Der Dokumentarfilm "Sputnik Moment - 30 gewonnene Jahre - Das Geschenk des Altwerdens" wurde in den Löwenlichtspielen gezeigt. Er sorgte nach der Aufführung für Gesprächsstoff.
Walldürn. Das Rentenalter ist erreicht. Es beginnt ein neuer Lebensabschnitt - eine Zeitspanne, die heute mit Blick auf den demografischen Wandel länger denn je ausfallen kann. Denn als alt zählt der Mensch heute nicht mit 60 oder 70, sondern erst mit 80. Dank sich immer weiter entwickelnder medizinischer Möglichkeiten und des Einflusses von gesunder Ernährung sowie sportlicher und geistiger Aktivität können Senioren noch viele gute Jahre für sich gestalten, wenn keine schwerwiegenden Krankheiten dazwischenkommen.
Unterschiedliche Wege
Wie die heute immer älter werdenden Menschen im Rentenalter ihre Zeit verbringen, spürte der 60-minütige Dokumentarfilm "Sputnik Moment - 30 gewonnene Jahre - Das Geschenk des Altwerdens" von Autorin Barbara Wackernagel-Jakobs und Regisseur Lukas Schmid in den Walldürner Löwenlichtspielen nach. Rund vier Monate drehte das Team vorwiegend in den USA und Deutschland, ließ dabei Wissenschaftler zu Wort kommen und zeichnete unterschiedlichste Wege des persönlichen Rentnerdaseins auf.
Eine Frau Mitte 60 engagiert sich beispielsweise im Schrebergartenverein und bringt jungen Leuten das Gärtnern bei, eine andere bedient mit 73 Jahren noch mit viel Freude die Kunden einer Bäckerei, weil sie den Kontakt zu Menschen braucht. Ein älterer Herr geht nach wie vor zur Arbeit in seiner Firma, weil seine Frau zuhause seine permanente Anwesenheit nicht ertragen kann. Eine Dame mit 80 verkauft noch immer edlen Schmuck und ist unter den jungen Kollegen anerkannte Ratgeberin.
Wie so oft im Leben spielt die Sichtweise auf ein Thema eine nicht unbedeutende Rolle. Wer Dinge positiv angeht, mit Aufbruch-Stimmung und Optimismus nach vorn blickt, kann vieles schaffen, was Menschen mit eher negativer Grundhaltung kaum erreichen werden. Dazu allerdings muss man sich - am besten einige Zeit zuvor - die Frage stellen, wie man sich den Ruhestand überhaupt vorstellt. Will man permanent Schränke auswaschen oder stundenlang vor der Flimmerkiste sitzen, um den Tag hinter sich zu bringen oder noch einmal zu neuen Ufern aufbrechen?
Positive Erzählung
Der Film - teils in Englisch mit deutschem Untertitel - beginnt mit der neuen, positiven Erzählung des Alterns und verdeutlicht die Möglichkeiten der Selbstgestaltung in diesem Lebensabschnitt. Zugleich verschweigt er nicht, dass Ängste und negative Erwartungen das Leben verkürzen können. Klar wird auch, dass ein Teil der Menschen gut mit dem Übergang in die Rente zurechtkommt, der andere weniger.
Das Gehirn arbeitet weniger effektiv im Ruhestand, was auch damit zusammenhängt, dass sich das soziale Netzwerk verändert und Kontakte wegbrechen. Deshalb kann es von Vorteil sein, sich sozial zu engagieren, um so die mentale Leistungsfähigkeit nicht überproportional absinken zu lassen. Dies kann man allerdings auch mit Arbeit erreichen, die zudem noch Anerkennung und Wertschätzung bringt - positive Effekte also. Für das Arbeiten im Alter sieht die Forschung durchaus Potenzial aufgrund von Erfahrung, Verlässlichkeit und emotionaler Stabilität.
Im Lauf des Films reifte die Erkenntnis, dass neue Begriffe für die einzelnen Etappen vonnöten wären, da das mittlere Lebensalter heute bis 80 geht. Zugleich richtete Barbara Wackernagel-Jakobs in der angeregten Diskussion nach Ende des Films deutliche Worte an Politik und Wirtschaft, Voraussetzungen für einen flexibleren Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand zu schaffen und nicht nur dort zu agieren, wo Fachkräftemangel herrsche. Sie sieht in der Kombination von Jung und Alt in der Arbeitswelt eine große Chance.
"Arbeit ist ein Mittel, seine Identität zu bewahren", betont die Filmproduzentin, die direkt von einer USA-Reise nach Walldürn gekommen war.
Mit ihrer Dokumentation will sie dazu anregen, über die Gestaltung der gewonnenen Zeit nachzudenken, sei es mit neuen Herausforderungen, einer neuen Tagesstruktur, Kontakten zu Mitmenschen und Tätigkeiten, um Anerkennung zu erfahren. "Sie tun sich etwas Gutes, wenn Sie in Aufgaben involviert bleiben", so die frühere saarländische Ministerin für Frauen, Arbeit, Gesundheit und Soziales.
Denn die demografische Veränderung sei ein Geschenk an Zeit und kein demografischer Tsunami. Eine neue, spannende und positive Sicht auf das Alter zu geben, ist Barbara Wackernagel-Jakobs mit ihrem Film zweifelsohne gelungen, der zugleich versucht, das Thema zu enttabuisieren.
Die Dokumentation wurde in Kooperation mit der Bürgermeisterin von Aglasterhausen, Sabine Schweiger, der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mosbach sowie dem Kreisseniorenrat Neckar-Odenwald-Kreis und der Beauftragten für Chancengleichheit und Frauenförderung, Angelika Bronner-Blatz gezeigt, welche den Abend gekonnt moderierte.