Waldkindergarten Dertingen - Offiziellen Start mit einem "Waldfest" begangen / Verantwortliche berichten über einige Besonderheiten der Einrichtung

Ein idealer Ort für "Draußenkinder"

Von 
Birger-Daniel Grein
Lesedauer: 

Für "Draußenkinder" ideal: Der Waldkindergarten Dertingen bietet den von ihm betreuten Mädchen und Jungen "echte" Naturerlebnisse.

© Birger-Daniel Grein

Dertingen. Mit einem Fest feierte der Waldkindergarten Dertingen am Sonntag seinen offiziellen Start. Seit dem 3. März diesen Jahres ist die Einrichtung in Betrieb. Zuvor mussten allerdings viele Hürden gemeistert werden (wir berichteten mehrfach). Auch diesen Erfolg feierte man mit dem "Waldfest", das auf der Kindergartenwiese am "Kümmelberg" stattfand (siehe dazu auch weiteren Bericht).

Im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten blickten Mareike Ehrlitzer, Vorsitzende des Trägervereins Naturkinder Dertingen, und Christof Amann, Schriftführer des Vereins, auf die Zeit von der Idee bis zum Start zurück. Die Vereinsgründung sei im Dezember 2012 erfolgt. Damals hatte man noch geplant den Betrieb im September 2013 zu starten.

Aus verschiedenen Gründen verzögerte sich die Eröffnung jedoch. So sei das zuerst vorgesehene Grundstück ungeeignet gewesen, da dort Gefahren durch die gespritzten Weinberge in der Nähe und durch landwirtschaftlichen Verkehr bestand. Außerdem verzögerte die Umsetzung von baurechtliche Vorschriften den Start.

Beim Grundstück hatte man Glück. Dem Verein wurde von Klaus Götz kostenlos eine Wiese am "Kümmelberg" zur Verfügung gestellt, und Joachim Hettinger erklärte sich bereit, sein daneben liegendes Waldstück ebenfalls kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Darüber zeigten sich die beiden Vorstandsmitglieder sehr dankbar.

"Bei der neuen Fläche ist auch die Anfahrt für die Eltern leichter und die Wiese liegt sonniger. Außerdem können wir die Toilette der ,Kümmelberghütte' mitbenutzen", erklärte Amann.

Die Kinder halten sich die meiste Zeit auf der Wiese oder im angrenzenden Wald auf. Für schlechte Witterungsverhältnisse und zum Aufwärmen steht ein beheizbarer Bauwagen bereit. Neben den Toiletten in der Hütte hat der Kindergarten eine "Pinkelstelle" im Wald, "eine Art Donnerbalken", wie Ehrlitzer erklärt. Daneben besteht auch die Möglichkeit, sich mit frischem Wasser und Seife die Hände zu waschen. Ein Kanister mit Hahn dient dabei als Wasserquelle.

Insgesamt können zehn Kinder zwischen drei und sechs Jahren betreut werden, aktuell sind es sieben. "Ab September sind aber alle Plätze belegt, und es haben sich bereits Eltern um Plätze beworben, deren Kinder gerade geboren wurden", freute sie sich über den Erfolg. "Wir mussten sogar schon Interessenten absagen."

Zwei Kräfte kümmern sich um die Kinder. Neben Leiterin und Erzieherin Ramona Hock ist es aktuell Franziska Hupp, die ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. "Wenn eine Kraft ausfällt, springen Eltern mit ein und helfen, die Kinder zu betreuen." Auch sonst packen die Eltern kräftig mit an. Sei es im Verein, bei der Betreuung und Begleitung von Ausflügen oder bei Bau- und Reparaturarbeiten. "Wir sind eine Elterninitiative, da dürfen und sollen die Eltern mit anpacken", so Ehrlitzer.

Die Einrichtung finanziert sich neben den Elternbeiträgen und Spenden aus Landeszuschüssen. "Diese FAG-Mittel erhält jeder Kindergarten", so die Verantwortlichen. Hinzu komme ein freiwilliger jährlicher Zuschuss der Stadt Wertheim, den auch der andere Waldkindergarten in Waldenhausen in gleicher Höhe erhalte.

Leiterin Ramona Hock berichtete den FN über den Tagesablauf der Kinder. Man habe von Montag bis Freitag von acht bis 14 Uhr geöffnet. "Wie alle Kindergärten haben wir 32 Schließungstage, die wir gemeinsam mit den Eltern für das Kindergartenjahr festlegen."

Zwischen acht und neun Uhr bringen die Eltern ihre Kinder zur Obstwiese. "Dort sind sie auch eingeladen zu verweilen und Zeit mit uns und den Kindern zu verbringen. Das Gleiche gilt für die Abholzeit von 13 bis 14 Uhr." Es sei ein Angebot, das gerne genutzt werde. "Das genießen alle, denn wir leben und lieben das Miteinander."

Um neun Uhr trifft man sich am "Waldsofa", einer Art Kranz, den die Kinder aus gesammelten Stöcken selbst gebaut haben, zum Morgenkreis. Dort wird zum Beispiel gemeinsam gesungen, Theater gespielt oder es werden Gedichte gelernt.

