Schmetterlingsdorf

Fundstücke zum Fremdenverkehr

Der Vortrag „Komm, schau und bleibe“ über die Situation in den 60-er und 70-er Jahren lockte zahlreiche Rippberger an

Von 
Engelbert Kötter
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In Erinnerungen schwelgen und sie bei Kaffee und Kuchen miteinander Revue passieren lassen – Rippberg erlebte einen anekdotenreichen Nachmittag. © Engelbert Kötter

„Komm, schau und bleibe“ war das Thema des Vortrags am Sonntag in Rippberg. Dabei blickten die Teilnehmer auf alte Zeiten zurück.

Rippberg. Eine an Anekdoten reiche Vortragsveranstaltung begeisterte am Sonntagnachmittag rund 85 Rippberger in der Sporthalle. Julian Bauer, Petra Bauer, Lioba Kern und Hildegard Schöllig-Gaukel hatten intensiv zum Fremdenverkehr der 60-er und 70-er Jahren des vorigen Jahrhunderts in Rippberg recherchiert und ihre Fundstücke für die Bevölkerung in einem bilderreichen Vortrag spannend aufbereitet. Der Ortstourismus erlebte gerade damals eine wahre Blütezeit. Bürgermeister Robert Kreuzer hatte die Zeichen der Zeit erkannt und schon 1957 ersten Reisebüros das malerische Dorf im Marsbachtal als Ferien- und Erholungsort nahegelegt. 1963 wurde ein „Fremdenverkehrsverein Rippberg“ gegründet und im August 1967 verbrachten 1100 Gäste ihren Urlaub in Rippberg, das damals nicht einmal 1000 Einwohner hatte. 1968 wurde Rippberg zum „staatlich anerkannten Erholungsort“ erhoben.

Rund 40 Städte aus dem Bundesgebiet, dazu Belgien, die Niederlande und die Schweiz, sind heute als Heimat Rippberger Gäste belegt. Faktisch, waren es weitaus mehr. Es hatte sich Rippberg bis Ende der 1960-er Jahre sogar einen hervorragenden Namen als Urlaubsziel gemacht: Die Verantwortlichen sahen sich im Juni 1968 gezwungen, weitere Anfragen abzusagen, weil alle Kapazitäten sowohl der privaten Vermieter als auch der örtlichen Pensionen ausgeschöpft waren.

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In dieser Zeit bewirkte die enge Zusammenarbeit von Fremdenverkehrsverein und Gemeinde Ausbau und Neuanlage von Wanderwegen und Waldparkplätzen. Eine Wanderkarte wurde erstellt sowie ein Minigolfplatz, eine Kneippanlage und eine Liege- und Spielwiese gehörten zu den Anforderungen der Zeit an die Unterhaltung von Urlaubsgästen. Bei der Grundschule wurde ein Fremdenverkehrsbüro eingerichtet, daneben ein Münzfernsprecher. Die Grünanlage in der Ortsmitte diente Gästen als Entspannungsort. An Regentagen lud ein Leseraum in der Bibliothek im Rathaus zum Verweilen ein. Die Bahnverbindungen nach Seckach oder Miltenberg nutzten Gäste für die Erkundung der näheren Umgebung. Busunternehmen aus Amorbach boten Tagesausflüge an. Alle 14 Tage fanden Gästeabende in der alten Sporthalle statt: Sketche, Gedichtvorträge, Diashow. Für deren musikalische Gestaltung sorgten Spielmannszug, Chorgemeinschaft und die Rippberger Bands „Green Coats“ oder „Lumber Jacks“. Rund ums Jahr gab es Kappenabend und Faschingssitzung, Kirchweihtanz und Weihnachtsfeier.

Etwa 30 Familien im Ort waren Vermieter. Die Gästezimmer hatten meist ein Waschbecken mit fließendem kaltem oder warmem Wasser. Die Toilette befand sich auf dem Flur und wurde von Gästen und dem Vermieter mit benutzt. Dusche oder Badewanne im Zimmer waren fast nicht vorhanden, damals aber auch nicht eine übliche Ausstattung. Die Vermietungen führten in den betroffenen Haushalten zu Neuanschaffungen, wie die erste Waschmaschine, aber auch zu Einschränkungen. So hieß es im Vortrag: „Es wurde jedes Kämmerchen vermietet: Kinder zogen aus ihrem Zimmer aus und schliefen zum Beispiel im Bett der Oma mit. Es passierte, dass die eigene Wäscheleine von den Gästen in Beschlag genommen wurde, um dort selbst gesammelte Pilze zum Trocknen zu befestigten.“

Nach Mitte der 70er Jahre setzte im Rippberger Fremdenverkehr eine Stagnation, danach eine Rezession ein. Zwar gelang in den 80-er Jahren kurz eine Renaissance, die aber an die Erfolge der Rippberger Tourismusvergangenheit nicht anzuknüpfen vermochte. Zu begehrlich und leistbar waren inzwischen Urlaube an südlichen Sonnenstränden geworden.