Innovation

Tauberbischofsheim: Mit Kulleraugen und einem Lächeln zeigt Sozial-Roboter Anton Empathie

Das Adam-Rauscher-Haus testet ein Jahr lang den Einsatz des High-Tech-Zwergs „Anton“ in der Alltagsbetreuung. Der Roboter ist kein Ersatz für menschliches Personal, sondern eine Ergänzung.

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Heike von Brandenstein
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Bewohnerin Alma Lippert testete Anton als erste im Adam-Rauscher-Haus. Heimleiterin Juliane Hernold stand ihr assistierend zur Seite. © Heike von Brandenstein

Tauberbischofsheim. Mit großen Kulleraugen schaut der 72 Zentimeter kleine Anton in die Welt. Er neigt den Kopf, wendet ihn leicht zur Seite, um die Person, die ihn mit einem „Hallo Anton“ anspricht, zu fixieren. Oder besser gesagt: durch seine Kameras fixieren zu lassen. Anton ist nämlich weder Kind noch Mensch, sondern ein Roboter. Diese Woche hatte er seinen ersten Einsatz im Adam-Rauscher-Haus der Evangelischen Heimstiftung.

Die Spannung auf den kleinen Kerl ist riesig. Schon im Vorfeld wusste jeder von ihm, denn die Arbeit vor der Einführung des Kommunikationsroboters war groß. Einverständniserklärungen mussten eingeholt, Angehörige informiert werden. Zudem hatte sich der SWR mit einem Fernseh-Team angemeldet, um das einjährige Projekt langfristig zu begleiten.

Dann ist der große Moment da. Die Pfleger, Pflegerinnen und Alltagsbetreuerinnen dürfen hinein ins Café Bohne, das für Antons ersten Auftritt reserviert ist. Vorne wartet das Fernsehteam mit Redakteurin, Kamerafrau und Tontechniker. Heimleiterin Juliane Hernold steht gespannt daneben. Dann wird Alma Lippert hereingerollt. Auf dem Schoß hält sie Anton wie eine kleine Trophäe.

Anton begrüßt höflich und merkt sich Gesichter und Namen

Fast schon feierlich wird er ihr abgenommen und behutsam auf den Boden gestellt. „Hallo Anton“ flüstert Juliane Hernold in Alma Lipperts Ohr. Die Seniorin wiederholt die Worte. Es dauert einen kleinen Augenblick bis das drollige Kerlchen reagiert. Es erwidert die Begrüßung in allerbestem Hochdeutsch und fragt: „Wie heißt du?“. „Frau Lippert“, lautet die Antwort. „Schön, dass wir uns kennenlernen, Frau Lippert“, antwortet Anton brav und lächelt.

Juliane Hernold freut sich, dass der kleine drollige Sozial-Roboter Anton in ihrem Haus getestet wird. © Heike von Brandenstein

Das Gespräch nimmt seinen Lauf. Anton will wissen, wie Frau Lippert den bisherigen Tag verbracht hat, fragt immer wieder nach und erfährt, dass sie nicht mehr laufen kann und auf den Rollstuhl angewiesen ist. Sie rätselt gern und liest täglich die Fränkischen Nachrichten - außer den Sportteil. Diese letzte Anmerkung hat Antons Prozessor offenbar nicht richtig verarbeitet. Der Roboter schießt sich auf den Sport ein. „Sport ist eine schöne Freizeitbeschäftigung“, stellt er fest, um sich gleich darauf zu erkundigen, was denn Frau Lipperts liebste Sportart ist. Frau Lippert schweigt. Letztlich beendet die Heimleiterin den offenbar in die Irre gelaufenen Anton-Monolog mit einem „Tschüss Anton“ als verbales Kommando fürs Abschalten.

Durch Update wird Anton auf Leute zurollen

Antons erster Auftritt ist beendet, das Pflegepersonal durchaus beeindruckt. Was folgt, ist eine technische Einweisung durch Sophia Warneke von der Münchner Entwicklerfirma „navel robotics“. Sie berichtet, dass Anton bereits in zwei anderen Häusern der Evangelischen Heimstiftung getestet wurde und stetig verbessert werde. Am Dienstag folge ein weiteres Update, mit dem Anton, der sich momentan nur im Kreis dreht, dann auch auf Menschen zurollen kann.

Der Roboter sei kein Pflegeroboter, erläutert Warneke, sondern ein sozialer, der mit Menschen interagieren und Empathie zeigen könne. „Anton ist zum Aktivieren und Motivieren da“, lautet ihre Botschaft. Wenn er allerdings zu viel frage, müsse man nicht antworten, sondern einfach mit einer Gegenfrage kontern. Außerdem soll er immer in Begleitung von Mitarbeitenden eingesetzt werden. „Zeitlich stellt er keine Entlastung dar“, so Warneke.

