Badische Landesbühne

Gutes Ensemble kämpft sich durch sperriges Stück

Egon Monks „Industrielandschaft mit Einzelhändlern“ in der Stadthalle aufgeführt

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ferö
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Das gut aufgelegte Ensemble der Badischen Landesbühne machte die Aufführung des Stücks „Industrielandschaft mit Einzelhändlern“ in der Stadthalle fürs Publikum erträglich, löste aber keine Begeisterungsstürme aus. © Felix Röttger

Tauberbischofsheim. Für ihre Spielzeit ausgegraben hat die Badische Landesbühne Egon Monks Erzählung „Industrielandschaft mit Einzelhändlern“, die der ehemalige Brecht-Schüler 1970 für den NDR selbst verfilmte. Nach dem Film richteten Carsten Ramm und Fränzi Spengler das Stück ein. Mit Lydia Fuchs, Martin Behlert, Thilo Langer, Tobias Strobel und Lukas Maria Redemann war in der Tauberbischofsheimer Stadthalle ein gut aufgelegtes Schauspieler-Quintett zu erleben, das aus der sperrigen Thematik herausholte, was herauszuholen war. Dazu später mehr.

Geboten wurde den Zuschauern in diesmal etwas gelichteten Reihen – im letzten Jahr war noch mit der Revue „Wir sind ja sooo zufrieden“ eigentlich ein Abend mit Weigel, Brecht und anderen geplant – ein Lehrstück über das Scheitern eines Drogisten im profitorientierten Kapitalismus der 1950er und 1960er Jahre.

Karges Bühnenbild

Zu sehen ist ein karges Bühnenbild von Tilo Schwarz mit einem Lagergerüst, leeren Kartons mit der Aufschrift „Ware“ einer Neon-Leuchttafel „Industrielandschaft“, weißen Drogisten-Arbeitskitteln am Haken und einer Sitzcouch. Neben dem Stehtisch auf Rädern mit leeren Biergläsern fehlte nur noch ein dekorativer Gummibaum.

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Die sprachlich ausgefeilten Texte wurden vom Schauspiel-Quintett reihum in der dritten Person und im Konjunktiv solo und im Chor ohne Mikroports gut verständlich deklamiert. Weil es keine Chance gab, emotional mit dem von Anfang an vorgezeichneten Untergang einer beruflichen Einzelhändler-Existenz mitzuleiden, wurde rasch die Schwäche dieses Theaterstücks deutlich. Arthur Millers Willy Loman in „Tod eines Handlungsreisenden“ ließ nicht grüßen. Gerne hätte man die Verzweiflung des namenlosen Drogisten geteilt, der in tragikomischer Weise bis zum letzten Moment glaubt, in einem sich selbst regulierenden Markt etwas falsch gemacht zu haben.

Aber darum ging es dem für seine ambitionierten Fernsehfilme mehrfach mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichneten Schauspieler, Regisseur, Dramaturg und Autor Egon Monk mit hohen didaktischen Ansprüchen nie. Geradezu nüchtern wurde von dem Ensemble der Landesbühne der zum Scheitern verurteilte Überlebenskampf gegen Waren- und Versandhäuser nebst Discount-Läden protokolliert. Die marktwirtschaftlichen Belehrungen prasselten in so dichter Folge auf die Zuhörer, dass chorischer Gesang geradezu dankbar aufgenommen wurde, ob nun der „Konjunktur-Cha-Cha“ vom Hazy Osterwald Sextett oder der Schlager „One more sunrise“, in dem es treffend heißt: „Gestern, gestern, liegt schon so weit zurück.“

Aus der Zeit gefallen

Es gibt heute eben nicht mehr den allseits geachteten Drogisten, der das tägliche Leben mit seinen Tipps zur Schädlingsbekämpfung, Hausmitteln für Wehwehchen oder Flecken im Sonntagsanzug erleichtern konnte.

Egon Monk hätte sich selbst im Traum noch nicht vorstellen können, dass bald ein Internet zum Ausgangspunkt für online-Shopping wird und digitale Geschäftsauftritte auch für die kleinsten Einzelhändler zum Überleben notwendig werden.

Insofern wirkt das Stück reichlich aus der Zeit gefallen. Der Autor rennt offene Türen ein, wenn er die Widersprüchlichkeit einer Einzelhändler-Existenz zu entlarven sucht, in der noch an ein selbständiges und selbstbestimmtes Agieren in der „freien“ Marktwirtschaft geglaubt wird. Dieser Illusion gibt sich ein halbes Jahrhundert später kein Händler mehr hin.

Von der Zeit überholt

Selbst große Kaufhäuser, Warenhaus- und Drogeriemarkt-Ketten mussten in den letzten Jahrzehnten teilweise ihre Pforten schließen und verschwanden vom Markt. Mobilität und Individualisierung sind neue Trends. Das einzig Beständige ist der Wandel, heute noch schneller als vor fünfzig Jahren.

Kräftigen Beifall gab es für die tüchtigen Protagonisten auf der Theaterbühne. Das rasche Abebben des Zuspruchs ließ vermuten, dass die vom Autor anvisierten Gehirnzellen der Besucher nicht nur mit Denkprozessen konfrontiert werden, sondern auf die szenische Darstellung innerer Vorgänge nicht verzichten wollen. ferö