Buchen. Gentechnik ist nach Ansicht der Wissenschaftlerin Dr. Angelika Hilbeck von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich "nicht kontrollierbar". Bei einer Vortragsveranstaltung des "Runden Tischs Gentechnikfreier Neckar-Odenwald-Kreis" am Freitagabend im Hotel "Prinz Carl" informierte sie über die Arbeitsweise von Konzernen wie Monsanto und über deren Art der Risikobeurteilung der von ihnen gentechnisch veränderten Organismen.
Nach der Begrüßung durch Organisatorin Amelie Pfeiffer wies Bürgermeister Roland Burger in seinem Grußwort darauf hin, dass 80 Prozent der Europäer Gentechnik ablehnen. Dagegen argumentierten die Konzerne damit, dass nur mit Gentechnik die Weltbevölkerung ernährt werden könne. Burger informierte darüber, dass der Gemeinderat der Stadt Buchen vor einigen Jahren einstimmig beschlossen habe, Grundstücke nur an Personen zu verpachten, die darauf keine gentechnisch veränderten Organismen anbauten.
Wie Dr. Angelika Hilbeck erläuterte, entfalle die große Mehrheit aller gentechnisch veränderten Pflanzen auf zwei Bereiche: Pflanzen, die gegen Insekten resistent sind, weil sie aufgrund ihres künstlich veränderten Genoms ein eigenes Insektizid produzierten; und Pflanzen, die Pflanzenschutzmitteln (Herbizide) gegenüber resistent seien.
Diese Gen-Veränderungen an Pflanzen können Konzerne durch Patente schützen lassen und damit Geld verdienen. Sie finden sich im wesentlichen bei Sojabohnen, Mais, Baumwolle und Raps. Diese Pflanzen würden wiederum überwiegend in sechs Ländern Nord- und Südamerikas angebaut.
"In Europa haben lediglich Spanien, Rumänien, Tschechien und die Slowakei den Anbau gentechnisch veränderter Organismen zugelassen. Die Gesamtanbaufläche gentechnisch veränderter Organismen liegt hier bei rund 95 000 Hektar, weltweit dagegen bei 1,34 Millionen Hektar", so die Referentin.
Dr. Angelika Hilbeck kritisierte vor allem die unzureichende Risikobeurteilung der gentechnisch veränderten Pflanzen durch die Hersteller-Konzerne. So würden diese zum Beispiel nach den Richtlinien für Pestizide getestet. Während die Chemikalien Insekten allerdings sofort töteten, reagiere die Pflanze erst nach Tagen. Auch dass andere Schädlinge die Nische der bekämpften Insekten besetzen würden, bleibe unberücksichtigt.
"So breiteten sich in China auf Feldern mit gentechnisch veränderter Baumwolle Wanzen und Blattflöhe aus. In den USA und Südafrika breiteten sich Schädlinge, die gegen das von den angebauten Pflanzen produzierte Insektengift resistent sind, immer mehr aus", betonte Hilbeck.
Bei gentechnisch veränderten Pflanzen, die gegen das vom selben Hersteller mitgelieferte Unkrautvernichtungsmittel resistent sind, bleibt nach den Worten von Dr. Hilbeck in der Risikobeurteilung das Herbizid außen vor. Dabei führe dieses oft dazu, dass sogenannte "Super-Unkräuter" entstünden, die mit dem Herbizid nicht bekämpft werden können.
Außerdem ließen sich Rückstände krankmachender Substanzen in den Pflanzen oder bei Tieren, die diese Futterpflanzen fressen, nachweisen - zum Beispiel das krebserregende Glyphosat. Das bekämpfte Unkraut sei außerdem oft Teil der Nahrungskette von Nützlingen. Gebe es das Unkraut nicht mehr, sterbe auch der Nützling aus. So sei zum Beispiel die Population des einst in den USA weit verbreiteten Monarch-Falters drastisch zurückgegangen.
"Hier gilt das Prinzip: Konzentrierung der Gewinne von Konzernen und Sozialisierung der Risiken", stellte Dr. Hilbeck am Ende ihres Vortrags fest. Sie sprach sich gegen eine "Industrialisierung der Landwirtschaft" aus. mb
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