Geburtstag

Wertheim: Jürgen Walter wird 75

Früherer Wertheimer Stadtrat und Lehrer feiert Geburtstag

Von 
Gerd Weimer
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Jürgen Walter lebt in der Dominikanischen Republik. Heute wird er 75 Jahre alt. © Utz Walter

Wertheim. Im Bundestag waren sie seit etwas mehr als einem Jahr vertreten. Auch in Wertheim fanden sich damals Leute zusammen, die sich Umweltschutz und Weltfrieden auf die Fahne schrieben: die Grünen. Zu den 13 Gründungsmitgliedern im Juli 1984 gehörte Jürgen Walter, der noch im selben Jahr in den Gemeinderat einzog und nicht nur als Kommunalpolitiker Spuren in der Main-Tauber-Stadt hinterließ. An diesem Montag wird er 75 Jahre alt.

Die Fränkischen Nachrichten erreichen ihn per Videochat in der Dominikanischen Republik. Das Gespräch dauert fast zwei Stunden und ist durchtränkt mit Anekdoten, die sich wegen ihrer schieren Anzahl kaum komplett nacherzählen lassen. Dass er in Mannheim auf die Welt gekommen und aufgewachsen ist, hört man am kurpfälzischen Singsang, den er gerne nutzt. Zum Fränkischen hatte er schon in der Kindheit einen starken Bezug, da er als Schüler seine Sommerferien oft in Kulmbach bei seinen Großeltern verbrachte.

„Zu den Schwaben wollte ich nicht“, erklärt er seine Wahl, den Schuldienst am Wertheimer Gymnasium anzutreten. Ein Kollege habe ihm außerdem mitgeteilt: „Da ist es schön.“ Seine Frau Nelly Ramsauer lernte er hier kennen, die drei Kinder wuchsen hier auf.

Jürgen Walter bei der Feier zum zehnjährigen Bestehen des Wertheimer Ortsverbands der Grünen. © Jutta Weimer

Die Wertheimer Kommunalpolitik wäre wohl anders verlaufen, hätten die Sozialdemokraten damals entschieden, dass Jürgen Walter und sein Mitstreiter Eberhard Feucht gut zu den Genossen passen. Beide hatten bei ihrem Lehrerkollegen Volker Peters, in der SPD aktiv, nachgefragt, ob das Sinn mache. Peters verneinte, berichtet Walter. „Ihre Themen hätten sie bei uns in der damaligen Konstellation nicht durchsetzen können. Ihre Mühe wäre verpufft“, bestätigt Volker Peters im Rückblick.

So gründeten die Gymnasiallehrer mit anderen Aktivisten den Ortsverband der Grünen. Jürgen Walter entwickelte sich bald zu einer Art Galionsfigur der Öko-Bewegung in der Main-Tauber-Stadt. Sein Auftreten im Gemeinderat, stilecht im Norweger-Pulli, hinterließ Eindruck. Das Establishment fremdelte mit den An- und Absichten der neuen politischen Kraft. Nach und nach wurde er zum Gegenspieler des damaligen Oberbürgermeisters Stefan Gläser.

Scharmützel mit dem OB

Der erinnert sich freilich noch gut an die Scharmützel, die er sich mit Walter lieferte, den er damals als „begnadeten Rabulistiker“ bezeichnete – was bedeutet: rechthaberischer Wortverdreher. Wenig erfreut war Gläser über die Mülltüte, die zu Beginn einer Gemeinderatssitzung auf seinem Tisch lag. Jürgen Walter hatte argumentiert, in der Tüte befände sich kein Müll, sondern Wertstoffe, die man nicht verbrennen dürfe. „Für die Müllfrage war ich aber gar nicht zuständig“, so Gläser rückblickend, der den Grünen als „intellektuell beschlagenen Zeitgenossen bezeichnet“, der allerdings „nicht zu den kooperativen Mandatsträgern gehörte“.

Unterdessen schrieb Walter auch die eine oder andere Dienstaufsichtsbeschwerde, gegen den OB und Landrat Georg Denzer beispielsweise, wegen des Umzugs des Staatsarchivs aus der Hofhaltung ins Kloster Bronnbach – ein umstrittenes Projekt, weil es riesige Geldbeträge verschlang.

Zu den schönsten Erlebnissen in der Kommunalpolitik zählt Jürgen Walter die erfolgreiche, überparteiliche Bürgerinitiative „Brunnensanierung statt Bodenseewasser“. Stadt und Landkreis wollten Bodenseewasser in das Trinkwassernetz einspeisen.

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Das Projekt fiel bei einem Bürgerentscheid schließlich durch. „Diese Art von Partizipation muss häufiger stattfinden“, sagt Jürgen Walter noch heute.

Nach 15 Jahren war schließlich Schluss im Kommunalparlament. Andere Ehrenämter und die Familie sollten Vorrang haben. Eines der wichtigsten Projekte war die SG Wartberg, die er mitgegründet hatte und bei der er von 1994 bis 2007 Vorsitzender war. Der Verein leistete einen wichtigen Beitrag zur Integration vor allem von jugendlichen Neubürgern und erntete dafür große Anerkennung.

Integration

Die Integration der Russlanddeutschen wäre viel besser gelungen, meint er im Rückblick, wenn man die Leute besser auf die Ortschaften und in das dortige Vereinsleben verteilt hätte. Um die Entwicklung auf dem Wartberg besser steuern zu können, habe er vorgeschlagen, dass die Stadt die Wohnungen der Neuen Heimat in den Hochhäusern erwirbt – erfolglos.

Mit Immobilien kennt sich Walter aus. Zwei Altbauten in der Wertheimer Altstadt renovierte er in Eigenregie. Die längste Zeit lebte die Familie in einem Haus am Hang des Wartbergs.

Eine große Veränderung dann nach dem Ausscheiden aus dem Dienst: Mit seiner Frau siedelte er 2008 in die Karibik über: Dominikanische Republik. In dem Ort Cabarete leben die Ruheständler in einem Haus, das Teil eines größeren Komplexes ist. Menschen aus zwölf Nationen haben sich dort niedergelassen: Jede Menge Übersetzungsarbeit für den früheren Sprachlehrer, der zusammen mit seiner Frau als eine Art „internationaler Ortsvorsteher“ fungiert.

Jürgen Walter widmete sich hier auch einem weiteren Steckenpferd: Drei Bücher hat er mittlerweile unter dem Pseudonym Christian Hugo veröffentlicht. Er setzt sich mit „Zuständen und Befindlichkeiten des dominikanischen Lebens oder des Lebens von Residenten“ auseinander, wie es in einer Beschreibung heißt.

Die Familie unterdessen ist „global vernetzt“ und kommt regelmäßig per Video-Konferenz zusammen. So lässt sich der Kontakt mit den drei Kindern, die ebenfalls im internationalen Umfeld unterwegs sind, halten.

Die Drähte werden an diesem Montag mit Sicherheit warmlaufen, wenn zahlreiche Gratulanten sich melden. Gerne schließen sich die Fränkischen Nachrichten an: Glückwunsch, Jürgen Walter.

Redaktion Reporter Wertheim