Berlin. Die wochenlange Hitzewelle wird die deutschen Stromverbraucher mit zweistelligen Millionenkosten belasten. Die Gründe dafür: Eine sehr hohe Produktion von Sonnenstrom aus Photovoltaik-Anlagen im Norden, viele Ökostromexporte nach Südosteuropa und enorme Probleme in Polen, wo der Strom knapp ist. Weil das alles zusammen die Leitungen verstopft, musste in Nordostdeutschland teilweise die Stromproduktion konventioneller Kraftwerke drastisch verringert werden.
Deren Betreiber werden entschädigt, was die Verbraucher über die Netzentgelte mit der Stromrechnung bezahlen müssen. "Wir geben seit der Hitzewelle jeden Tag grob 2,5 Millionen Euro aus für grenzüberschreitende Eingriffe mit unseren Nachbarn, um das Netz stabil zu halten", sagte der Geschäftsführer Systembetrieb beim großen Netzbetreiber 50Hertz, Dirk Biermann, gestern der Deutschen Presse-Agentur.
Die Rekordhitze macht Polen seit Tagen schwer zu schaffen. Kohlekraftwerke müssen abgeschaltet werden, weil große Flüsse zu wenig Wasser zum Kühlen führen. Parallel zu den Problemen in Polen sorgt die Sonne dafür, dass Photovoltaik-Anlagen im Norden und Nordosten sehr viel Strom ins Netz einspeisen.
Gleichzeitig kaufen Kunden aus Südosteuropa, vor allem aus Ungarn und Italien, an der Börse in Massen billigen deutschen Ökostrom, der über Polen abfließen soll. Doch die Leitungen sind verstopft - deshalb die rote Ampel, die in den vergangenen Tagen auf der Strom-Europakarte öfters angeht. 50Hertz muss im Verbund mit den Nachbarländern in seinem Netzgebiet grenzüberschreitend so stark in die Stromerzeugung eingreifen wie noch nie.
Konventionelle Kraftwerke werden heruntergefahren, weil der Sonnenstrom Vorrang hat. Am Freitagnachmittag beliefen sich bei 50Hertz die Eingriffe zeitweise auf 5745 Megawatt - das entspricht rechnerisch etwa der Leistung von vier großen Atomkraftwerken. Diese Eingriffe nennt man "Redispatch", weil der in der Branche Dispatch genannte Fahrplan der Kraftwerke verändert wird.
"Über den Daumen hat uns die Hitzewelle bisher schon 25 Millionen Euro gekostet. Der Sommer ist noch nicht rum, da kann uns noch einiges blühen", meint Biermann. Allein bei 50Hertz rechnet man im laufenden Jahr mit Redispatch-Ausgaben von insgesamt 250 Millionen Euro oder mehr - im Vorjahr waren es 90 Millionen. Biermann warnt: "Das könnte sich auf eine halbe Milliarde jährlich summieren, weil das Netz nicht adäquat ausgebaut ist. Die Physik lässt sich nicht überlisten." dpa
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