Unterbalbach. Eine Besichtigung und knapp zweistündige Führung unter Leitung von Hartwig Behr aus Markelsheim durch den örtlichen Judenfriedhof war Thema einer Veranstaltung des Unterbalbacher Heimat und Kulturvereins. Unter den insgesamt 145 jüdischen Friedhöfen in Baden-Württemberg zählt der Unterbalbacher Judenfriedhof, dessen traditionsreiche Geschichte mit dem Deutschorden verbunden ist und als so genannter "Verbandsfriedhof" Grabstätte für Juden aus der ganzen Region ist, mit fast 1400 Grabsteinen zu den größten und bedeutendsten landesweit.
Harald Rudelgass, Vorsitzender des Heimat und Kulturvereins Unterbalbach, begrüßte zum Auftakt den kompetenten Referenten und drückte seine Freude über das große Interesse der rund 50 Teilnehmer aus Nah und Fern aus.
Behr, pensionierter Lehrer, der sich im Laufe der Zeit viel historisches Wissen über das Judentum angeeignet hat, ging eingangs seiner Ausführungen auf die Bedeutung und Aufteilung der jüdischen Friedhöfe ein. Ein Friedhof zähle zu den vier wesentlichen Hauptelementen einer Jüdischen Gemeinde. Auf die Nachfrage nach der Notwendigkeit einer Synagoge zur Bestattung, wies Behr darauf hin, dass dies nicht zwingend notwendig sei. Vielmehr reiche ein Raum zum Feiern von Gottesdiensten aus.
"Bet olam", was aus der jüdischen Sprache übertragen für "Guter Ort" stehe, sei grundsätzlich auch bei der epochengemäßen Anlage des Unterbalbacher Friedhofs zu erkennen, dessen Ausrichtung nach Osten hin erfolgt sei. Zudem konnte Behr den Zuhörern weitere verschiedene Anordnungen erklären.
Am westlichen Ende des Friedhofs lasse sich auch noch der ehemalige Eingang zum Judenfriedhof finden, der den Bereich der Aufbewahrungshalle darstelle. Nach Behrs Angaben seien die Grabstätten nicht wie etwa in Katholischen Friedhöfen nach einiger Zeit abgetragen worden, sondern würden dauerhaft erhalten bleiben.
Ein Absinken der Grabsteine sei vor allem bei älteren Stätten, die der Balbach zugeneigt seien, deutlich zu erkennen.
Die ersten Beisetzungen seien in den Geschichtsbüchern mindestens bis auf das 17. Jahrhundert zurückzuführen. Bei den nach Osten zeigenden Grabsteininschriften seien bis ins 19. Jahrhundert hinein nur hebräische, jedoch keine Lateinischen Inschriften feststellbar. Oft sei es Tradition gewesen, ein Zeichen des ausgeübten Berufs auf den Grabstein zu prägen. Auf diese Weise habe man häufig unter anderem erkennen können, welche unterschiedlichen Handwerksberufe ein Verstorbener ausgeübt habe.
Zudem seien bei mehreren Grabsteinen Kennzeichnungen zu den Familiennamen zu erkennen. Beispielsweise sei häufiger ein Hirsch als symbolische Kennzeichnung der Familien Hirsch zu sehen.
Ganz besonders wies Behr auf die lange Zeit unbekannte Grabstätte des bekannten jüdischen Kaufmanns Simon Baruch hin, der einst Hoch- und Deutschmeister im Deutschen Orden war. Der letzte Bad Mergentheimer Rabbiner aus der Familie Kahn, den ersten Finanziers in Bad Mergentheim, habe ebenfalls auf diesem Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden.
Die letzten Beisetzungen auf dem Unterbalbacher Judenfriedhof hätten in der Zeit des ersten Weltkriegs stattgefunden, die letzte Beerdigung im März 1938. Zudem stehen mehrere Gedenksteine für Menschen, die in der Emigration gestorben oder in Konzentrationslagern ermordet worden sind.
Vor rund 100 Jahren habe die Tauberregion ein blühendes jüdisches Leben aufgewiesen. Zwar sei während des dritten Reiches eine größere Zerstörung der jüdischen Grabstätten in Unterbalbach ausgeblieben, allerdings seien viele Juden während dieser Zeit aus der Gegend vertrieben worden. pdw
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/lauda-koenigshofen_artikel,-lauda-koenigshofen-berufe-sind-auf-grabsteinen-verewigt-_arid,469277.html