Berlin. Kein geregelter Schulalltag, kaum Treffen mit Freunden, und der Sportverein ist auch im Lockdown: Dass Kinder und Jugendliche ganz besonders unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden, beklagen Eltern, Pädagogen und Kinderärzte schon seit Monaten. Krankhafter Medienkonsum, Übergewicht und Essstörungen häufen sich. Neue Daten der Barmer-Krankenkasse, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen jetzt, dass in der Pandemie die Zahl der Kinder in psychotherapeutischer Behandlung ebenfalls zugenommen hat.
Unter den versicherten Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 24 Jahre stieg im vergangenen Jahr die Anzahl der Akutbehandlungen, aber auch die Zahl der Anträge für eine erstmalige Therapie und deren Verlängerung um sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dabei sind noch nicht diejenigen jungen Patienten eingerechnet, die bereits eine Diagnose, aber noch keinen Therapeuten gefunden hatten, beziehungsweise sich scheuten, in Zeiten hoher Infektionsrisiken eine Praxis aufzusuchen.
Angst, dass es schlimmer wird
Wie aus dem aktuellen Barmer-Arztreport hervorgeht, setzt sich mit dem wachsenden Therapiebedarf bei Kindern und Jugendlichen in der Pandemie eine Entwicklung fort, die Experten seit Jahren besorgt: Immer mehr Kinder und Jugendliche in Deutschland sind in psychotherapeutischer Behandlung. Innerhalb von elf Jahren hat sich die Zahl der jungen Patientinnen und Patienten mehr als verdoppelt. Demnach benötigten im Jahr 2019 bundesweit rund 823 000 Kinder und Jugendliche psychotherapeutische Hilfe, das waren 104 Prozent mehr als im Jahr 2009.
„Psychische Probleme können für Kinder und Jugendliche ernste Folgen haben. Deshalb ist es wichtig, auf ihre Alarmsignale zu achten“, mahnt Kassen-Chef Christoph Straub. Zeitnahe Hilfe und Prävention könnten viel dazu beitragen, dass psychische Probleme erst gar nicht entstehen oder sich verstetigen und zu einer psychischen Erkrankung führen.
Seit vergangener Woche sind die strengen Corona-Regeln für Kitas und Grundschulklassen in vielen Bundesländern gelockert. Der Großteil der älteren Schüler ist aber nach wie vor zu Hause: Kinder- und Jugendärzte fordern deswegen eine umgehende Öffnung der Schulen – um zu verhindern, dass sich die körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen der Kinder und Jugendlichen verschlimmern. Die „gesundheitlichen Kollateralschäden“ des Lockdowns seien „deutlich zu erkennen“, mahnt Kinderarzt Thomas Fischbach vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)
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