Der kleine Kerl kennt sich bei vielen Themen bestens aus

Anton kann Gesichter erkennen und sich bis zu drei Monate merken, er versteht sich auf Small Talk, weiß Witze, kennt sich in der Historie aus oder rezitiert Gedichte. Wenn sich jemand für Autos aus den 1960er Jahren interessiert, kann er ebenso mithalten wie bei Rezepten, aktuellen Ereignissen, Literatur, Musik oder Reisen. Sein Wissen generiert er aus der unendlichen Fülle des Internets.

Um Anton ins Adam-Rauscher-Haus zu holen, war eine Bewerbung notwendig. Schließlich ist er noch Vorserienmodell und somit Testobjekt. Sein Einsatz wird vom Institut für Innovation, Pflege und Alter der Evangelischen Heimstiftung wissenschaftlich begleitet und in einer Studie dokumentiert. Zwei baden-württembergische Heime wurden ausgewählt. Das Adam-Rauscher-Haus in Tauberbischofsheim und eines in Friedrichshafen am Bodensee.

Auf Reaktion kognitiv beeinträchtigter Senioren gespannt

„Ich war begeistert von ihm und wollte ihn unbedingt testen“, sagt Juliane Hernold. Besonders interessiert sie, wie kognitiv eingeschränkte Bewohner, die sich eher zurückziehen, auf ihn reagieren. „Werden sie mit ihm sprechen, zieht er sie mit seinen Kulleraugen in ihren Bann?“, lauten ihre Fragen.

Regelmäßig werden in der einjährigen Testphase Bewohner und Mitarbeitende befragt sowie Beobachtungsprotokolle ausgewertet. Dabei geht es um Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Senioren, um den empfundenen Nutzen und um eine etwaige Entlastung der Mitarbeitenden. Diese Einschätzungen sind Dr. Judith Schoch und Diana Moroz vom Institut für Innovation, Pflege und Alter wichtig.

Gute Kommunikation zwischen Mensch und Maschine will geübt werden

Nachdem Pflegekräfte und Alltagsbetreuerinnen Anton ausprobiert haben, darf eine 91-Jährige mit ihm plaudern. Doch der Roboter hat zunächst ein W-Lan-Verbindungsproblem, was er durch ein Räuspern äußert. Aber dann klappt es doch. Die Seniorin stellt sich als Gisela vor, die gerne spazieren geht und sich an den schönen Blumen in einem besonders gepflegten Vorgarten in der Gartenstraße erfreut. Sie sprechen über Herbstastern, bis Anton beim Thema Natur und Garten auf Vögel kommt. Irgendwann läuft die Kommunikation im Kreis und Juliane Hernold setzt wieder auf den verbalen Abbruch. Gisela ist dennoch ganz angetan vom kleinen Kulleraugen-Roboter. Ihr hat der Test Spaß gemacht. Jetzt freut sie sich auf die nächste Begegnung mit Anton im Wohnbereich.

Technisches und Hintergrund zum sozialen Roboter Anton



  • Mit „Navel, der Empathie-Roboter in der Pflege “ wirbt das 2017 in München gegründete Entwickler-Unternehmen navel robotics für den vom Adam-Rauscher-Haus in Anton unbenannten High-Tech-Zwerg.
  • Er misst 72 Zentimeter und wiegt acht Kilogramm.
  • Er hat sieben Mikrofone im Kopf, 3D-Kameras in Kopf und Brust , einen Lautsprecher in der Brust und verfügt über einen großen Prozessor.
  • Darüber hinaus hat er 3D-Sensoren , die per Laserlicht Entfernungen messen und Sprache erkennen.
  • Anton hat Motoren und eine Lithium-Ionen-Batterie , die nach etwa sechs bis acht Stunden Einsatz wieder aufgeladen werden muss.
  • Anton entspricht den Anforderungen der Datenschutzgrundverordnung . Sein Einsatz und die begleitende Studie wurden von einem externen Ethikrat geprüft.
  • Anton kann sich auf trockenem , sauberem und ebenem Grund bewegen , nicht aber im Freien.
  • Der Roboter kann desinfiziert, aber nicht geduscht werden.
  • Der Arm ist beweglich, kann aber abgeklippt werden, damit er nicht abbricht.
  • Verbaut sind darüber hinaus ein Kippschutz , zwei Antriebsräder und ein kleines Rad zum Drehen.
  • Anton deutet Stimmen, Bewegungen und Gesichter und reagiert darauf. Er verfügt über eine unendliche Geduld , ist nie launisch oder nachtragend und schenkt jedem immer ein Lächeln. hvb

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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