184. Buchener Schützenmarkt - Freizeitlärm-Richtlinie muss nach Beschwerde eines Anwohners eingehalten werden

Feierlaune wird abrupt beendet

Von 
Martin Bernhard
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Ausgelassen feiern im Festzelt geht beim diesjährigen Schützenmarkt (von zwei Ausnahmen abgesehen) nur noch bis Mitternacht. Dann greift die Freizeitlärm-Verordnung und es ist "Schluss mit lustig". Das Bild entstand im vergangenen Jahr.

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Buchen. Laute Buh-Rufe ertönten, als der Ansager der Musikband dem begeisterten Publikum mitteilte, dass man jetzt aufhören müsse. Das war am Sonntag, kurz nach Mitternacht. Die ausgelassene Stimmung, die bis dahin noch geherrscht hatte, endete abrupt. Zu verdanken hatten das die Festbesucher, Gastronomen und Marktbeschicker der Freizeitlärm-Verordnung, die in der 184-jährigen Geschichte des Schützenmarkts erstmals angewendet wird.

Man fühlt sich an den Dichter Friedrich Schiller erinnert, der in seinem "Wilhelm Tell" schrieb: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt". Auch Wilhelm Busch würde gut zur Situation auf dem Schützenmarkt passen: "Musik wird oft nicht schön empfunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden."

Nachbar, Musik, Geräusch: Behördenvertreter und Juristen nennen das "Anlieger" und "Emission". Die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LfU) definiert präzise: "Lärm ist unerwünschter Schall, der psychisch, physisch, sozial oder ökonomisch beeinträchtigen kann. Als physikalische Einwirkung ist Lärm objektiv erfassbar, doch prägt sich seine Wahrnehmung individuell aus."

Ein Anlieger des Festplatzes hat sich beschwert, weil er die Emissionen des Schützenmarkts individuell anders wahrnimmt als die große Mehrheit der Buchener und Festbesucher. Musik wird für ihn deshalb zum Lärm, Jahrmarktstrubel zur gesundheitsgefährdenden Beeinträchtigung. Die magische Grenze, wo objektiv gesehen aus einem Geräusch Lärm wird, liegt nach der Freizeitlärm-Verordnung bei 65, in der Spitze der Belastung bei 75 Dezibel. Nach einer Schallwerttabelle der LfU erzeugt ein Rasenmäher 70 Dezibel Schall, ein Pkw 80 Dezibel, wenn dieser mit einer Geschwindigkeit von 50 Stundenkilometern in einem Meter Abstand an einem vorbeifährt. Wer würde sich nicht beschweren, wenn vor dem Schlafzimmerfenster der Nachbar zehn Tage lang abends und nachts mit seinem Rasenmäher vorbeifahren würde?

Schützenmarkt und ein neurotischer, rasenmähender Nachbar: ein schlechter Vergleich. Zumal sich in 184 Jahren Schützenmarkt keiner daran gestört zu haben scheint.

"Wo kein Kläger, da kein Richter", sagt Peter Fieger vom Landratsamt des Neckar-Odenwald-Kreises hierzu. Doch da sich dieses Jahr ein Betroffener beschwert habe, müsse man die gesetzlichen Richtlinien zum Lärm- und Emmissionsschutz sowie der Gaststättenverordnung durchsetzen. Schützen, Behördenvertreter und Beschwerdeführer setzten sich zusammen und einigten sich, wie Fieger betont, auf "eine einvernehmliche Regelung". So spielen die Fahrgeschäfte ab 22 Uhr keine Musik mehr, ab spätestens 23 Uhr stellen sie den Betrieb ein. Im Festzelt ist ab 24 Uhr Schluss. Zwei Ausnahmen wurden zugelassen: Am Freitag vor der offiziellen Eröffnung und am letzten Festsamstag ist auch von 0 bis 3 Uhr ein Schallpegel von maximal 75 Dezibel erlaubt.

Zehntägige Reise abgelehnt

"Da geht der Markt kaputt", befürchtet Marktmeister Frank Helm. "Die Jugend, die das Geld bringt, geht erst spätabends auf den Markt." Zu einer Zeit also, da dieser allmählich schließt.

Festwirt Steffen Steinbach will sich zunächst nicht zur Sache äußern. "Wir müssen uns nach dem Markt zusammensetzen und besprechen, wie es weitergehen soll", sagt er dann aber doch. Die Gäste hätten kein Verständnis dafür, dass ab Mitternacht im Zelt Schluss sei. "Doch der Schützenmarkt ist und bleibt ein gutes Fest", betont Steinbach. Das zeige jetzt schon die Menge des verkauften Bieres. Wenig Verständnis hat der Wirt für die Vorgehensweise des Beschwerdeführers. Hin und wieder trinke dieser mittags ein Bier im Festzelt. Er habe sich aber nie beim Festwirt über Lärmbelästigung beklagt.

Lolo Haas vom Autoscooter bleibt gelassen: "Unter der Woche macht uns das kaum was aus." Um 22 Uhr schalte sie vorschriftsmäßig die Musik aus, ab 22.30 Uhr sei werktags sowieso nicht mehr viel los. "Aber am Wochenende ist es bitter, weil die Leute erst spät ausgehen."

Originell, aber nicht zielführend, war die Idee, den Beschwerdeführer zehn Tage lang in Urlaub zu schicken. Die Schützengesellschaft bot an, ihm diese Reise zu finanzieren. Doch der Pensionär lehnte ab.

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