Jackson Browne!? Der Name dürfte nur den wenigsten geläufig sein. Seinen größten Hit oder besser den von ihm interpretierten Song "Stay, just a little bit longer" hingegen dürften viele noch im Ohr haben. Schließlich untermalte er Jahre lang die Werbung einer großen deutschen Biermarke. Gemäß der Textzeile bleibt Jackson Browne in Stuttgart ein bisschen länger. Knapp drei Stunden führt der amerikanische Liedermacher die rund 1500 Zuhörer im Hegelsaal der Liederhalle mit seiner formidablen Band durch seinen Musikkosmos. Seinen größten Hit jedoch bleibt er trotz der ausufernden Spielzeit schuldig: einer von mehreren Gründen, warum der Abend kein uneingeschränktes Vergnügen ist.
Gänsehaut-Atmosphäre stellt sich erst am Schluss ein, bis dahin ist es aber ein langer, beschwerlicher Weg. Ein Marathon ist kein Sprint. Da heißt es, die Kräfte einteilen, nicht gleich lospreschen. Und so legen Jackson Browne in gemächlichem Tempo los. Man denkt: Okay, sie grooven sich langsam ein. Der Sound ist exzellent, man richtet sich ein auf die tollen Westcoast-Songs, die da noch kommen werden. Nur sie kommen nicht. An der Band liegt es nicht. Mitstreiter Bob Glaub (Bass), Mauricio Levak (Drums), Jeff Young (Hammond Orgel, Klavier), Greg Leisz (Gitarre, Pedal Steel, Lap Steel), Shane Fontayne (Gitarre) und Alethea Mills (Backgroundgesang) sind ein hervorragend eingespieltes Kollektiv. Das Problem sind die Songs der ersten Hälfte des Konzerts. Sie haben eher die Qualität von Schlafliedchen, unaufgeregte, behäbige Songs, die auch lediglich höflichen Applaus ernten. Sein musikalisch vielleicht bestes Album "Lives in the ballance" spart er komplett aus. Nach der kurzen Pause soll die musikalische Gangart sich dann ändern. Nicht nur, dass der Mann am Mischpult die Lautstärkeregler nach oben schiebt, das Septett drückt endlich auf die Tube. Vor allem auch die Soli von Gitarrist Shane Fontayne haben jetzt Schmackes.
Auf der Zielgeraden gibt es weder bei den Fans, die endlich ihre Sitze verlassen und zur Bühne streben, noch bei der Band kein Halten mehr. "Running on empty", jener luftige Westcoast-Song zeigt, was an diesem Abend möglich gewesen wäre. Die Band spielt entfesselt auf und setzt bei der ersten Zugabe mit "Take it easy" noch einen drauf. Jackson Browne und seiner Mitstreiter brauchen sich da nicht vor den "Eagles", die den Song zum Welthit gemacht haben, zu verstecken. Ihre Version ist superb. Ein gelungener Auftakt für den krönenden Abschluss also. Nur er kommt nicht. Denn den standardmäßigen Schlusspunkt "The Load out" und Stay", den Browne an den anderen Stationen seiner Europa-Tour immer gesetzt hat, verweigert er in der Schwabenmetropole.
Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Auffällig ist, dass Brownes Stimme an diesem Abend in den tiefen Tonlagen immer noch charismatisch ist, die hohen aber einfach nicht mehr erklimmen will. Aber die hätte, wie auf der CD "Running on empty" auch die Background-Sängerin übernehmen können. So bleibt der Song, auf den die meisten gewartet haben, ungespielt. So etwas kann sich ein Künstler, der nur alle paar Jahre mal in Deutschland vorbeischaut, einfach nicht erlauben. Ein grobes Foulspiel an den Fans. Und so geht die etwas in die Jahre gekommene Fanschar mit zwiespältigen Gefühlen in die laue Sommernacht.
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