Creglingen. Dmitri Subow versteht es meisterhaft, die aus sieben Musikern bestehenden Minsker Kammersolisten mit Bewegungen des Kopfes und des ganzen Körpers - die Arme und Hände sind ja anderweitig beschäftigt - vom zerbrechlich wirkenden Cembalo aus zu dirigieren. Dirigat ist bei diesen Einzelkönnern an ihren Instrumenten auch nur zurückhaltend nötig. Das rein Technische scheinen sie ja mühelos zu beherrschen, auch Einsätze brauchen sie nicht.
So muss sie wohl geklungen haben, die Kammermusik in der Barockzeit. Jedes einzelne Instrument - Geige, Bratsche, Cello, Flöte - tritt individuell hervor, immer begleitet von den Zupfakkorden des Cembalos. Und das streng und einem Metronom gleich.
Unsere heutigen Ohren sind am ausladenden Klang des Hammerklaviers geschult und dessen Möglichkeit, per Pedal die Töne lange nachklingen zu lassen. Diese Möglichkeit fehlt dem Cembalo, da können Töne nicht lange nachhallen, denn die Saiten werden nur gezupft. So entsteht eine Musikwelt mit ihrem eigenen sonderbaren Reiz. Das ist keine Musik, die überwältigt, sie ist gemacht für den analytischen Genuss. Wohlklang ist dennoch angestrebt und wird auch erzeugt.
In der Suite e-Moll erlaubt Johann Bernhard Bach den beiden Geigen abwechselnd sich in den Vordergrund zu spielen, ohne der Bratsche oder den beiden Celli die Aufmerksamkeit des Zuhörers zu entziehen. Johann Bernhard, ein Vetter des großen Johann Sebastian. Auch er Organist. In Eisenach. Die anderen drei Bach-Komponisten des Abends im Romschloss waren Söhne Johann Sebastians.
Die Triosonate für Flöte, Violine und Basso continuo des alle überragenden Meisters. Er ist das Maß aller Barockmusik in Deutschland. Einen Wettkampf, so scheint es, liefern sich Flöte und Geige um die Gunst des Zuhörers. Satz und Sieg für die Flöte in den ersten beiden Sätzen, Geige darf den dritten dominieren, bis im Presto alle gleichwertig neben- und miteinander brillieren.
Unterschiedliche Charaktere
Das Programm hat Subow so gestaltet, dass sowohl vor wie nach der Pause je drei vollständige Werke aus einer Bach-Feder vorgestellt werden, und in beiden Hälften ordnet sich je einer vor und einer nach dem Zentrum Johann Sebastian an. Der große Meister steht beide Male in der Mitte, im Mittelpunkt.
So schließt denn auch der erste Teil des Konzerts mit einer Sonata für zwei Violinen von Carl Philipp Emanuel Bach, einem Sohn Johann Sebastians. Man nennt ihn auch den "Berliner" oder "Hamburger Bach". Seine Sonata hat dieser als Dialog zweier unterschiedlicher Charaktere gestaltet: In den ersten beiden Sätzen streiten sie sich, bevor sie sich im abschließenden Allegro einigen und zu Freunden werden.
Nicht nur die Spielweise der beiden Geiger, auch ihre Instrumente machen die gegensätzlichen "Charaktere" sinnenfällig: Elena Maltsewas Geige hell und heiter, lädt ihr melancholisches Gegenüber zum unbeschwerten Tanz ein in einer gestochen scharfen und exakten Spielweise auf der einen Seite, Oleg Jatsynas Violine dagegen eher dunkel mit sehr viel Vibrato auf der anderen. Der "Mailänder" oder "Londoner Bach" Johann Christian eröffnete folgerichtig den zweiten Teil des Konzertabends. Auch ohne zu wissen, dass dieser andere Sohn JSBs mit Mozart befreundet war, hört man aus seinem Quintett für Flöte, zwei Violinen, Bratsche und basso continuo schon das Ende der Barockmusik heraus. Das Geniezeitalter zieht herauf. "Das hört sich tatsächlich wie Mozart an. Jetzt sind wir in einer anderen Welt," kommentiert eine Zuhörerin.
Meisterin ihres Fachs
Ein Musikstück für Flöte. Nein, keine Blockflöte, auch wenn sie aus Holz ist. Auch keine silberglänzende Querflöte, wie wir sie gewohnt sind. Und dennoch eine Flöte, eine Traversflöte, gespielt in gleicher Haltung wie eine Querflöte. Ohne Klappen. Friedrich der Große spielte sie, Adolph Menzels "Flötenkonzert" mit Friedrich dem Großen bei einem Konzert im Schloss Sanssouci hat sie uns bildlich überliefert. Auch hier, im großen Saal des Romschlössles in Creglingen, ist sie nun zu hören, gespielt von einer Meisterin ihres Faches, Galina Matjukowa.
Mit einer Sinfonia beherrscht das künstlerische Zentralgestirn auch den zweiten Teil des Konzerts, doch darf der "Hallesche Bach" Wilhelm Friedemann, der angebliche Lieblingssohn Johann Sebastians, mit seinem Konzert für Flöte und Streicher den Konzertabend beschließen. Matjukowas Umgang mit ihrem Instrument einfach hinreißend, umwerfend, Bewunderung und Glück hervorrufend.
Auch ein kleines Schauspiel wird an diesem Abend geboten: Musiker treten auf, spielen, packen ihre Instrumente und treten wieder ab. Einige bleiben um das Cembalo herum zurück, andere kommen wieder hinzu. In den unterschiedlichsten Besetzungen werden die sechs Kompositionen zu Gehör gebracht. Abwechslung in der musikalischen Abwechslung.
Theater im Konzert. Rundum gelungen. Großer Beifall. hoka
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