Nach dem gemeinsamen Frühstück folgt die Freispielzeit im Wald. Dort kommt das Besondere des Waldkindergartens deutlich zum Tragen. "Mit unserem Konzept wollen wir dazu beitragen, dass Kinder sich in der Natur bewegen, forschen und die Welt mit allen Sinnen entdecken und erleben", so Hock. Die Kinder spürten in der Natur mit allen Sinnen, was es heißt, auf der Welt zu sein. Sie berichtete auch von den Spielen der Kinder. So würde eine Grube zur Schlucht und Stöcke zur Brücke darüber. Das andere Mal ist die Grube beispielsweise ein Fluss und die Stöcke darin gefräßige Krokodile.

Vorgefertigtes Spielzeug hingegen habe man kaum im Einsatz. Verwendung finden aber Bastelmaterialien. So bastelt sich zum Beispiel jedes Kind von Anfang an ein Naturtagebuch, in das Erlebnisse aus dem Wald geschrieben und gemalt werden.

Die Kinder können in der Freispielzeit selbst zwischen Bewegung und Ruhe wechseln. "Es gibt aber auch angeleitete Phasen wie Bewegungsspiele oder Ruhephasen mit Massagen und Baummeditation."

Am Ende des Kindergartentages seien das Vorlesen, aber auch Spiele auf der Wiese beliebt, außerdem das gemeinsame Mittagessen.

Das Konzept kommt auch bei den Eltern sehr gut an. "Uns interessiert die Naturpädagogik", erklärte Richard Ries, dessen fünfjähriger Sohn Laszlo in den Waldkindergarten geht. "Laszlo sagt immer selbst, er sei ein ,Draußenkind'. Deshalb fühlt er sich hier richtig wohl." Außerdem weckte der Waldkindergarten seine Bewegungsfreude, und seine Motorik wird geschult. Ries gefällt auch die kleine Gruppe und, dass man als Eltern direkt mitwirken könne. Für die Zukunft wünschte er der Einrichtung, dass die Entwicklung weiter so erfolgreich verläuft. Auch seine dreijährige Tochter möchte er dort betreuen lassen.

Einmalig, spannend und herausfordernd

Dertingen. Trotz des verregneten Wetters waren viele Eltern und Kinder auf den "Kümmelberg" in Dertingen gekommen, um gemeinsam die Eröffnung des Waldkindergartens des Vereins Naturkinder Dertingen zu feiern.

Die Leiterin und Erzieherin der Einrichtung, Ramona Hock, freute sich über das rege Interesse. "Der Regen gehört zum Gleichgewicht der Natur", stellte sie fest. "Genauso soll auch der Waldkindergarten ein Angebot darstellen, das zum Gleichgewicht zwischen den verschiedenen pädagogischen Angeboten beiträgt."

Dank sprach Ramona Hock allen aus, die den Verein und dessen Kindergarten unterstützen und den Beteiligten den Rücken gestärkt haben.

Im Anschluss trugen die Mädchen und Jungen in einem Lied vor, was ihnen am Wald besonders gefällt. Ihren Gesang begleiteten sie mit Schlaginstrumenten aus Stöcken.

Georg Weidauer, Kassierer im Verein, verlas das Grußwort von Ingrid Miklitz, der Vorsitzenden des Landesverbandes der Wald- und Naturkindergärten in Baden-Württemberg. Darin überbrachte Miklitz die Grüße und guten Wünsche des Landesverbandes für die Eröffnung des Waldkindergartens in Dertingen.

Überzeugungsarbeit geleistet

"Vor 15 Jahren gehörten Waldkindergärten in Deutschland noch zu den Exoten in der Kindergartenlandschaft." So hätten damals alle Beteiligten viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. "Warum schickst du denn dein Kind in einen Waldkindergarten?" Diese Frage wurde zur damaligen Zeit vielen Eltern gestellt. Wer sein Kind nun im Naturraum erleben wird, wie sie, liebe Eltern, ist um eine überzeugende Antwort nicht verlegen", heißt es weiter im Grußwort.

So würden Pisa-Studie und neue neurologische Untersuchungen eindeutig die positiven Einflüsse einer "sinnen-reichen" Umgebung belegen. "Wir brauchen Kinder, deren Entdeckerlust und Neugierverhalten die Kindergartenzeit überdauert. Natur ist jeden Tag aufs Neue einmalig, spannend und herausfordernd. Wir brauchen Wald- und Naturkindergärten", heißt es abschließend.

Lob hatte ingrid Miklitz für die Menschen in Dertingen die einen Wunsch Wirklichkeit werden ließen.

Während sich die Erwachsenen bei Kaffee und Kuchen stärkten, gab es für die jüngeren und älteren Kindern einiges im Wald zu entdecken. So konnte man an einer Station aus Baumscheiben, Nägeln und einer Murmel ein Klangspiel herstellen.

Außerdem bestand beim "Waldfest" die Möglichkeit, selbst Kresse zu säen oder mit Farben, die man aus Erde herstellte, zu malen. Außerdem galt es, im Wald verschiedene Gegenstände zu finden, die dort nicht hingehören. bdg

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten