bindemittel und die Farbtinte aufgetragen. Nach dem Druckvorgang wird die Figur aus dem Pulverbett vorsichtig gelöst und vom umgebenden überschüssigen Pulver befreit. i.E.

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