Main-Tauber-Kreis. Mit dem Telefonhörer am Ohr und dem Finger auf der Wiederwahltaste verbringt Patricia Schmitt aus Hundheim den gesamten Dienstag – und bekommt von einer Computer-Stimme ein ums andere Mal gesagt: „Bitte haben Sie noch etwas Geduld.“ Ihr Versuch, für ihre beiden über 80-jährigen Eltern sowie Tante und Onkel ihres Mannes Impftermine zu bekommen, wird mit Frust und widersprüchlichen Aussagen belohnt.
Hintergrund: Terminvergabe für das Kreisimpfzentrum
- Für das Kreisimpfzentrum des Main-Tauber-Kreises wurden am Dienstag, 19. Januar, wie für alle anderen baden-württembergischen Kreisimpfzentren, die ersten Termine unter www.impfterminservice.de beziehungsweise unter der Hotline 116117 freigegeben.
- „In der Tat können Termine derzeit ausschließlich über die bundesweite Hotline 116117 und die Website www.impfterminservice.de gebucht werden“, bestätigt Markus Moll. Für die Online-Buchung muss es möglich sein, sowohl eine E-Mail als auch ein SMS empfangen zu können. „Wir bedauern sehr, dass es keine einfacheren Möglichkeiten insbesondere für Ältere gibt, können aber diese landes- und bundesweiten Vorgaben nicht ändern“, sagte Gesundheits- und Sozialdezernentin Elisabeth Krug bereits am Mittwoch.
- Es kommen nun für das Kreisimpfzentrum in Bad Mergentheim an jedem Tag der Woche neue Termine hinzu, berichtet Moll. So werden beispielsweise am Freitag, 22. Januar, die Termine für Freitag, 12. Februar, freigeschaltet. eli
Seit 7.45 Uhr am Dienstagmorgen ist die Leitung der zentralen Hotline 116117 dauerhaft besetzt, bis zum Nachmittag kann sie die automatischen Ansagen auswendig mitsprechen. Endlich ein Freizeichen, dann: „Ihre aktuelle Wartezeit beträgt acht Minuten.“ Die Hundheimerin wartet geduldig, nur um von einer Dame am anderen Ende der Leitung darüber informiert zu werden, dass aktuell noch keine Termine für Bad Mergentheim freigeschaltet seien. Überrascht nimmt Schmitt diese Nachricht auf, war doch am frühen Morgen im Radio noch die Rede davon gewesen, dass Impfzentren nun Termine vergeben.
Warten in der Leitung
Etwas später wählt sie wieder die 116117 und wird nach längerem Warten gebeten, gegen Mittag noch einmal anzurufen. Dann heißt es: abends noch einmal probieren. Gegen 17 Uhr versucht die 54-Jährige zum letzten Mal an diesem Tag ihr Glück. Zehn Minuten muss sie in der Leitung warten, dann meldet sich ein Mann. Seine Aussage: Termine können erst ab dem 22. Januar vergeben werden. Dabei soll an diesem Freitag das Impfen bereits starten.
Nach fast zehn Stunden am Telefon gibt sie auf und beschließt, es an einem anderen Tag noch einmal zu versuchen. „Ich hatte am Dienstag frei, sonst hätte ich gar nicht so oft versuchen oder die Wartezeiten abwarten können“, erklärt Schmitt. „Mir war klar, dass ich nicht sofort durchkommen würde“, sagt sie. Trotzdem könne sie nicht jeden Tag in der Warteschleife verbringen.
Das Landratsamt meldete kurze Zeit später, dass alle 450 Termine in den ersten drei Wochen bereits ausgebucht seien. „Ich frage mich, wie die Leute da drangekommen sind“, stellt Schmitt fest. Am Dienstag wurden die Termine bis einschließlich 9. Februar freigegeben, erklärt Markus Moll, Pressesprecher des Landratsamts. „Sie waren innerhalb weniger Stunden ausgebucht“, berichtet er. „Die Freigabe erfolgt nach unserer Kenntnis jeweils am frühen Morgen des neuen Tages.“
Das kann Kirsten Behringer aus Lauda-Königshofen aus eigener Erfahrung nur teilweise bestätigen. In einem Leserbrief beschreibt Behringer, dass auch sie bereits um 8 Uhr parallel telefonisch und online versuchte, einen Impftermin für ihre 84-jährige Mutter zu bekommen. Kurze Zeit später erfuhr sie, dass die Termine noch nicht freigeschaltet waren. Als sie kurz vor 11 Uhr noch einmal bei der Hotline durchkam, erklärte ihr eine Mitarbeiterin, dass bereits alle verfügbaren Termine ausgebucht seien.
Demnach wurden sie um 10 Uhr freigegeben. „Tatsache ist doch, dass all die Impfwilligen über 80 Jahren über die nächsten Wochen, eventuell Monate nicht geimpft werden können. Und das alles, nachdem auch hier die Politik seit Monaten nicht müde wird zu betonen, dass Impfen der einzige Ausweg aus der Pandemie sei“, stellt Behringer in ihrem Leserbrief fest.
Ministerium bittet um Geduld
Das Gesundheitsministerium bittet indes um Geduld. „Klar ist: Es wird sehr, sehr wenig Termine geben. Und viele Menschen werden keinen bekommen“, sagte ein Sprecher der Deutschen Presseagentur. Hintergrund sei vor allem der sehr begrenzt verfügbare Impfstoff (wir berichteten). „Wir verwalten hier weiterhin einen riesigen Mangel. Wir haben viel zu wenig Impfstoff“, bremste Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) jede Euphorie.
In Baden-Württemberg seien derzeit rund eine Million Menschen berechtigt, geimpft zu werden. Aber nur ein Bruchteil könne geimpft werden. „Mehr Impfstoff haben wir nicht“, sagte Lucha der dpa. „Wir selber sind genauso enttäuscht und frustriert wie die Menschen, die sich jetzt vergeblich um einen Termin bemühen.“ Patricia Schmitt hatte es am Dienstag auch immer wieder online versucht, doch die Seite www.impfterminservice.de verwies den ganzen Tag über auf die Hotline.
Selbst wenn eine Terminvergabe im Internet funktioniert, stellt das Senioren wie die 70-jährige Sieglinde Schreiner aus Wertheim vor Probleme. Sie hat am Dienstag versucht, einen Impftermin für ihren 80-jährigen Mann Kurt zu ergattern. Kurz vor 8 Uhr saß sie am Telefon – und kam tatsächlich durch. „Die Person am anderen Ende sagte mir, dass sie noch keine Termine vergeben würden, weil sie auf Impfstoff warten“, berichtet Schreiner. Also versuchte die Seniorin, die recht gut mit dem PC umgehen kann, es auf der Serviceseite im Internet. Doch sie scheiterte. Unter anderem deshalb, weil sie nach dem ersten Termin auch direkt einen für die zweite Impfung ausmachen sollte. „Da bin ich aus der Sitzung geflogen“, sagt sie.
„Zumutung für ältere Menschen“
Während Schreiner einen eigenen Computer besitzt, ebenso wie eine für die Anmeldung notwendige E-Mail-Adresse, findet sie diese Variante für viele Menschen über 80 unzumutbar. „Dass es uns so schwergemacht wird, fördert außerdem nicht gerade die Impfbereitschaft“, findet Sieglinde Schreiner, deren Mann sich eigentlich gerne impfen lassen würde.
Ein Bekannter, dessen Mutter selbst geimpft werden soll, versucht gerade online einen Termin für Kurt Schreiner zu bekommen. Falls das nicht klappt, will das Ehepaar es in der kommenden Woche noch einmal telefonisch probieren.