Saarland - Bundesland soll innerhalb von 30 Jahren zweisprachig werden

Französisch für die Kleinsten

Von 
Justin Pietsch
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Annegret Kramp-Karrenbauer plant das "französischste Bundesland".

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Saarbrücken/Mannheim. Wenn Medien erklären wollen, wie groß ein weit entferntes Land ist, heißt es gerne: "X-Mal so groß wie das Saarland". Nun soll ein Alleinstellungsmerkmal hinzukommen, so dass es vielleicht mal heißt: "So französisch wie das Saarland."

Binnen einer Generation, bis 2043, soll Französisch dort zur Verkehrssprache werden, auf dass die Einwohner mehrsprachig parlieren. Das zumindest ist die Vision der schwarz-roten Landesregierung unter Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), die ein entsprechendes Eckpunkte-Papier vorgelegt hat. Ziel sei, "dass das Saarland zum französischsten aller Bundesländer wird".

So sollen Beschäftigte in Verwaltung oder Regierung künftig möglichst neben Deutsch auch Französisch sprechen, Formulare, Schilder oder Hinweistafeln in beiden Sprachen verfasst sein. Und der wohl entscheidende Aspekt: "Es ist beabsichtigt, dass die mehrsprachige Bildung künftig in der Kita beginnt und sich in der lebenslangen sprachlichen Weiterbildung fortsetzt." Das heißt: Französisch schon für Kleinstkinder. Das sollen mittelfristig in jeder zweiten Kita französischsprachige Kräfte vermitteln. Auch in Vor- und Grundschule könnte die Zweisprachigkeit ausgebaut werden.

Ob das langfristig funktioniert, darf aber bezweifelt werden. "Von der Sprachkompetenz der Kinder her wäre das ohne Weiteres möglich", sagt Johannes Müller-Lancé, Professor für Sprachwissenschaft mit Schwerpunkt Mehrsprachigkeit an der Universität Mannheim. "Das Projekt wird trotzdem scheitern." Einen Grund sieht er in der Ablehnung durch die Eltern: "Viele haben Angst, dass das, was in Französisch investiert wird, dann in Englisch fehlt", sagt Müller-Lancé. Kramp-Karrenbauer verspricht zwar, Englisch werde nicht vernachlässigt. Doch Zweifel der Eltern bleiben. "Oder sie befürchten, dass die Kinder mit Französisch und Englisch überfordert wären. Diese Annahme stimmt zwar nicht, ist aber weit verbreitet", erklärt er.

Finanzierung unklar

Zudem gebe es nicht genug Erzieher, die so perfekt Französisch sprechen, dass sie Kinder mehrsprachig erziehen könnten, so der Sprachwissenschaftler. Sie müssten besser geschult werden, die Umstellung der Ausbildung dauere aber sehr lange. Das Saarland tue da zwar schon sehr viel. "Das ist aber nicht annähernd genug, um damit komplette Jahrgänge zu versorgen." Anwerbung von Personal aus Frankreich sei eine Möglichkeit - aber auch sehr teuer. Müller-Lancé sagt: "Das Projekt wird auch scheitern an den finanziellen Mitteln für Lehrer und Erzieher."

Dabei erhofft sich die Landesregierung viel: Das Saarland solle "unverwechselbar und unverzichtbar" werden. Es geht um Standortpolitik, um Wirtschaftswachstum, um Arbeitsplätze, mehr Unternehmensansiedlungen. Allein: Woher das hoch verschuldete Land das Geld nehmen will und wie es die Projekte umsetzen will, ist noch unklar. Nun soll das Papier öffentlich diskutiert werden, unter anderem mit Kommunen und Verbänden. Einstweilen könnte es zumindest heißen: so visionär wie das Saarland.

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