Kurioses aus der Postagentur

Tauber-Odenwald: Wenn der Datenschutz den Brief unsichtbar macht...

Mitarbeiterin wollte keine Adressen auf den Sendungen lesen. Deutsche Post reagiert mit Kopfschütteln und Klarstellung.

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Klaus T. Mende
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Die Mitarbeiterin einer Postagentur wollte auf Sendungen keine Adressen lesen. Die Deutsche Post reagiert mit Kopfschütteln und Klarstellung. © Klaus T. Mende

Tauber-Odenwald. Der FN-Reporter wollte nur einen Brief in einer Postagentur im Kreis aufgeben - wie ein weiterer Kunde direkt vor ihm. Was er dabei erlebte, war dann doch etwas aus der Kategorie „Kurios“. Die Mitarbeiterin fragte die Person, die zunächst an der Reihe war, nach der Empfängeradresse. „Geht der Brief ins Inland oder ins Ausland?“, wollte sie wissen. Der Reporter mischte sich in die Unterhaltung ein und erkundigte sich, warum sie das denn wissen wolle – schließlich stehe die Adresse ja gut lesbar auf der Sendung. Daraufhin kam die erstaunliche Antwort: „Aus Datenschutzgründen dürfen wir nicht auf die Anschrift schauen.“

Von der Deutschen Post angewiesen, so zu handeln?

Datenschutz – das große Schlagwort? Doch was soll daran datenschutzkonform sein, wenn ein Mitarbeiter die Adresse des Empfängers nicht ansehen darf? Schließlich ist doch genau das seine Aufgabe. Also hakte der Reporter nach. Und die Begründung folgte prompt: Man sei von der Deutschen Post angewiesen, so zu verfahren. Nur so könne man das richtige Porto einziehen, ohne später „in der Haftung“ zu stehen, sollte ein Brief oder Paket falsch befördert werden.

Nun hatte das Ganze ein „Nachspiel“. Denn die FN wollten wissen, ob das wirklich stimmt ¬¬- und fragten deshalb bei der Deutschen Post in Bonn nach.

Die Antwort aus der Konzernzentrale fällt eindeutig aus: Nein, es gebe keine Anweisung, die das Anschauen von Adressen verbiete, teilt Post-Pressesprecherin Jasmin Derflinger auf Anfrage mit. Ganz im Gegenteil: Die Mitarbeiter sollten selbstverständlich auf die Anschrift blicken, um die jeweilige Sendung auch korrekt bearbeiten und das richtige Porto berechnen zu können. „Adressdaten dürfen durch die Mitarbeiter natürlich eingesehen werden.“ Die Begründung der Filialmitarbeiter sei schlichtweg falsch.

Gleichzeitig zeigt man in Bonn Verständnis: Gerade in Partnerfilialen – also jenen Poststellen, die von Schreibwarenläden, Supermärkten oder Kiosken betrieben werden – seien solche Missverständnisse durchaus „menschlich“. Die Beschäftigten dort seien keine Angestellten der Deutschen Post, sondern des jeweiligen Einzelhändlers. Sie würden geschult, aber sie seien keine ausgebildeten Postbeamten. Und manchmal interpretiere man wohl eine Regel „etwas zu kreativ“.

Zweifellos gebe es gute Gründe, die Kunden nach dem Zielland zu fragen, sagt Derflinger weiter. Vor allem, wenn das Ziel deutsch klinge, aber gar nicht in Deutschland liege: Wer „Salzburg“ oder „Bern“ auf den Brief schreibe, meine vielleicht Österreich oder die Schweiz – und schon mache das Porto einen Unterschied. Auch wenn die Abkürzung „A“ oder „CH“ fehle, sei eine Rückfrage sinnvoll. Aber daraus gleich ein Datenschutzprinzip zu machen? „Das ist dann doch zu viel des Guten.“

„Es ist immer gut, wenn Filialpartner die Kunden nach den Adressdaten befragen, um Fehler zu vermeiden“, drückt sich Jasmin Derflinger diplomatisch aus. Doch dass dies aus Datenschutzgründen geschehe, stimme schlicht nicht. Die Mitarbeiter dürfen – und sollen – Adressen lesen. Schließlich sei das der Kern ihres Jobs.

Tatsächlich seien inzwischen die meisten Agenturen keine klassischen Postämter mehr, sondern Partnerfilialen im Einzelhandel. Dieses Modell gebe es bereits seit Mitte der 1990er Jahre und gelte als Erfolgsrezept. Die Vorteile lägen auf der Hand: längere Öffnungszeiten, mehr Service, mehr Nähe zum Kunden. Während eine typische Poststelle 1990 nur rund 18 Wochenstunden geöffnet hatte, seien es heute im Schnitt 55 – dreimal so viel. Laut Kundenmonitor seien über 94 Prozent der Verbraucher mit diesen Partnerfilialen zufrieden.

Auch wirtschaftlich lohne sich das Modell, betont die Konzernsprecherin. Denn die Postdienstleistungen brächten dem örtlichen Einzelhandel mehr Laufkundschaft – wer ein Paket abgebe, nehme oft noch einen Block, eine Zeitschrift oder ein Getränk mit. So stärke die Post mit ihrem Netz indirekt den Einzelhandel. Aktuell betreibe die Deutsche Post bundesweit rund 12.800 Partnerfilialen, dazu über 10.000 DHL-Paketshops, 1600 Verkaufspunkte und 15.600 Packstationen. Bis 2030 sollen es 30.000 Automaten sein.

Trotz Digitalisierung entstehen Missverständnisse

Dass trotz all dieser Struktur und Digitalisierung manchmal Missverständnisse entstehen, zeige die Szene aus der Filiale im Main-Tauber-Kreis eindrücklich. Der Begriff „Datenschutz“ werde inzwischen fast reflexartig verwendet – oft auch dann, wenn er gar nicht passe, wird bei der Deutschen Post gemutmaßt. Vielleicht stecke dahinter schlicht eine gewisse Angst, etwas falsch zu machen. Lieber nicht hinschauen, als in der Haftung stehen? Ein „Reflex“ - typisch für diese Zeit – und zugleich das Gegenteil von Kundenservice. Denn wer bei der Post keinen Blick auf den Empfänger werfen dürfe, der könne seine Arbeit kaum richtig erledigen, heißt es weiter.

Manchmal sei gesunder Menschenverstand die beste Datenschutzregel, ist abschließend zu erfahren. Und wer einen Brief aufgebe, dürfe ruhig darauf vertrauen, dass bei der Post noch jemand hinschaue – ganz offiziell.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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