Buchen. Mit einer kleinen Schaufel und einem Metallstab wühlt ein Mann in dem von Laub bedeckten Waldboden. Eine kleine blaue Fahne zeigt ihm die Stelle an, wo er graben soll. Dann beendet er für einen Moment seine Arbeit, legt die Geräte beiseite und fast mit der Hand in das Erdloch, welches mittlerweile entstanden ist. "Sehr gut, Glas", sagt er, während er ein kleines Stückchen aufhebt.
Das Stück Glas könnte von den Instrumenten eines Cockpits sein, vielleicht aber auch aus dem Helm des Piloten. Sicher ist, dass es ein Überbleibsel aus der Zeit des Zweiten Weltkrieg ist, genauer gesagt, eines amerikanischen Flugzeugs, welches 1944 in einem Wald nahe des Stadtteils Hettigenbeuern abstürzte.
Genau dieses Ereignis ist der Grund, warum in dieser Woche eine Gruppe aus amerikanischen Militärs, Archäologen, Fotografen, Munitionsspezialisten und Historikern das Waldgebiet durchstreift. Sie gehören "JPAC" an, einer Dienststelle der Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Sie macht vermisste Soldaten ausfindig oder identifiziert sterbliche Überreste an Kriegsschauplätzen. Eine Aufgabe, die "eine große Verantwortung mit sich bringt. Verantwortung gegenüber den Hinterbliebenen und gegenüber den Schicksalen der Opfer", so Dolmetscher und Luftkriegsforscher Ernst Eberle über den Auftrag der acht Amerikaner.
Sie bilden einen Erkundungstrupp. Auf Basis von Informationen von Heimatforschern und Historikern aus den jeweiligen Ländern machen sie sich auf die Suche nach Spuren, welche von den Kriegen der Amerikaner zeugen.
In diesem Fall brachte ein Hinweis eines Stuttgarter Historikers die Gruppe nach Buchen. 1944 sollen zwei Flugzeuge in der Luft kollidiert sein. Eines davon stürzte in dem Waldstück ab. "Das Absturzdatum ist in die Rinde eingeritzt", sagt Dr. Robyn Rodriguez, wissenschaftliche Leiterin der Aktion, während sie auf einen Baum nahe des Grabungsorts zeigt.
Diese Markierung ist nicht der einzige Hinweis auf den Absturz. Eine Mulde im Erdboden lässt sich heute noch als die Stelle identifizieren, an der das Flugzeug einschlug. Dazu kommen viele kleine Teile, welche der Trupp des JPAC bei seiner Arbeit ausfindig macht.
Eine Arbeit, die "spannend ist, aber auch anstrengend", erklärt Terry Hunter, der "Analyst", der für die Erstellung eines Lageberichts zuständig ist. Dazu gehört nämlich weit mehr, als einfach nur die Schaufel in die Hand zu nehmen und zu buddeln. Es müssen Nachforschungen angestellt, Gespräche mit Zeitzeugen geführt und Hinweise überprüft werden.
Die Überreste findet man jedoch nur beim Graben. Das läuft folgendermaßen ab: Voraus geht ein Mann mit einem Metalldetektor. Mit einem akustischen Signal lässt das Gerät den Suchtrupp wissen, dass an dieser Stelle ein Stück vergraben sein könnte. Mit einer blauen Fahne wird der Ort markiert. Der restliche Suchtrupp ist damit beschäftigt, mit Schaufeln und Metallstäben, sogenannten "Pinpointern" - also kleineren Detektoren - nachzugraben.
Fundstücke werden dagelassen
Stößt tatsächlich jemand auf ein interessantes Teil, so wird das Fundstück kurz inspiziert und gut sichtbar an die kleine blaue Fahne zurückgelegt. "Mitgenommen wird gar nichts", erklärt Eberle. Das sei ein weiterer Arbeitsschritt, mit dem der Erkundungstrupp nichts zu tun habe. Auf Grundlage des Berichts von "Analyst" Hunter entscheidet eine höhere Führungsebene des JPAC, ob ein Bergungstrupp in das Gebiet entsendet wird oder nicht. "Dieser besteht aus zehn bis 15 Personen und leistet rein archäologische Arbeit", so Eberle. Das bedeute im Grunde, dass die untersuchte Erdmasse gesiebt wird.
Der Optimalfall: "Menschliche Überreste oder Teile, die unmittelbar mit dem Körper eines Menschen in Verbindung standen, tauchen auf." Anhand derer könnten Anthropologen die Identität der Personen feststellen.
Diese Fundstücke sind es auch, die für die Angehörigen einen unschätzbaren Wert darstellen. Sie haben damit Anrecht auf eine Beerdigung ihres Verwandten auf einem Nationalfriedhof in Amerika oder einem Soldatenfriedhof in Europa.
Gerade die Hinterbliebenen seien es, auf die man bei der Arbeit besondere Rücksicht nehmen müsse. "Manchmal bekommen die Familien mit, dass nach Angehörigen gesucht wird. Das erhöht den Druck auf die Arbeit. Gleichzeitig werden Erwartungen geweckt, die entweder erst nach Jahren oder gar nicht erfüllt werden können", gibt Eberle zu bedenken.
Ihre Arbeit in Buchen ist im Vergleich zu anderen Aufträgen nicht so kompliziert. "Manchmal kann es gefährlich sein, wenn man zum Beispiel im Gebirge unterwegs ist", nennt Hunter ein Beispiel. Eine gefährliche Situation ist ihm auch noch gut in Erinnerung. "Einmal sind wir im Saarland auf Phosphorgranaten gestoßen."
Gute Zusammenarbeit
Egal ob in Südostasien oder in Europa - überall sei eine gute Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden Gold wert. "Die war auch in Buchen sehr gut", lobte Dr. Robyn Rodriguez.
Bis zum 15. Mai ist der Erkundungstrupp noch mit Ausgrabungen in Deutschland beschäftigt. Dann geht an anderen Orten der Erde weiter.
Arbeit gibt es noch überall dort, wo amerikanische Soldaten in den Wirren des Zweiten Weltkrieg verschollen sind - in Europa, Südostasien, im Pazifik. 70 000 werden noch vermisst.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/buchen_artikel,-buchen-funde-zeugen-von-den-wirren-des-kriegs-_arid,781088.html