Freudenberg. "Ist faire Globalisierung möglich und welchen Beitrag kann Europa dazu leisten?" Um diese Frage drehte sich der Diskussionsabend der "Global Marshall Plan Lokalgruppe Freudenberg" der katholischen Seelsorgeeinheit im Otto-Rauch-Stift. Als politische Referenten hatte man Ska Keller, Europaabgeordnete, und Oliver Hildenbrand, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen eingeladen.
In seiner Einführung ging Ralf Kern von der Lokalgruppe auf die Thematik des Abends ein. "Wir haben eine Chance, die faire Globalisierung zu erreichen, wenn wir Allianzen bilden zwischen ihren positiven Kräften". Dazu gehörten unter anderem Nichtregierungsorganisationen, Medien, Wirtschaft und Religionen. "Wir müssen uns konzentrieren auf das, was uns verbindet, und blenden das aus, was uns trennt", beschrieb er den Weg dazu. Die Würde des Menschen soll dabei tragfähiges Element sein. Seine Initiative setze auf eine gemeinsam ausgehandelte Weltinnenpolitik für soziale Entwicklung und Naturerhalt als Basis für den Wettbewerb der Unternehmen.
Durch fair ausgehandelte Standards könne eine weltweite ökologisch soziale Marktwirtschaft entstehen. Wichtig sei eine weltweite faire Besteuerung. Basis für die gewünschte Entwicklung wären Reformen unter anderem bei der Welthandelsorganisation (WTO) und dem Internationalen Währungsfonds. "Hier kommt die Rolle Europas ins Spiel".
Die Europäische Union sei mit ihrem Einigungsprozess zu einem weltweit wichtigen Akteur geworden und habe so Einfluss. Kern freute sich besonders darüber, dass junge Politiker wie Keller und Hildenbrand Interesse an den Zielen der Initiative habe.
Hildenbrand stellte einleitend fest: "Die Veranstaltung ist eine erfreuliche Fortsetzung des Dialogs, in den wir getreten sind." Weiter griff er einen Leitsatz auf, der den Grünen wichtig sei: "Global denken - lokal handeln". Er sei Leitschnur der Grünen für die Politik, sei aber zugleich ein parteiübergreifend wichtiger Leitsatz. "Alle Änderungen beginnen im Kleinen, und große Entscheidungen wirken auch immer im Kleinen", so Hildenbrand.
Zentral dabei sei der Nachhaltigkeitsgedanke, jede Entscheidung habe ökonomische, ökologische und soziale Auswirkungen, die zu überdenken sind. "Jeder Einzelne von uns kann etwas tun, die Welt besser zu machen", wechselte er auf die lokale Ebene. Als Beispiel nannte er den Kauf fair und ökologisch produzierter sowie regionaler Produkte. Aber nicht nur die individuelle Ebene sei zentral, auch die politischen Zusammenhänge seien notwendig. Wichtig sei das Bewusstsein dafür, dass alle politischen Ebenen zählen, denn auch Lokalpolitik habe Auswirkungen auf globale Entwicklungen.
Neue Impulse
Die grün-rote Landesregierung setze neue Impulse für eine gute globale Entwicklung. Bestehende Netze habe man genutzt, neue geknüpft. Dazu gehörten auch die neuen politischen Leitlinien für Entwicklungspolitik, die in einem breit angelegten Bürgerbeteiligungsprozess entwickelt worden seien. Diese Leitlinien schreibe man auf gleichem Weg fort.
Entwicklungspolitik betreffe als Querschnittsaufgabe alle Politikbereiche und werde bei allen landespolitischen Entscheidungen berücksichtigt. Auch im neuen Bildungsplan bekomme das Thema einen Platz.
Weiterhin ging Hildenbrand auf die Flüchtlingsproblematik ein. 51 Millionen Menschen seien weltweit auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Baden-Württemberg habe im vergangenen Jahr 26 000 Flüchtlinge aufgenommen. "Ich bin sehr froh über die Solidarität und die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung", lobte er. Das entbinde das Land aber nicht von seinen Verpflichtungen, verwies er unter anderem auf den Flüchtlingsgipfel.
Die Entwicklungspolitik spiegle sich ebenso in der Beschaffung des Landes wieder. "Wir legen dabei viel Wert auf sozial und ökologisch fair hergestellte Produkte". Gegenüber Bürgermeister Roger Henning regte er an, Freudenberg zur ersten "Fair Trade Gemeinde" im Main-Tauber-Kreis zu machen. Dazu müssten fünf Bedingungen erfüllt sein, die unterem den Verkauf von fairen Produkten im Einzelhandel und deren Ausschank bei Sitzungen beinhalten.
Elisabeth Huba-Mang von der Lokalgruppe formulierte einen Appell an die Politik. Die vorherrschende Betrachtungsweise auf die Globalisierung richte sich engstirnig auf die Märkte. Hier müsse es einen Wandel geben zu einem Fokus auf den Menschen. Deren Bedürfnisse und die der Gemeinden müssten in den Mittelpunkt rücken. Man müsse beachten, dass es eine weltweite Verknüpfung von Handel und Versorgung gebe.
Weltweite Zusammenhänge
"Ganz alltägliche Dinge funktionieren nicht ohne weltweite Zusammenhänge. Deswegen ist es wichtig, uns darum zu kümmern, woher sie stammen." Die Millenniumsziele (unter anderem Friede, Sicherheit, Abrüstung, Klimaschutz und weltweite Menschenrechte) die 2015 auslaufen, seien längst nicht erreicht.
Die Globalisierung, wie sie bestehe, festige die Ungleichheit der Menschen und Staaten. Gerechtigkeit könne nur herrschen, wenn Schwache ent- und Starke belastet werden. Deshalb richtete sie einen Appell an alle politischen Ebenen: "Setzen Sie sich ein, für die Belange der Menschen und einer Rechenschaftspflicht gegenüber der Bürger."
Weiterhin kritisierte sie die fehlende Bürgerbeteiligung und die Verhandlung hinter verschlossenen Türen bei Freihandelsabkommen wie TTIP und weitere Verträgen. Trete die aktuell verhandelten Abkommen in Kraft, würde das auch die regionale Daseinsversorgung wie Strom- und Wasserversorgung betreffen. Ihr Appell lautete: Souveränität, Transparenz und Demokratie, wie sie das Grundgesetz festlege, nicht aufzugeben. Kritisiert wurde auch die Macht multinationaler Konzerne. "Globalisierung muss zur Beseitigung von Armut und Ungleichheit beitragen", forderte sie abschließend. bdg
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